Ausgabe 20/2007: Unter Druck

Schmierstoffe / Wie sicher ist das margenträchtige Ölgeschäft im Autohaus? Ein zentrales Thema unseres Expertensymposiums in der Redaktion in München. Unter DruckVon Thomas SeidenstückerNoch immer sorgt das Ölgeschäft für sprudelnde Gewinne in den Werkstätten und Autohäusern. Fast 70 Prozent der Erträge des Servicebereichs eines Autohauses stammen aus dem Schmierstoffgeschäft! Doch wie sicher ist der Rettungsanker Öl? Longlife-Fahrzeuge haben inzwischen das Segment zwei und drei erreicht, einige Fahrzeughersteller wollen das Schmierstoffgeschäft selbst in die Hand nehmen, bekannte Ketten schrauben die Endverkaufspreise für den Ölwechsel in den Keller und mischen auf diese Weise den Markt auf. Das sind nur einige markante Trends. Geht der Druck auf die Ölmarge so weiter oder kann man gegensteuern? Auf unserem Symposium in der Redaktion diskutierten dazu AUTOHAUS-Chefredakteur Ralph M. Meunzel, Thomas Seidenstücker, Redakteur AUTOHAUS, Ingo Fischer, Leiter Verkauf Consumer Lubes bei Shell, Ulf Ch. Nahrath, Sales Manager Trade Channels D/A/CH bei Shell, Thorsten Heinicke, Leiter Business Development bei Total, Wolfgang Vandelaar, Vertriebsleiter Automotive bei Total, Thomas Morschheuser, Geschäftsbereichsleiter Autohaus/Werkstatt der Aral AG, Siegfried Müller, Sales Manager der Deutschen BP AG, Dietmar Neubauer, Verkaufsleiter bei Fuchs, Ernst Prost, Geschäftsführer Liqui Moly, sowie Wilhelm Wicke, Geschäftsführer der W+S Schmierstoffverkauf GmbH. Preise unbekanntGrundsätzlich war sich die Diskussionsrunde einig, dass seitens der Mineralölhersteller die Schmierstoffmargen fürs Kfz-Gewerbe weiter sehr lukrativ gestaltet sind. Dennoch sind die Gewinne aufgrund von Fehlverhalten am Markt in Gefahr. "Das Management im Autohaus ist oft nicht der Lage die Vermarktung der guten Produkte zu vermitteln. Und wenn die Argumente fehlen, zieht man als letzten Joker die Preiskarte", ist die Erfahrung des Liqui Moly Geschäftsführers. Es liegt also an jedem selbst, das Geschäft zu seinem Vorteil zu gestalten. Müller: "Natürlich hängt es im Endeffekt von der Professionalität des einzelnen Autohauses und dem Engagement des gesamten Teams ab, ob die Renditequelle Schmierstoff voll ausgeschöpft wird. Dazu muss der Verantwortliche des Unternehmens erkennen, dass das Ölgeschäft inzwischen zum Überlebensfaktor geworden ist. Neben technischen Schulungen setzten wir deshalb auch im Bereich Ertragsrechnung an. Wir sind die Partner der Autohäuser und tragen eine Verantwortung für deren Erfolge." Doch wie kann das den Betrieben helfen, wenn der Ölwechsel plakativ zu Kampfpreisen offeriert wird? Gängiges Beispiel dafür ist ATU. Wicke: "Viele bieten etwas an, ohne den Markt zu kennen. So gibt es Autohäuser, die den Ölwechsel sogar noch billiger offerieren als ATU und damit wichtige Marge verschenken. Hier sehe ich eine große Gefahr für alle. Im Einkauf gibt es keine Spielräume mehr. Seit Jahren wird das Öl immer besser, ohne dass wir spürbar mehr dafür erzielen. Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass der Kunde bereit ist, im Autohaus wieder mehr zu bezahlen. Nicht im Einkauf liegt der Gewinn, sondern im Verkauf. Ich kann nicht erkennen, dass wir mehr verkauft haben, indem die Preise gesenkt wurden."Doch die zum Teil großen Preisdifferenzen führen zu Erklärungsnöten in den Betrieben. Fischer: "Wenn man sich ein Longlife 3 Produkt für Volkswagen ansieht, ist der Preisunterschied zwischen Autohaus und ATU nicht sehr hoch. Es gibt Produkte, die bei ATU niedriger positioniert sind, aber die werden künftig nicht