Ausgabe 20/2011: Hochspannung bedienen

Hochspannung bedienenE-Werkstattschulung E Hochvoltanlagen in Hybrid- und Elektroautos müssen vor Reparaturbeginn spannungsfrei geschaltet werden. Von Daniela KohnenHände weg von Orange“, lautet ein einprägsamer und wichtiger Satz in der Hochvolttechnik. Denn alles, was in Orange verkleidet ist, steht unter Hochspannung. Wenn Hybridautos zur Inspektion oder Reparatur in die Werkstatt rollen, können sie nicht wie normale Pkw behandelt werden. Das Gleiche gilt für Elektrofahrzeuge. Beide müssen von Mechatronikern mit Vorsicht behandelt werden. „Werkstattmitarbeiter müssen in der Hochvolttechnik geschult worden sein, bevor sie ein solches Auto reparieren dürfen“, erläutert Tilo Scholz, Produktmanager E-Mobilität beim Tüv Süd. „Das wissen längst nicht alle, ist aber enorm wichtig für die eigene Sicherheit und die der Kollegen.“ Vorreiter Spree Automobile Bei Spree Automobile in Berlin hat man sich bereits im Herbst 2009 mit dem Thema Hochvolttechnik auseinandergesetzt, um an den regelmäßig in der Werkstatt stehenden Hybridfahrzeugen wie einem Toyota Prius oder Auris Hybrid arbeiten zu können. „Zusammen mit einem Kollegen habe ich einen zweitägigen Lehrgang zur ‚Elektrofachkraft für Hochvoltsysteme‘ von Toyota Deutschland in Köln besucht“, sagt Nico Nauenburg, Werkstattmeister von Spree-Automobile in Berlin. „Der Kurs umfasste eine theoretische Grundlageneinführung, einen praktischen Teil direkt am unter Hochspannung stehenden Hybridfahrzeug und eine abschließende Prüfung, bei der 80 Prozent des Fragenkatalogs richtig beantwortet werden mussten. Vor Kursbeginn mussten zuvor noch in einem theoretischen Teil Fragen im Internet beantwortet werden.“Seit letztem Jahr gibt es zudem die Richtlinie BGI 8686 zur Qualifizierung für Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvolt-systemen (http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/i-8686.pdf) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), die für Servicewerkstätte, Zulieferer und Hersteller genau regelt, worin ihre Mitarbeiter geschult werden müssen. Danach braucht eine Werkstatt ein bis zwei geschulte Mechatroniker, die die Autos spannungsfrei schalten, gegen Wiedereinschaltung sichern und nach der Reparatur wieder unter Hochspannung setzen können. Diese dürfen als fachverantwortliche Leiter nach Herstellung der Spannungsfreiheit Kollegen unterweisen und unter Aufsicht am Fahrzeug arbeiten lassen. Blick in die WerkstattZur Ausrüstung gehören ein isolierter Voltmeter, ein Helm mit Visier, isolierte Schutzhandschuhe und eine Bodenschutzmatte, um den Fußboden zu isolieren. Die Schutzhandschuhe isolieren bis 10.000 Volt und müssen getragen werden, um keinen Schlag zu bekommen. Denn das kann passieren, wenn der Sicherheitsstromstecker zur Freischaltung mit bloßer Hand herausgezogen wird und gleichzeitig ein Abreißfunke entsteht. „Gerade der praktische Teil der Schulung ist für die Teilnehmer wichtig. Sie bekommen ein Gefühl dafür, wie schwierig es ist, mit den groben Handschuhen an der feinen Konstruktion zu arbeiten“, erklärt Scholz. Nach der vorgeschriebenen Wartezeit zum Abbau der Spannung wird das System gegen eine unbeabsichtigte Wiedereinschaltung gesichert und die Spannungsfreiheit mit einem bis 700 Volt messbaren Multimeter überprüft. „Einen Unterschied zwischen Hybrid- und Elektroauto bei der Vorgehensweise gibt es nicht, bei beiden Systemen liegt die Spannung über 60 Volt“, erläutert Scholz. Danach können die eigentlichen Reparaturarbeiten vorgenommen werden. Nauenburg: „Direkt an der Batterie dürfen wir nichts machen, die darf nur ein- oder ausgebaut werden.