Teile & Zubehör: Die hohe Schule der Teiledispo

Woher resultieren diese hohen Anteile an Überbeständen in den Teilelägern der Autohäuser? Um eines gleich vorwegzunehmen: Ein Warenhandelslager ohne einen einzigen nicht gängigen Artikel gibt es nicht! Der Gemüsebauer reduziert zum Ende des Wochenmarktes sein Gemüse im Preis, damit möglichst alles noch verkauft wird, die Boutique reduziert die Saisonware zum Ende der Saison um viele Prozente, denn im Sommer verkauft keine Boutique Wintermode! Trotz alledem werden Waren übrig bleiben. Es wird immer wieder vorkommen, dass der Bedarf nicht ganz richtig eingeschätzt worden ist. Wer im Teilelager eines Autohauses weiß schon, welcher Kunde morgen am Tresen steht und welchen Bedarf er hat? Insofern hat die Teiledispo auch immer etwas mit der Glaskugel einer Hellseherin zu tun. Ziel muss es aber sein, den Anteil an nicht gängigen Teilen so gering wie möglich zu halten. Und das ist jeden Tag harte Arbeit und eine große Herausforderung. Warum ist dieses oder jenes Ersatzteil unverkäuflich? Aus unzähligen Bestandsanalysen wissen wir, dass der Anteil an nicht gängigen Teilen am Gesamtbestand im Durchschnitt 50 bis 60 Prozent entspricht. Und genau da liegt das Übel. Kennen Sie die Ursachen? Warum bleiben Ersatzteile unverkäuflich liegen? Die Ursachen sind vielfältig und bedürfen der genauen Analyse. Zunächst teilen wir die Betrachtung in zwei Teile: Ist es ein lagerndes Teil, das keine Abnehmer mehr findet, oder wurde das Ersatzteil bestellt, weil nicht lagernd? Im ersten Fall ist als Erstes die Teiledispo zu überprüfen, in erster Linie die Dispositionsparameter. Ist die Reichweite zu groß? Ist der Mindestverbrauch zu gering? Extrem ungenau wird die Disposition des Teilenachschubs, wenn Lageristen im Jahr 2015 mit Klemmbrett und Kugelschreiber durchs Lager gehen und leere Fächer notieren ... Auch das beobachten wir aktuell nach wie vor. In vielen Fällen ist jedoch nicht nur eine ungenaue Bevorratung schuld an zu hohen und obsoleten Beständen, sondern der Umgang mit Bestellungen von nicht lagernden Teilen! Der Kunde hat ein Teil bestellt und nicht abgeholt, ein Mitarbeiter hat das falsche Teil bestellt, der Kunde will vom Kauf zurücktreten, der Serviceberater hat keinen Termin mit Kunden vereinbart, das Teil wurde bestellt und geliefert, ist aber nicht für den Fehler verantwortlich usw. usw. Hilfreich ist eine detaillierte Analyse der unverkäuflichen Teilebestände, um die Maßnahmen zur Reduzierung der Überbestände zielorientiert auszuwählen. Was können Sie tun? Was eine Bestandsbereinigung bringen kann, zeigt nachfolgendes Beispiel: In unserem Muster-Autohaus Emsig waren am Analysetag 5.214 Teile bevorratet, die einen Inventurwert von 127.504 Euro repräsentierten. Die Umschlagshäufigkeit lag bei 3,48. Der optimale Bestand wurde mit 1.717 Positionen (Bestandsbreite) ermittelt, die optimale Bestandstiefe für A-Teile mit 60 Tagen, für B- und C-Teile mit 30 Tagen. Das entspricht einer Umschlagshäufigkeit von 7,2! Weitere Reduzierungen der Bestandstiefe ließen die Umschlagshäufigkeit auf über 8 steigen. Dies war allerdings nur möglich, weil sich alle Mitarbeiter im Aftersales-Bereich bemühten, Falschbestellungen tunlichst zu vermeiden. Ferner ließ die hohe Lieferfrequenz seitens des liefernden Vertragspartners und deren Nutzung durch das Autohaus eine deutliche Reduzierung der Bestandstiefe zu. Qualifizieren Sie Ihre Mitarbeiter im Teiledienst! Die im Teilelager handelnden Mitarbeiter verfügen häufig nicht über die Kenntnisse, die sie eigentlich für ein erfolgreiches Wirtschaften benötigen. Dies hat die Ursache darin, dass T&Z Mitarbeiter oft ehemalige Mechaniker sind. Sie sind aufgrund ihrer Ausbildung zwar schnell in der Lage, den Teilebedarf im Katalog zu ermitteln. Allerdings fehlen ihnen grundsätzliche kaufmännische und logistische Kenntnisse, der Umgang mit modernen Dispositionssystemen und Detailkenntnisse über das DMS. Im Sinne des gebundenen Kapitals können wir daher nur dringend an die Geschäftsleitungen appellieren, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Teiledienst zu befähigen, mit dem Warenbestand verantwortungsvoll und gewinnbringend umgehen zu können! Vernetzen Sie die Bereiche Service-Annahme, Werkstatt und Teiledienst Jeder Hersteller/Importeur hat einen Serviceprozess definiert, der zu bestimmten Zeiten bestimmte