Ausgabe 04/2014: Zündstoff Kältemittel

Berücksichtigt man die Quasi-Ausnahmeregelung der EU, trat die Richtlinie 2006/40 EG zu umweltfreundlicheren Kältemitteln in Klimaanlagen im Januar 2013 in Kraft. Die Vorgabe ist technologieneutral formuliert, darauf legen die Beteiligten Wert, d. h. die chemische Zusammensetzung spielt keine Rolle. Wichtig ist nur die Klimaneutralität: In neu homologierten Fahrzeugen darf demnach nur noch ein Kühlmittel eingesetzt werden, das einen GWP-Wert (Global Warming Potential - also der Beitrag zum Treibhauseffekt) kleiner 150 aufweist. Zur Einordnung: Das bis dahin eingesetzte Mittel R-134a hat einen Wert von 1430, die neue Kühlchemikalie R-1234yf erreicht lediglich den Wert 4. Kohlendioxid wurde zuerst von der Automobilindustrie favorisiert. Die Gründe sind einleuchtend: Der GWP-Wert von CO2 (oder R-744) entspricht 1. Zudem ist das Produkt preisgünstig und letztlich ein Industrieabfallprodukt, das ausreichend zur Verfügung steht und sich durch die Wiedernutzung - wenn man so will - elegant entsorgen ließe.Brandgefährlich laut KritikernAußerdem gilt es im Kältemittel-Betrieb als verhältnismäßig ungefährlich. Im Gegensatz zu R-1234yf, auf das sich die Industrie schließlich 2009 verständigte. Kritiker werfen der Chemikalie nämlich vor, leicht entzündlich zu sein (bei niedrigeren Temperaturen als das bislang eingesetzte R-134a). Wie beispielsweise Crashtests von Daimler im Jahr 2012 ergaben, können sich bei einem Unfall mit Brandfolge Fluorwasserstoff (HF) und Flusssäure bilden. Informationen des Handelsblatt zufolge kommt das nicht so selten vor, wie man vielleicht meint: In Deutschland gibt es pro Jahr rund 30.000 bis 40.000 Fahrzeugbrände in Folge eines Unfalls. Der Berufsverband der Feuerwehr fordert daher zumindest eine Gefahrenkennzeichnung auf der Windschutzscheibe, damit die Unfallhelfer um das vermeintliche Risiko wissen. Verbände und Lobbygruppen wie der ADAC oder die Deutsche Umwelthilfe befürworten die Nutzung von Kohlendioxid, obgleich CO2-Klimaanlagen bei hohen Temperaturen im Vergleich Effizienzprobleme haben.Zwischenlösung R-134aDoch die Branche ist noch nicht so weit. Obgleich schon seit Ende des vergangenen Jahrtausends an der Entwicklung von Kohlendioxid als Kältemittel gearbeitet wurde, benötigen sowohl Autobauer, Zulieferer und auch die Hersteller von Klimaservicegeräten noch Zeit. In einigen Monaten will Daimler jedoch die Komponenten dafür produzieren lassen. "Wir werden Mitte des Jahres die Serienaufträge zur Fertigung der Baukästen an die Zulieferer erteilen", erklärte der zuständige Entwicklungschef Stefan Geyer vergangenen Monat der Deutschen Nachrichtenagentur (dpa). Doch bis dahin gehen die Stuttgarter einen Sonderweg und nutzen weiterhin die Kühlchemikalie R-134a. Dabei bemühte der Autobauer einen Trick: Die Weiterverwendung des klimaschädlichen Mittels ist nach eigener Sichtweise richtlinienkonform, da neue Baureihen nachträglich mit älteren Typgenehmigungen ausgestattet wurden. Das KBA hatte gegen diese Vorgehensweise nichts einzuwenden, was Verkauf und Zulassung in Europa zulässt. In Frankreich beurteilte man die Sachlage dagegen anders: Das Nachbarland hatte einen Zulassungsstopp für bestimmte Modelle verhängt.Ausweg Kohlendioxid?Und auch die Europäische Kommission teilt die deutsche Sicht nicht und startete kürzlich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. In der Folge könnte Daimler zu einem Rückruf von 133.000 Fahrzeugen der Marke Mercedes-Benz gezwungen werden, meldete die dpa. Währenddessen haben sich neben Daimler auch BMW und Volkswagen dazu bekannt, künftig CO2 zur Kühlung einzusetzen. Die drei Hersteller beteiligen sich an einem VDA-Arbeitskreis, der die nötige Technik für die CO2-Klimaanlagen entwickeln soll. Nach VDA-Angaben sind daran auch BMW, Ford und Opel sowie zahlreiche Zulieferer beteiligt. Davon unbeeindruckt zeigt sich der Produzent und Patentinhaber Honeywell (neben DuPont): Trotz der Diskussionen um die Sicherheit des Klimaanlagen-Kältemittels R-1234yf baut Honeywell seine Produktionskapazitäten für die Chemikalie aus und investiert gemeinsam mit Zulieferern rund 300 Mio. Dollar, hieß es im Dezember in einer Mitteilung. Argumentationsgrundlage ist der Umweltschutz: Die Umsetzung der europäischen Richtlinie wäre laut Honeywell bei globalem Einsatz "zum gegenwärtigen Zeitpunkt unter Treibhausgasaspekten gleichbedeutend mit einem Minus von 30 Millionen Autos oder etwa drei Prozent aller Fahrzeuge auf den Straßen."Mit R-1234yf unterwegsWährend CO2 heute nicht verfügbar sei, nutzen weltweit bereits fast eine halbe Million derzeit in Betrieb befindlicher Fahrzeuge R-1234yf. "Am Ende des Jahres 2014 werden es voraussichtlich mehr als zwei Millionen sein", hieß es Honeywell. Die kritische Haltung der vorrangig deutschen Konzerne teilen nicht alle Autobauer. So wurden laut DUH hierzulande zwischen Januar und November 2013 bereits 90.000 Fahrzeuge mit dem neuen Kältemittel zugelassen. Der Verband berief sich dabei auf KBA-Zahlen. Die meisten davon sind koreanischer Bauart. Auf Hyundai entfallen 29.488 Fahrzeuge der Modelle i30, Santa Fe und i10 nach Facelift, auf Kia 19.325 Fahrzeuge der Baureihen Cee'd, Carens/Rombo, Sorento sowie Optima. Mit Abstand folgen die Hersteller Opel (12.946 Einheiten des Modells Mokka). Subaru (4.920 Pkw der Typen Impreza/ XV, Forester bzw. BRZ) sowie Mitsubishi (4.712 Mirage/Spacestar) und Chevrolet (3.491 Trax/Tracker bzw. Malibu).Einschränkend muss man jedoch feststellen, dass sich für einige Baureihen nicht zweifelsfrei sagen lässt, ob das vorgesehene Kältemittel auch durchgängig während des gesamten Produktionsprozesses eingefüllt wurde. Toyota und andere Hersteller folgten dem Daimler-Beispiel und griffen im Produktionsprozess auf alte Typgenehmigungen bzw. R-134a zurück. Für die Markenservice-Betriebe hat das unsichere Investitionen in neue Klimaservicegeräte für R-1234yf zur Folge.Falls R-1234yf kassiert wird und sich die Industrie auf Kohlendioxid einigt, verfügen Klimaspezialisten über drei Typen von kostspieligen Servicegeräten mit sehr unterschiedlicher Auslastung.

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