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EU-Kommissarin: "An die Menschen hinter der Unfallstatistik denken"

22.11.2021 04:55 Uhr | Lesezeit: 7 min
EU-Kommissarin: "An die Menschen hinter der Unfallstatistik denken"
Online-Präsentation des Verkehrssicherheitsreports 2021 (v.l.): Jann Fehlauer, Geschäftsführer der Dekra Automobil GmbH, Moderatorin Katrina Sichel und Oliver Deiters, Head of Global External Affairs and Public Policy, Dekra e.V.
© Foto: DEKRA

Bei der Vorstellung des Dekra-Verkehrssicherheitsreports 2021 in Brüssel ging es erwartungsgemäß nochmals um das diesjährige Leitmotto "Mobilität im Alter". EU-Kommissarin Adina Valean wies bei diesem Anlass darauf hin, dass der Schutz der Generation 65+ trotz aller Technologie-Fortschritte weiter eine Mammutaufgabe bleibe.

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Ältere Verkehrsteilnehmer sind in Sachen Verkehrssicherheit potenziell benachteiligt, so EU-Verkehrskommissarin Adina Valean. Bei der Online-Präsentation des Dekra-Verkehrssicherheitsreports 2021 "Mobilität im Alter" sagte die Kommissarin vergangene Woche in Brüssel: "Fortschritte bei Technologie und Gesetzgebung zielen darauf ab, Verkehrsteilnehmer abzusichern und Leben zu retten. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass ältere Menschen eher ältere Fahrzeuge fahren, die nicht mit den neuesten Systemen ausgestattet sind. Wenn ihre Fahrzeuge innovative Assistenzsysteme verbaut haben, fällt es manchen Fahrerinnen und Fahrern, gerade aus älteren Altersgruppen, schwerer, sie zu nutzen. Leider sind ältere Menschen auch bei getöteten ungeschützten Verkehrsteilnehmern überrepräsentiert." Jeder zweite bei Unfällen getötete Fußgänger oder Radfahrer in der EU ist 65 Jahre alt oder älter. Insgesamt entfallen mehr als ein Viertel aller Verkehrstoten auf diese Altersgruppe.

ADAS-Funktionen müssen dauerhaft sicher sein

Moderne Fahrerassistenzsysteme (ADAS – Advanced Driver Assistance Systems) haben das Potenzial, die Verkehrssicherheit insgesamt zu verbessern, insbesondere mit Blick auf ungeschützte Verkehrsteilnehmer, aber auch auf ältere Autofahrerinnen und Fahrer. Dekra-Vorstandschef Stefan Kölbl stimmt dem EU-Parlament in seiner Forderung zu, ADAS in die anstehende Weiterentwicklung der Gesetzgebung zur Fahrzeugüberwachung einzubeziehen. "Das Potenzial kann nur ausgeschöpft werden, wenn diese Systeme über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs verlässlich funktionieren. Das bedeutet, dass Fahrzeugüberwacher wie Dekra in der Lage sein müssen, die Systeme regelmäßig zu prüfen. Die Fahrzeugüberwachung der Zukunft braucht dafür die Methoden und den rechtlichen Rahmen."

Mortalitätsanstieg bei 65+

Der Dekra-Verkehrssicherheitsreport 2021 ist die 14. Ausgabe. Der Stellenwert von Verkehrssicherheitsarbeit für ältere Menschen wird deutlich, wenn man sie in der Unfallstatistik mit jüngeren Altersgruppen vergleicht. Während die Zahl der Verkehrstoten bei den 18- bis 64-Jährigen zwischen 2010 und 2018 zurückgegangen ist, zeigen die Daten der International Traffic Safety Data and Analysis Group (IRTAD) im selben Zeitraum bei der Zahl der Verkehrstoten über 65 Jahren einen Anstieg.

"Angesichts der mit zunehmendem Alter höheren Vulnerabilität, also dem im Vergleich zu jüngeren Menschen höheren Risiko, bei gleichen Unfallbelastungen schwerere oder tödliche Verletzungen zu erleiden, besteht die Gefahr, dass sich die Zahl der Unfallopfer im Straßenverkehr in der Altersgruppe 65+ weiter erhöht", so Jann Fehlauer, Geschäftsführer der Dekra Automobil GmbH.

Mobilitätserhalt contra Risiko

Eine Herausforderung besteht dabei darin, einen Zielkonflikt zu lösen: Einerseits soll die eigenständige Mobilität von Senioren als Art der sozialen Teilhabe bis ins hohe Alter erhalten bleiben. Andererseits soll das Risikopotenzial, das für sie besteht und das mitunter auch von ihnen ausgeht, minimiert werden.

