Überblick: Prüfdienste im Wandel

KURZFASSUNG: Nicht nur in der Automobilindustrie und dem Handel weht der Wind des Wandels. Auch die Prüfdienste müssen sich den sich ändernden Gegebenheiten anpassen. Das Gros der Prüfdienste bietet daher mittlerweile Batterie-Schnelltester an und fordert, dass eine Prüfung der Fahrzeugbatterie im Rahmen der Hauptuntersuchung erfolgt. Auch bei den zunehmend verbauten Assistenzsystemen will man die derzeit geltenden Prüfstandards erhöhen. Wie das ganz konkret gehen kann, weiß man allerdings noch nicht. Die zunehmende Elektrifizierung des Straßenverkehrs und die konstante Zunahme von Assistenzsystemen machen auch auf Seiten der Prüfdienste einen gewissen Anpassungsprozess nötig. So spielte beispielsweise das Thema Batteriegesundheit vor wenigen Jahren noch kaum eine Rolle - mittlerweile ist klar: Bei den Elektro-Gebrauchtwagen wird kein Weg an einem Batteriezertifikat vorbeigehen. Auch im Rahmen der Hauptuntersuchung könnte eine solche Zertifizierung der Traktionsbatterie obligatorisch werden. AUTOHAUS hat sich bei den Prüfdiensten umgehört, welche Änderungen mit dem Wandel im Motorraum auf diese zukommen. Dabei sind es vor allem zwei Dinge, die eine Reaktion des Gesetzgebers und damit auch der Prüfdienste nötig machen: der anhaltende Trend zum Elektroauto sowie die stete Zunahme von im Fahrzeug verbauten Fahrassistenzsystemen. Assistenzsysteme-HU? Moderne Autos sind mit einem Füllhorn von Assistenzsystemen ausgestattet, die dem Fahrer Arbeit abnehmen und zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr beitragen sollen. Einige, wie beispielsweise der Notfall- oder der Spurhalteassistent, müssen laut EU-Verordnung seit dem 6. Juli 2022 sogar serienmäßig in Neufahrzeugen verbaut sein. Der sichere Betrieb dieser Assistenzsysteme wird zwar zunächst im Rahmen einer Typzulassung genauestens kontrolliert, erklärt Dekra-Pressesprecher Wolfgang Sigloch, eine nachträgliche Prüfung nach einigen Jahren Gebrauch fällt derzeit allerdings recht rudimentär aus. Lediglich eine Sichtprüfung sowie ein Auslesen der Daten via Dongle werden derzeit zur Prüfung herangezogen. Kleine Parkrempler, die den Sensor kaum merklich verschieben, fallen bei dieser Prüfung jedoch nicht auf - können beim sicheren Betrieb der Assistenzsysteme jedoch einen enormen Unterschied machen. "Um eine verlässliche Aussage zur Verkehrssicherheit und Vorschriftsmäßigkeit eines Kfz im Zuge der HU machen zu können, müssen wir auch die Assistenzsysteme in die Prüfumfänge der HU integrieren", heißt es daher nicht nur auf Seiten des TÜV Süd. Geeignete Prüfmethoden fehlen Damit diese Systeme zukünftig im Rahmen der periodischen Fahrzeugüberwachung sinnvoll überprüft werden können, erklärt Wolfgang Sigloch (Dekra), werde derzeit intensiv daran gearbeitet, geeignete Prüfmethoden dafür zu entwickeln. Für eine solche Prüfung der Assistenzsysteme gilt: Sie muss sich montagefrei und schnell durchführen lassen. "Aktuell befinden sich die Prüforganisationen gemeinsam mit der FSD-Zentrale Stelle im Austausch mit dem Verordnungsgeber. Ziel ist es, gemeinsam geeignete Prüfroutinen zur ganzheitlichen Prüfung der Fahrerassistenzsysteme zu entwickeln", erklärt Frank Reichert von der GTÜ. Die komplexen Tests aus der Typprüfung zu wiederholen ist keine Lösung. Vielmehr gilt es, mit angemessenen und entsprechend schlanken Prüfmethoden die Vorschriftsmäßigkeit und damit die Wirksamkeit der Systeme zu überprüfen. Verbesserungspotenzial zur Prüfung der Funktionsfähigkeit der gesamtheitlichen Wirkungskette sieht man bei TÜV Süd "vor allem in der Überprüfung der Umfeldsensoren, die derzeit nur im Umfang einer Sichtprüfung geprüft werden", erklärt Vincenzo Lucà von TÜV Süd. Wie eine solche Prüfung aussehen könnte, darüber ist man sich allerdings noch uneins. Bei TÜV Rheinland könne man sich durchaus vorstellen, die Funktionsfähigkeit, beispielsweise des Notbremsassistenten, "nicht nur