Ausgabe 06/2008: Zuckerbrot und Peitsche

Garantie-voraussetzungen / Wenn ein Kunde vorgegebene Inspektionen nicht durchführen lässt, ist die Einstandspflicht des Garantiegebers nicht automatisch ausgeschlossenZuckerbrot und PeitscheAutohaus-Juristen Rechtsanwälte G. Haug & PartnerZuletzt haben zwei Entscheidungen des BGH im Bereich der Fahrzeuggarantien Aufsehen erregt. In beiden Fällen ging es darum, ob der Garantiegeber seine Einstandspflicht unabhängig von der Ursache eines eingetretenen Schadens ausschließen kann, wenn der Garantiekunde an seinem Fahrzeug nicht die herstellerseits vorgesehenen Inspektionen hat durchführen lassen. Die entsprechende Klausel fand sich sinnidentisch einmal in einem Gebrauchtwagengarantievertrag und zum anderen in den Neuwagengarantiebedingungen eines Herstellers. Bei Anwendung derselben Prüfungsmaßstäbe entschieden die Richter mit unterschiedlichem Ergebnis. Dies erscheint zunächst unverständlich, erklärt sich jedoch bei näherer Betrachtung durch unterschiedlich gesehene Interessenlagen.GarantievertragWie von uns bereits in AUTOHAUS 21/2007 berichtet, entschied der 8. Senat im Oktober 2007 für einen Gebrauchtwagengarantievertrag, dass sich die Eintrittspflicht des Garantieversicherers formularvertraglich nicht wirksam von regelmäßig durchgeführten Inspektionen abhängig machen lässt (Az: VIII ZR 251/06). Im entschiedenen Fall verlangte der Garantienehmer sechs Monate nach Erwerb seines Gebrauchtfahrzeugs die Übernahme von Kosten zur Beseitigung eines Axialspiels der Kurbelwelle. Das Wartungsintervall seines Fahrzeuges war um 827 km überschritten.Wie bis dato in fast allen Garantieverträgen der Branche üblich, verpflichtete der Wortlaut des Vertrages den Kunden, an seinem Fahrzeug die vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten beim ausliefernden Händler oder einer anderweitig als qualifiziert vorgegebenen Werkstatt lückenlos durchzuführen und sich dies in der Garantieurkunde bestätigen zu lassen. Bei Nichteinhaltung dieser Pflichten stellte sich der Garantiegeber von seiner Leistungspflicht frei, und zwar unabhängig davon, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen unterlassener Inspektion und dem eingetretenen Schaden besteht.Ohne Erfolg verteidigte der Garantieversicherer die Vertragsbestimmung mit seinem legitimen Interesse, mit der Verpflichtung zur üblichen und regelmäßigen Wartung ein erhöhtes Risiko des Garantiefalleintritts zu vermeiden und sich unangemessenen Aufwand für die sachverständige Beurteilung von Kausalitätsfragen zu ersparen. Die Richter unterwarfen die Klausel wegen der enthaltenen Leistungsbeschränkung einer Inhaltskontrolle nach den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen, deren Generalklausel (§ 307 BGB) eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners verbietet. Im Zuge einer Abwägung der beiderseitigen Interessen berief sich der BGH auf eine alte Entscheidung aus dem Jahre 1991 (NJW - RR 1991, 1013) und eine unzureichende Berücksichtigung der Kundeninteressen dann, wenn der Garantiegeber "von seiner Leistungsverpflichtung ohne Rücksicht darauf freigestellt wird, ob der Verstoß des Kunden gegen seine Obliegenheit zur Durchführung der Wartungsarbeiten für den reparaturbedürftigen Schaden ursächlich geworden ist". Das Interesse des Garantieversicherers, unangemessenen Aufwand zur Beurteilung von Kausalitätsfragen zu vermeiden, steht diesem Nachteil des Kunden nicht angemessen gleichwertig gegenüber. Denn es steht dem Garantiegeber nach den Urteilsgründen frei, einen solchen Aufwand von vornherein durch vertragliche Überwälzung der Beweislast auf ein zumutbares Maß zu beschränken, also dem Kunden den Nachweis einer fehlenden Ursächlichkeit aufzuerlegen. Die Befassung mit dann ernsthaft streitigen Fällen der Schadensursächlichkeit sieht der BGH als geschäftsbedingt zumutbar.HerstellergarantieDie mit der oben dargestellten Entscheidung unmittelbar aufgeworfenen Fragen nach einer Übertragbarkeit des Ergebnisses auch auf Neuwagengarantien der Hersteller wurden zeitnah vom BGH selbst beantwortet. Auf Vorlage hoben dieselben Richter des 8. Senats eine Entscheidung des LG Braunschweig