Fokus auf "Faktor Mensch" als Sofortmaßnahme

Assistenzsysteme können altersbedingte Defizite bis zu einem gewissen Grad ausgleichen und dazu beitragen, dass ältere Fahrer etwa aufgrund von Fehlverhalten am Steuer seltener in Pkw-Unfälle verwickelt oder gar Hauptverursacher sind. Zu bedenken sei allerdings, dass eine hohe Marktdurchdringung von Fahrzeugen mit Assistenzsystemen viel Zeit erfordere. Ebenso nähmen infrastrukturelle Maßnahmen von der Planung bis zur Umsetzung häufig einen längeren Zeitraum in Anspruch.

Das bedeute allerdings nicht, dass das Verkehrssicherheitspotenzial von Technik und Infrastruktur geringgeschätzt werden soll. Kurzfristig empfiehlt der Dekra-Verkehrssicherheitsreport deshalb, den Fokus auf den "Faktor Mensch" zu legen.

Kommissarin würdigt Engagement

Der Report enthält reale Unfallbeispiele, die einige der Herausforderungen in Verbindung mit älteren Verkehrsteilnehmern illustrieren. "Von älteren Fahrern, die Schwierigkeiten beim Einparken haben, über langsames Fahren auf der Autobahn bis hin zum langsameren Überqueren eines Fußgängerüberwegs als es die Ampelphase erlaubt – die Beispiele bringen uns dazu, an die Menschen hinter der Unfallstatistik zu denken", sagte Kommissarin Valean.

Sie würdigte außerdem den Dekra-Report insgesamt: "Ihr Blick auf die Verkehrssicherheit älterer Menschen trägt wesentlich dazu bei, zu verstehen, womit Verkehrsteilnehmer jeden Tag zu kämpfen haben. Er ist außerdem ein Schub für die EU-Kommission, unser Verkehrssicherheitsprogramm weiter voranzutreiben, die Sicherheit an erste Stelle zu setzen und das Ziel der Vision Zero fest im Blick zu behalten." Der Dekra-Verkehrssicherheitsreport 2021 "Mobilität im Alter" steht online unter www.dekra-roadsafety.com zum Download zur Verfügung.

Dekra-Maßnahmen-Katalog

Der Stuttgarter Prüf- und Überwachungskonzern hat die aus seiner Sicht wichtigsten Optimierungsmaßnahmen für mehr Senioren-Verkehrssicherheit in einem 10-Punkte-Forderungskatalog zusammengestellt:

1. Ältere Menschen müssen für eine sichere Teilnahme am Verkehrsgeschehen intensiv in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit beziehungsweise Einschränkungen aufgeklärt werden.

2. Für Senioren über 75 Jahren sollten regelmäßige Rückmeldefahrten als wichtiger Beitrag zum Kompetenzerhalt verpflichtend sein.

3. Alle relevanten Akteure im Gesundheitssystem müssen dafür sensibilisiert und qualifiziert werden, ältere Menschen im Hinblick auf ihre Fahrsicherheit zu beraten.

4. Die Marktdurchdringung von Fahrerassistenzsystemen muss im Interesse der Sicherheit weiter verbessert werden.

5. Sicherheitsrelevante Funktionen im Fahrzeug sollten – unabhängig vom Fahrzeugmodell – für eine möglichst intuitive Bedienung weitgehend vereinheitlicht werden.

6. Zur Sicherung von Querungsstellen sind gerade auch für ältere Fußgänger je nach Örtlichkeit Lichtsignalanlagen, Fußgängerüberwege (Zebrastreifen), Mittelinseln oder vorgezogene Fahrbahnränder unverzichtbar.

7. Angesichts der immer häufigeren Nutzung von Fahrrädern und Pedelecs durch die Altersgruppe 65+ müssen der verkehrssichere Ausbau des Radwegenetzes und die Pflege der Radwege eine hohe Priorität genießen.

8. Vor dem Verkauf von Pedelecs sollte gerade auch bei älteren Menschen eine intensive Beratung erfolgen und die Möglichkeit bestehen, sich in Ruhe mit dem ungewohnten Fahrverhalten vertraut zu machen.

9. Um Falschfahrten auf Autobahnen möglichst zu verhindern, sind geeignete Maßnahmen erforderlich, die den Kraftfahrern helfen, sich (intuitiv) richtig und frühzeitig zu orientieren.

10. Speziell in ländlichen Regionen müssen Modelle entwickelt werden, die die Mobilität älterer Menschen erhalten, ohne auf das Fahren eines eigenen Pkw angewiesen zu sein. (wkp)

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