“ Wichtig ist laut Scholz auch das Wissen um die Gefahrenquelle und Verhaltensregeln bei einem Unfall: „Auf Gleichstrom reagiert der Körper anders als auf Wechselstrom, bei dem man nach einem Stromschlag sofort umfällt.“ Bei einem Kontakt mit Gleichstrom können die Nieren geschädigt werden. Das merkt man oft nicht und fällt laut Scholz vielleicht erst nach 24 Stunden um, wenn sich im Körper Zellgifte gebildet haben. „Die Leute müssen sofort zum Betriebsarzt gehen oder den Unfall im Rote Kreuz Buch eintragen lassen“, so Scholz. Extra Versicherungsschutz nötigNeben dem Wissen, wie man ein Fahrzeug spannungsfrei schaltet, ist der Versicherungsschutz ein wichtiges Thema. „Am Fahrzeug herrschen 380 Volt Bordspannung. Wenn bei der Arbeit etwas passiert, ist ein Mechatroniker ohne absolvierte Schulung nicht über die Berufsgenossenschaft versichert“, erklärt Scholz eindringlich. Die Versicherung gilt ohne nachweisbaren Lehrgang nur bis 60 Volt, danach darf nicht mehr am Wagen gearbeitet werden. Einzige Ausnahme ist der Nachweis einer Elektrikerausbildung oder -schulung. „Die meisten wissen noch gar nicht, dass man seine Mitarbeiter schulen lassen muss. Das muss in die Köpfe der Menschen. Auch die Haftpflichtversicherung des Unternehmens muss auf die Arbeiten an Hochvoltanlagen abgestimmt sein.“Nauenburgs Fazit: „Der Lehrgang hat auf jeden Fall sensibilisiert. Nun wissen wir, wie wir mit der Hochspannung am Fahrzeug umgehen müssen, damit sie für einen selbst und die Kollegen in der Werkstatt keine Gefahr darstellt und keiner einen Stromschlag kriegt.“ Auch Scholz weiß aus eigener Erfahrung: „Man ist einfach ruhiger bei der Arbeit.“ zLesen Sie hier...... warum eine Werkstattschulung zur Kfz-Hochvolttechnik wichtig ist und was man dabei lernt.Schulungsinhalte Hochvoltz Elektrotechnische Grundkenntnisse/Hochvoltkonzeptz Aufbau/Funktion/Wirkungsweise von Hochvoltfahrzeugenz Spannungsfreiheit herstellen/sicherstellen/beendenz Umgang mit Messgerätenz Verhaltensregeln/Schutzmaßnahmenz Beurteilung Gefahrenquellenz Verhaltensregeln bei Unfallz Unterweisung Kollegenz Gesetzliche Vorschriftenz Praktische ÜbungenSchulungsangebote Zu den beliebtesten Kfz-Hochvolt-Kursen des Tüv Süd unter www.tuev-sued.de/akademie gehören der zum eigenverantwortlichen Arbeiten berechtigende zweitägige Kurs „Elektrofachkraft für Hochvoltsysteme“ (rund 560 Euro) und die eintägige Kurzeinweisung in die Elektrotechnik (360 Euro). Der Tageskurs ist für alle notwendig, die unter Aufsicht als unterwiesene Person am Fahrzeug arbeiten und zum Beispiel Öl- und Reifenwechsel sowie Karosseriearbeiten vornehmen wollen. Neben dem Tüv Süd, Tüv Rheinland und manchen Herstellern bieten die Kfz-Innungen und die Akademie Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (TAK) unter www.tak.de/seminare Schulungen an.

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