auf (Urteil vom 12.12.2007; Az: VIII ZR 187/06). Ein Gebrauchtwagenkunde beanspruchte für sein im Jahr 2002 erworbenes Gebrauchtfahrzeug die "mobilo-life"-Garantie von Mercedes-Benz, die für nach Oktober 1998 ausgelieferte Fahrzeuge der Marke u. a. die Zusage enthält, dass innerhalb eines Zeitraumes von 30 Jahren am Fahrzeug keine Durchrostungen von innen nach außen auftreten. Der Kläger machte die ordnungsgemäße Reparatur der durchgerosteten Heckklappe seines Fahrzeuges geltend. In I. Instanz gescheitert hatte ihm das LG Braunschweig mit dem Berufungsurteil Recht gegeben, und zwar mit genau der identischen Argumentation, wie sie der BGH in seiner Entscheidung vom Oktober 2007 vertreten hatte. Hier sahen die obersten Richter jedoch eine andere Interessenlage.Gleichfalls war die "mobilo-life"-Garantie u. a. an die Voraussetzung gebunden, "dass ab dem 5. Jahr nach der Erstauslieferung durch die Mercedes-Benz Organisation die Wartungsdienste nach Hersteller-Vorgaben in Mercedes-Benz Werkstätten ausgeführt werden". Ab 2003 hatte der Kläger die Wartungsdienste nicht mehr bei Mercedes-Benz Vertragswerkstätten durchführen lassen. Bereits deshalb sprach der BGH dem Kläger Rechte aus dem Garantievertrag ab. Nicht entschieden wurde letztlich, ob die als Voraussetzung der Garantiegewährung formulierte Vertragsgestaltung eine nach AGB-Recht nicht justiziable Leistungsbeschreibung darstellt oder aber als Beschränkung des Leistungsinhalts der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterfällt. Hierauf kam es dem BGH deshalb nicht an, da vorliegend die Bestimmung jedenfalls einer Inhaltskontrolle standhalten würde. Im Gegensatz zur Rechtsprechung des OLG Karlsruhe (NJW - RR 2006, 1464) und des OLG Nürnberg (NJW 1997, 2186) sieht der BGH die Herstellergarantien für Neufahrzeuge nicht von vornherein wegen des Charakters zusätzlicher freiwilliger Leistungen über die Gewährleistung hinaus dem Prüfungsmaßstab einer unangemessenen Benachteiligung nach AGB-Recht entzogen. Es sei davon auszugehen, dass die Kunden eine langfristige Garantie unter Umständen mit einem höheren Kaufpreis bezahlen. Garantiezusagen dürften deshalb nicht durch einschränkende Nebenbestimmungen unkontrolliert ausgehöhlt werden.Unter ausdrücklichem Hinweis auf seine eigene Entscheidung vom Oktober 2007 sieht der 8. Senat im Erfordernis der Vornahme von Inspektionen in verkehrsüblichen Intervallen bei Neuwagengarantien aber eine zulässige Einschränkung. Im Unterschied zu den Fällen, in denen dritte Unternehmen (z.B. Garantieversicherer ohne eigenes Werkstattnetz) Garantiegeber sind, wird für die Fahrzeughersteller selbst ein legitimes Interesse gesehen, mit freiwilligen Garantieleistungen den Kunden über regelmäßige Wartungsdienste an die eigenen Vertragswerkstätten zu binden. Es handelt sich aus der Sicht des BGH um die Schaffung eines fördernden Qualitätsmerkmals. Nur um den Preis der regelmäßigen Durchführung der Wartungsdienste in den Vertragswerkstätten soll dem Kunden die langfristige Garantie zustehen, so dass bei wirtschaftlicher Betrachtung von einer "Gegenleistung" gesprochen werden kann, welche für die Garantie eingefordert wird. Bei Abwägung mit den Interessen des Kunden wird dieser hier nicht unangemessen benachteiligt. Dem Kunden steht die Entscheidung frei, ob er sich die langjährige Garantie unter den vorgegebenen Voraussetzungen erhalten will oder ob er abhängig vom Alter des Fahrzeugs von regelmäßigen Wartungen oder von Wartungen in Vertragswerkstätten Abstand nimmt und sich um den Preis des Garantieverlustes eventuell Geld sparen möchte. Ein Verlust der Garantieansprüche unabhängig von ursächlichen Zusammenhängen zwischen Inspektionen und Garantiefall ist dem Kunden in dieser Konstellation zuzumuten.Inhaltlich nicht befasst hat sich der BGH in der vorliegenden Entscheidung mit der Wirksamkeit entsprechender Garantiebindungen unter den Aspekten der geltenden GVO. Diesbezüglich war von den Parteien über die Instanzen nichts vorgetragen, so dass in der Revision darüber nicht zu befinden war.Rechtsanwalt Robert Glockerkanzlei@raehaug-partner.de

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