mittels Auslesen über ein Steuergerät, sondern auch mittels eines Realtests, z. B. im Fahrversuch oder auf einem Prüfstand" zu prüfen, erklärt Communications Manager Fabian Dahlem. Fahrversuche, so die Ansicht des TÜV Nord, können hierfür nicht zum Einsatz kommen, "da dies zu zeitaufwändig und, im Fall des Systemversagens, auch zu risikoreich wäre", erklärt hingegen Claas Alexander Stroh von TÜV Nord. Vor diesem Hintergrund gehen viele Prüfinstitute davon aus, dass letztlich nur der Zugang über die Steuerboxen bleibt, um die Funktion der Sensorik prüfen zu können. Folglich geht es auch hier einmal mehr um den Zugang zu den Fahrzeugdaten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist dies allerdings nur eingeschränkt möglich, das Auslesen der Fahrzeugdaten ist für die Prüfinstitute zum Teil gar nicht möglich. Wie eine solche Prüfung aussehen könnte, darüber ist man sich allerdings noch uneins. Fahrversuche, so die Ansicht des TÜV Nord, können hierfür allerdings nicht zum Einsatz kommen, "da dies zu zeitaufwändig und, im Fall des Systemversagens, auch zu risikoreich wäre", erklärt Claas Alexander Stroh von TÜV Nord. Vor diesem Hintergrund gehen viele Prüfinstitute davon aus, dass letztlich nur der Zugang über die Steuerboxen bleibt, um die Funktion der Sensorik prüfen zu können. Folglich geht es auch hier einmal mehr um den Zugang zu den Fahrzeugdaten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das daher nur eingeschränkt möglich, das Auslesen der Fahrzeugdaten ist für die Prüfinstitute zum Teil gar nicht möglich. Sonderweg "KÜS Drive" Einen anderen Weg geht man bei der KÜS. Seit einigen Jahren schon wird mit dem Projekt "KÜS Drive" der Frage nach der Überprüfbarkeit von Assistenzsystemen nachgegangen. "Um flexibel anpassbare, aber dennoch reproduzierbare Prüfabläufe sicherstellen zu können, versetzen wir das zu prüfende Fahrzeug in eine virtuelle Realität", erklärt Peter Kerkrath, Fachbereichsleiter Presse & PR, Leiter Presse & PR/Pressesprecher der KÜS. Dies gelingt, indem von außen dynamisch auf das Fahrzeug eingewirkt wird und so dessen Reaktionen untersucht werden. Dabei lenkt der Prüfingenieur das eigenständig angetriebene Fahrzeug durch die simulierte Umgebung, während die Sensoren des Fahrzeugs mit den zur Simulation passenden Signalen beaufschlagt werden. "Die bei dieser Prüfungsfahrt provozierten Reaktionen des Fahrzeugs werden im Anschluss durch den Prüfingenieur beurteilt und gegebenenfalls bemängelt", so Kerkrath weiter. Derzeit ist das System noch in der Erprobungsphase. Ziel ist es, eine Wirkungsprüfung der Fahrfunktionen herstellerunabhängig möglich machen zu können, indem Prüfroutinen zur ganzheitlichen Prüfung der Fahrerassistenzsysteme entwickelt werden. "Damit verbunden ist auch der Entwicklungsanspruch, die neuen ergänzenden Prüfumfänge praxistauglich in die klassische Hauptuntersuchung integrieren zu können. Hierzu gehört nicht zuletzt natürlich auch, dass die Überwachungsorganisationen einen diskriminierungsfreien Zugang zu sicherheitsrelevanten Daten erhalten", so Kerkrath. SoH-Messung der Traktionsbatterie bei jeder HU? Weitestgehend einig ist man sich auch bei einem Thema, das derzeit lediglich im Gebrauchtwagenmarkt eine Rolle spielt, mittelfristig aber in Form der gerade diskutierten Euro-7-Norm auf die Prüfdienste zurollt: die SoH-Messung (SoH = State of Health) der Traktionsbatterie eines Elektroautos. "Ein plötzlicher Kapazitätsabfall der Traktionsbatterie hätte im schlimmsten Fall zur Folge, dass das Fahrzeug in einer kritischen Verkehrssituation plötzlich liegenbleibt", erklärt Dekra-Pressesprecher Wolfang Sigloch. Ein weiteres Argument, das für die Messung der Batteriegesundheit spricht, nennt Fabian Dahlem (TÜV Rheinland): "Antriebsbatterien, welche in ihrer Kapazität nachlassen, bedingen häufigere Ladungsvorgänge. Allein die dabei auftretenden Ladeverluste verschlechtern die Umweltbilanz der Fahrzeuge und