mehr kriegsentscheidend sein für den Erfolg des Schmierstoffgeschäfts im Autohaus." Das sieht Neubauer anders: "Der Endkunde erkennt die Zusammenhänge nicht. Er sieht nur: Im Autohaus habe ich 19,90 pro Liter bezahlt und bei ATU kostet es 9,90 Euro. Die vorhandenen Unterschiede sind schwer zu vermitteln." Morschheuser ergänzt: "Aral setzt nach wie vor auf die Fachhandelstreue. Aral-Produkte gibt es neben den rund 2.500 Aral-Tankstellen nur im Autohaus und Kfz-Meisterbetrieb. Wer heute ein gutes Ersatzteil- und Servicegeschäft betreibt, wird auch zukünftig nicht mit ATU in Konflikt geraten. Was ich aber feststelle: Die wenigsten Betriebe verkaufen beim Ölwechsel die Marke und nutzen somit deren Bekanntheitsgrad und das Image aus. Der Kunde verbindet aber hauptsächlich mit der Marke das Know-how für Schmierstoffe. Stattdessen werden Viskositäten, Normen und Preise in den Vordergrund gestellt."Wenig MarkenbewusstseinDie Frage stellt sich, ob dem Autofahrer die Marke überhaupt so wichtig ist oder ob er nicht automatisch davon ausgeht, dass ihm das Autohaus seines Vertrauens das richtige Produkt anbietet? Prost: "Wir haben ca. 200 Leute zum Thema Öl befragt und 80 Prozent wussten nicht, was die Werkstatt in den Motor eingefüllt hatte. Das ist entsetzlich für jeden, der seine Marke hoch hält. Ich glaube, wir haben es nicht mehr in der Hand. Schauen wir auf die Eigenmarken im Drogerie- oder Lebensmittelhandel: Hier gibt es Warengruppen – da haben die Eigenmarken des Handels höhere Marktanteile als alle Industriepartner zusammen. Warum? Wegen dem guten Marketing? Nein: Weil die einen besseren Preis machen. Und der einfache Bürger, der 100 bis 150 Euro für einen Ölwechsel im Autohaus zahlen muss, hat ein Problem. Die breite Masse ist auf günstige Preise angewiesen. Ich denke, hier ist Gefahr für alle Marken im Verzug. Wir müssen die Allianz mit dem Autohaus und der Werkstatt suchen, aber auch dafür sorgen, dass die Preispolitik mit Augenmaß betrieben wird. Die Zeit der Marken ist nicht mehr so, wie sie war und die Betriebe setzen die Markenbausteine und unsere Tools nicht immer so um, wie es notwendig wäre." Ein Ansatz, der einleuchtet, aber nicht überall auf Zustimmung stößt. Fischer: "Da widerspreche ich deutlich. Die Produkte, die wir dem Handel bieten, sind ihr Geld absolut wert und die Margen sind realistisch. Wir alle haben Partner, die damit gut fahren und bei denen es funktioniert. Der Lebensmittel- und Einzelhandel in Deutschland ist sicherlich dabei, sich über den Preis zu finden. In anderen Ländern ist das anders. Hier findet man die Produkte viel hochwertiger präsentiert, und wenn man die Lebensmittel außen vor lässt, stellt man schnell fest, dass die Welt am Ende des Tages von Marken dominiert wird – egal ob Auto, Schmuck oder Kleidung. Nicht umsonst liegen auch in unserem Bereich die Marken vorne. Unsere Studien sagen, dass sich daran so schnell nichts ändern wird." Ist die Marke demnach stärker in den Fokus zu rücken? "Das Problem liegt bei denen, die eine Marke nicht verkaufen können. Solange mir ein Serviceberater die Unterschiede zwischen den Produkten nicht erklären kann und am Ende sagt, das sei alles das Gleiche, habe ich ein Problem. Dann ist der Leidensdruck beim Autofahrer besonders hoch, weil ihm die Differenzierung fehlt und die Qualität nichts wert ist", so Neubauer.Selbst in die Hand nehmenSpätestens wenn die Fahrzeughersteller das Ölgeschäft selbst in die Hand nehmen, ist das Thema Marke für Autohaus und Endkunden sowieso weitgehend vom Tisch. Und für die Margen bedeutet das zumindest eine