Tätigkeiten aller beteiligten Mitarbeiter vorsieht. Wie viele Schritte dieser Prozess auch immer beinhaltet - in aller Regel sind diese Prozesse intelligent definiert und sorgen dafür, dass zu jedem Prozessschritt die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen. Wir beobachten immer wieder, dass einzelne Störungen im Serviceprozess dazu führen, dass die handelnden Personen in alte "Ackerfurchen" zurückfallen - ohne, dass über den eigenen Tellerrand (Fachbereich) hinaus geschaut wird. Fest steht aber auch: Wenn die Serviceassistentin mit ihrem Kunden telefonisch beispielsweise einen Servicetermin vereinbart, diese Informationen dann sogleich an den zuständigen Serviceberater und gleichzeitig an den Teile & Zubehör-Bereich weiterleitet, haben die Fachbereiche viel mehr Zeit und Möglichkeiten, sich intelligent auf den Kundenbesuch vorzubereiten. Vernetzen Sie also alle Fachbereiche im Aftersales technisch wie menschlich! Miteinander reden kann Berge versetzen. Nutzen Sie die Potenziale, die Systeme bzw. das DMS der Hersteller bieten Betrachten wir einmal den Prozess von der Ermittlung des Teilebedarfs bis zur Lieferung des Ersatzteils an die Hebebühne des Mechanikers: Zählen Sie bitte einmal jede Situation, in der der T&Z-Verkäufer aktuell eine Teilenummer manuell in eine Tastatur eingibt oder manuell auf einem Zettel notiert ... Die meisten Systeme können heute miteinander vollständig vernetzt werden, was manuelle Eingaben in eine Tastatur (und damit menschliche Fehlerquellen!) weitgehend überflüssig macht. Jeder T&Z-Verkäufer weiß, wie schnell bei einer manuellen Eingabe einer Teilenummer in ein System Zahlendreher auftreten. Ärgerlich wird es, wenn daraus eine falsche Bestellung resultiert und die falsch bestellten Teile "auf Lager" gehen müssen. Diese Teile werden nie wieder benötigt! Wenn Sie sich der Herausforderung der obsoleten Teile stellen wollen, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als jedes obsolete Ersatzteil einzeln anzuschauen und zu entscheiden, was Sie damit tun wollen: - "Wir behalten es erst mal, es könnte ja noch ein Kunde kommen, der es braucht." - "Weg damit - der erste Verlust ist der geringste." - "Versuchen wir doch mal, ob es sich über eine b2b Teilebörse vertreiben lässt." Auch hier mag Ihnen wieder eine Erfahrung aus der Praxis helfen: Wenn Sie heute ein Teil verschrotten, wird eine Woche später ein Kunde danach fragen. Wenn Sie heute dieses Teil nicht verschrotten, werden Sie es noch in 10 Jahren im Lager liegen haben. To do: - Reduzieren Sie sukzessive Ihren Bestand auf genau die Teile, die den von Ihnen festgelegten Mindestumsatz generieren. - Bilden Sie Monat für Monat innerhalb eines Geschäftsjahres Rückstellungen für Wertberichtigungen / Verschrottungen (ca. 0,5 % vom T&Z-Jahresbezug). - Führen Sie jährlich physische Verschrottungen durch, um obsolete Teile zu verschrotten und Raum für Neuteile zu schaffen. - Ermitteln Sie die Raumkosten je Quadratmeter Lagerfläche im Teilelager und entscheiden Sie selbst, welche Teile diesem Kriterium standhalten. Beachten Sie aber bitte auch: Eine zu hohe Umschlagshäufigkeit (>10) erhöht Ihre Beschaffungskosten und senkt den Servicegrad gegenüber Ihren Kunden erheblich! Kundenunzufriedenheit und teure Expresskosten sind die Folge. Serie Teile & Zubehör Sind Ihre Bestände im Teilelager zu hoch? Sind Ihre obsoleten Teilebestände zu hoch? Ist Ihre Umschlagshäufigkeit < 4? Wenn Sie eine dieser Frage mit Ja beantworten müssen, dann sollten Sie sie lesen, unsereSerie "Teile & Zubehör Warenbestände richtig managen!"Teil 1: Optimieren Sie Ihr Teilelager für höhere Erträge (AH 19/2015) Teil 2: Wie Sie obsolete Warenbestände abbauen und zukünftig vermeidenTeil 3: Führen Sie die Inventur ordnungsgemäß durch und vermeiden Sie BestandsdifferenzenTeil 4: Bewerten Sie Ihre Warenbestände korrekt Christian Vilmar ist seit 27 Jahren im Autohaus Business tätig, 10 Jahre davon in einer der damals größten Autohausgruppen, in der er zuletzt für 38 Standorte das Teilegeschäft verantwortete. Seit Ende der 90er Jahre ist er als Berater, Trainer und als Coach aktiv und heute Geschäftsführer der TGM automotive group (www.tgm.de). Christian Vilmar hat zahlreiche Bestandsanalysen in Autohäusern durchgeführt und kennt dieses Problemfeld deshalb aus dem Effeff.

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