reduzieren die Nachhaltigkeit." Insbesondere durch falsches Laden oder Materialfehler können hier Risiken entstehen. Beim Elektrofahrzeug ist die Traktionsbatterie daher wesentlicher Bestandteil sicherer Mobilität. Wenig überraschend sprechen sich die Prüfdienste daher dafür aus, eine solche Prüfung künftig im Rahmen der HU durchführen zu wollen. "Die SoH-Messung der Traktionsbatterie sollte ein Pflichtprüfpunkt bei der HU der Elektrofahrzeuge werden", meint auch Vincenzo Lucà von TÜV Süd, um die sich verändernden Gefährdungspotenziale in der HU der Zukunft abbilden und adressieren zu können. Zahlreiche Prüfdienste bringen sich derzeit daher in den entsprechenden Gremien mit ihrem Know-how ein. Im Entwurf der neuen Euro-7-Norm ist eine solch regelmäßige Prüfung der Traktionsbatterie bereits vorgesehen. "Die Entscheidung über die konkrete Ausgestaltung trifft am Ende der Verordnungsgeber, und das zunehmend auf internationaler Ebene", erklärt Wolfgang Sigloch (Dekra). Gesetzentwurf in Arbeit Abgesehen von einem ersten Entwurf ist beim Thema SoH-Messung der Traktionsbatterie also derzeit noch nichts in trockenen Tüchern. Den Gesundheitszustand der Elektroauto-Batterie zu kennen, ist jedoch nicht nur beim sicheren Bewegen des Elektro-Fahrzeugs im Straßenverkehr wichtig, sondern spielt insbesondere beim Gebrauchtwagenmarkt eine wichtige Rolle: Die Elektroauto-Batterie ist das teuerste Bauteil eines Elektroautos - ihr Zustand ist daher auch für die Ermittlung des Restwerts eines Gebrauchtwagens nicht zu unterschätzen. Die meisten Prüfinstitute haben im vergangenen Jahr daher bereits die dafür nötige Hardware in Form von ausgefeilten Analysetools geschaffen, die in der Lage sind, ein Batteriezertifikat zu erstellen. Dieses Batteriezertifikat gibt Auskunft über den tatsächlichen Zustand der Traktionsbatterie. TÜV Süd bedient mit einer Kooperation mit Aviloo derzeit sowohl den Privatkundenmarkt als auch den Gewerbekundenmarkt. TÜV Nord hat mit volytica diagnostics, einem Dresdner Batteriediagnose-Unternehmen, und dem Automobilzulieferer Mahle ebenfalls ein Verfahren zur Batterieschnelldiagnose entwickelt, welches bei der Ermittlung des SoH einen zweistufigen Ansatz verfolgt, der sowohl schnelle Qualitätsaussagen als auch eine nachgelagerte Detailuntersuchung ermöglicht. Bei Dekra hat man einen solchen Test in Eigenregie entwickelt. Die Technik dafür ist also vorhanden. Neben der Prüfung der Fahrzeugbatterie, die derzeit im Rahmen der Hauptuntersuchung noch Zukunftsmusik ist, müssen Elektroautos dieselbe Hauptuntersuchung wie klassische Verbrenner absolvieren. Dabei zeigte sich: Viele Prüfinstitute sind der Ansicht, dass es klassische E-Auto-Mängelbilder gibt. Klassische E-Auto-Mängelbilder In Summe handelte es sich hier um über 60.000 Fahrzeuge, die 2019 zugelassen und im vergangenen Jahr folglich erstmalig zur Hauptuntersuchung mussten. Während man auf Seiten von Dekra "keine statistisch signifikanten besonderen Auffälligkeiten" feststellen konnte, ist man bei TÜV Süd anderer Meinung - und hat vielfältige Mängelbilder bemerkt. So habe man festgestellt, erklärt Vincenzo Lucà, dass es zu deutlich mehr Korrosion an den Bremsscheiben gekommen sei, was wiederum die Bremswirkung negativ beeinflusst. Ganz ähnliche Feststellungen haben KÜS, GTÜ und TÜV Nord gemacht. Den Grund für die hohe Korrosionsanfälligkeit der E-Auto-Bremsen sehen die Prüfinstitute darin, dass im Alltag mit einem Elektroauto kaum mehr gebremst, sondern gerne auf die Möglichkeit der Energierückgewinnung durch Rekuperation zurückgegriffen werde. Der weitestgehende Verzicht auf die mechanische Bremswirkung führt auf der anderen Seite zu Korrosion derselben. Ebenfalls gehäuft traten Mängel an Achsen und Achsaufhängung auf, die sich, laut GTÜ Sprecher Frank Reichert, auf das hohe Gewicht und den dynamischen Antritt der Stromer zurückführen lassen.

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