zusätzliche Handelsstufe. Die Fahrzeughersteller sind hier in zwei verschiedenen Stadien aktiv. Manche betreiben das Geschäft der Eigenmarken sehr intensiv mit dem Ziel Margenköpfe und Potenziale für ihr Händlernetzwerk zu generieren und zu erhalten. Daneben gibt es Hersteller, die die Kosten für den Autofahrer niedrig halten wollen, um einen preiswerten Ölservice anbieten zu können. Beiden Strategien nehmen zu.Fischer: "Wir bei Shell verstehen uns als Partner des Handels und wollen langfristig die Marge des Handels sichern. Meine Botschaft für den Handel ist, sich klar zu überlegen, mit wem man das Geschäft betreibt. Ich kenne kein Beispiel, wo ein Herstellerschmierstoff im deutschen Markt bewiesen hat, dass er langfristig sehr gute Margen für seine Partner realisieren kann. Ich behaupte: Wir sind die Profis und können am besten dem Autohaus und der Werkstatt die richtigen Instrumente zur Vermarktung liefern." Vielleicht bleibt den Betrieben aber gar kein Entscheidungsspielraum. Prost: "Ich denke, dem Automobilhandel ist die Spanne für den Schmierstoff und die Bedeutung für die Existenzsicherung schlichtweg egal. Hier gäbe es andere Möglichkeiten der Unterstützung – zum Beispiel über das Neuwagengeschäft. Wenn der Autohersteller nach dem Ersatzteilgeschäft das Schmierstoffgeschäft quasi als flüssiges Originalteil entdeckt, werden wir alle große Probleme bekommen, in den traditionellen Absatzkanal Autohaus unsere eigenen Konzepte und unsere Marken einzubringen. Vor allem hat der Autohausbetreiber kaum noch Möglichkeiten, sich für uns zu entscheiden, wenn er über Verträge oder Öl-Bonizahlungen mit seinem Hersteller verbunden ist." Seitens Castrol betrachtet man das nicht ganz so pessimistisch. Müller: "Ich sehe das herstellereigene Öl nur dann als Gefahr,wenn es das strategische Ziel gibt die Preise für den Ölservice zu senken und damit dem Autohaus ein Stück Marge zu kürzen. Große Premiumhersteller in Deutschland haben aber erkannt, dass dies nicht der richtige Weg ist."Wachstum beim NachfüllenIst der Gewinn in Gefahr, kann eine Umsatzsteigerung helfen. Ein möglicher Ausweg? Heinicke: "Seit 20 Jahren bieten wir dem Handel ausgereifte Marketingkonzepte, doch nur wenige praktizieren diese. Anders lässt sich nicht erklären, dass nur 10 bis 15 Prozent der Autofahrer ihren Nachfüllbedarf für Motoröl im Autohaus decken, nur fünf Prozent der Betriebe das Mitnahmegeschäft aktiv betreiben und der Synthetiköl-Anteil je nach Fahrzeugalter stets nur um 50 Prozent pendelt. Da muss man sich fragen: Machen wir etwas falsch? Funktionieren die Konzepte nicht oder haben die Betriebe die Notwendigkeit noch nicht erkannt? Müller: "Aus meiner Sicht kann man den Anteil der Synthetiköl-Verkäufe noch steigern, aber die Quoten sind geringer. In zunehmendem Maß bestimmen die Fahrzeughersteller die Ölqualität und das führt zu einem Automatismus. Potenzial dagegen bieten noch die Segmente 2 und 3. Hier liegt es am Serviceberater und seiner Fähigkeit zum Upgrading." Darüber hinaus hält das Nachfüllgeschäft das größte Potenzial für Wachstum bereit. Ob Vmax-Konzept, goldener Peilstab, Ölwette etc. – jede Marke hat für den zusätzlichen Liter Ölverkauf eine eigene Idee gestrickt. Vandelaar: "Wer den Verkauf im Service vernachlässigt, verzichtet auf Marge. Doch nur wer den Mitarbeiter an der Front am Umsatz beteiligt, kann ihn zum Verkauf motivieren. Bei allem, was ein Serviceberater heute zu erledigen hat, müssen wir uns immer wieder bemühen das Thema wach zu halten. Das bedeutet einen großen Aufwand."

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