Hyundai Capital Bank Europe im Interview: „Jetzt ist eine Captive gefragt“

Wie schätzen Sie den aktuellen Markt und die Lage des Handels ein?
E. Paulat: Tatsächlich denke ich, dass wir eine Zeitenwende durchlaufen. Der forcierte Wandel vom Verbrenner zum Elektrofahrzeug, ein steigendes Zinsumfeld, Ressourcenknappheit und längere Lieferzeiten – das wirkt sich auf Hersteller ebenso wie auf Captive-Banken aus. Hyundai und Kia befinden sich hier im Vergleich zu anderen Marken in einer Sondersituation. Und zwar im positiven Sinne. Hyundai ist aufgestiegen zum stärksten asiatischen Importeur in Deutschland. Und Kia verändert das komplette Auftreten hin zu einer modernen, mutigen und stark wachsenden Marke. Das Line-up beider Marken im Bereich der Elektromobilität schneidet nicht nur in Leistungsvergleichen gut ab, sondern ist auch beim Design richtungsweisend. Das führt dazu, dass die Auftrags­bücher gut gefüllt sind.

Gibt es also weniger Herausforderungen in den Häusern Hyundai und HYUNDAI Finance bzw. Kia und KIA Finance?
M. Giblin: Nein, auch wir stehen vor Herausforderungen, aber es sind eben andere. Um beim Beispiel der EVs zu bleiben, das mein Kollege angesprochen hat: Gemeinsam mit Hyundai und Kia treibt uns nicht nur  Wachstum im Neuwagengeschäft um. Und im Gegensatz zu anderen Herstellern widmen wir uns auch nicht nur der Frage, wie man mit Elektrofahrzeugen ein für alle Parteien – Handel, Hersteller, Kunde und Bank – vorteilhaftes Gebrauchtwagengeschäft betreiben kann. Wir beschäftigen uns auch damit, grundsätzlich im GW-Geschäft schnellere Prozesse aufzusetzen, die mit den Bedürfnissen aller Akteure mitwachsen. Denn für Hyundai und Kia als wachsende Hersteller, aber auch für uns als Bank, liegt hierin viel ungenutztes Potenzial.
E. Paulat: Meine Kollegin spricht damit ein Thema an, das man gar nicht oft genug betonen kann. Als Bank des Herstellers und des Handels sehen wir es als eine unserer wichtigsten Aufgaben an, zuzuhören und zu verstehen, wo die Reise hingehen soll, und dann zügig attraktive Finanzdienstleistungen zu entwickeln, die diesen Kurs stützen. Ein Beispiel: Wir wissen um die steigende Restwertentwicklung von Gebrauchten und auch um das knappe Angebot, das vom Handel schnelles Agieren fordert. So kommen beispielsweise in den nächsten Monaten viele Leasingrückläufer zurück. Bei unserem Leasingprodukt mit Rücknahmegarantie durch uns haben unsere Partner auf diese Fahrzeuge den ersten Zugriff, denn bereits jetzt binden wir unsere Handelspartner als exklusiven Absatzkanal ein und zeigen uns mit angepassten Einkaufsfinanzierungslinien flexibel für gemeinsamen Vertriebserfolg.

Was zeichnet jetzt eine Captive aus?
E. Paulat: Bei niedrigen Zinsen kann jede Bank Geschäfte machen. Wenn die Zinsen steigen, braucht es Spezialisten: Wir sorgen dafür, dass der Verkaufsmotor anspringt, bevor die Absatzbremse greift. Als hersteller­gebundene Autobank haben wir nicht nur großes  Verständnis für den Markt. Wir haben auch ein lebhaftes Interesse am Erfolg unserer Marke.
M. Giblin: Ergänzen möchte ich, dass für Erhard Paulat und mich Erfolg für die Marke auch dann eintritt, wenn wir uns als eigenständiges Unternehmen weiterentwickeln. Die Ergebnisse des BankenMonitors des AUTOHAUS-Magazins sind dabei ein Indikator: Im vergangenen Jahr konnten wir uns mit HYUNDAI Finance verbessern und mit digitalen Angeboten, aber auch mit schnellen Kreditentscheidungen punkten. Mit KIA Finance waren wir der Aufsteiger des Jahres und konnten insbesondere mit digitalen Angeboten und in Bereichen wie Leasing sowie Verkaufsunterstützung punkten. Gleichzeitig haben wir Handlungsfelder herausgefiltert. Seither haben wir einiges bewegt. So gibt es neue Funktionen in unserem Kalkulationstool FIONA und wir optimieren unsere Schulungen und Prozesse im Innendienst.

Wie sehen Sie die Rollenverteilung im Team aus Bank, Marke und Handel?
M. Giblin: Wir setzen uns aktiv für die Interessen unserer Kunden ein. Und unsere Kunden sind unsere Händlerpartner. Als Captive verstehen wir uns als Player auf Augenhöhe mit Hersteller und Handel. Direkter Zugang ist unser entscheidender Vorteil: Bei vielen Weichenstellungen sitzen wir von Anfang an mit am Tisch.
E. Paulat: Unsere Aufgabe ist es, den Händlern den Rücken freizuhalten. Einfache Prozesse, wenig Papierkrieg, keine unnötige Datenerfassung sowie schnelle Kreditentscheidungen sind hier Stichworte. Unsere Antrags­strecke kann zum Beispiel bereits vollkommen papierlos und digital genutzt werden, und wir stehen kurz davor, dass die Hälfte der Kunden die digitale Unterschrift nutzt. Unser Ziel ist kein Geringeres, als es unseren Händlern so einfach wie möglich zu machen, mit uns zusammenzuarbeiten.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
M. Giblin: Schon jetzt drehen sich einige Projekte um den Innendienst, in dem wir noch besser und digitaler werden wollen. Gemeinsam mit dem Handel möchten wir auch das Thema Kundenloyalisierung anpacken. Ein Beispiel sind die Leasingrückläufer, die wir vorhin bereits angesprochen haben. Kurzum: Mit klugen Finanzdienstleistungen wollen wir dabei unterstützen, aus gewonnenen Kunden treue Kunden zu machen.
E. Paulat: Auf den Punkt bringt es vermutlich am besten unser Ziel, eine der besten Autobanken Europas zu werden. Bei Innovationen und Produktneuheiten können unsere Händler einiges erwarten. Wichtig ist mir auch ein partnerschaftliches Verhältnis zum Handel. Wir haben die Botschaft aus dem Handel verstanden.

Frau Giblin, Herr Paulat, vielen Dank für das Gespräch!