Neben dem Aufbau eines geeigneten Netzes an Partnerbetrieben ist dessen Erhalt und Pflege eine der wichtigsten Aufgaben für Kfz-Versicherungen im gesteuerten Unfallschadengeschäft. Immerhin stehen die K&L-Werkstätten – selbst wenn man von der aktuellen Energiesituation und dem Fachkräftemangel einmal absieht – vor einer ganzen Reihe technischer Herausforderungen: Die zukünftige Reparaturkomplexität macht eine Spezialisierung der Betriebe unabdingbar.
Doch nicht nur Modelle, die mit gängigen Multibrandtestern nicht mehr in der notwendigen Tiefe ausgelesen werden können, machen den Inhabern Sorgen: Elektrofahrzeuge benötigen neben Spezialwerkzeug auch geschultes Fachpersonal. Zudem stellt der Materialmix im Karosseriebau, wie Carbon und Alu, die Betriebe vor große Herausforderungen. Da verwundert es nicht, dass man sich in Coburg die Frage stellt, ob wirklich jeder Betrieb alles können muss, wie Thomas Geck, Leiter Schaden Prozessmanagement im AUTOHAUS-Wintergespräch verrät.
AH: Herr Geck, Sie haben unser Gespräch unter das Motto "wir modellieren das Werkstattnetz 2025 gestellt" – was verstehen Sie darunter im Detail?
T. Geck: Nehmen wir das Beispiel oberflächlicher Karosserieschaden an einem Elektrofahrzeug. Jeder unserer ca. 1.600 Partnerbetriebe ist so geschult, dass er die notwendigen Schritte – Auto spannungsfrei schalten, fachgerecht instand setzen, Bordspannung wieder herstellen – ohne Gefahr für Leib und Leben ausführen kann.
Was wirklich ins Geld geht, ist das Know-how in die Tiefe, wenn es um Strukturschäden oder in Mitleidenschaft gezogene Batterien geht. Es wäre unwirtschaftlich für Betriebe, die Werkstattausstattung und das Spezialwissen für Batteriereparaturen vorzuhalten, wenn wir nicht für entsprechende Auslastung sorgen können.
Stattdessen schwebt uns ein skillbezogenes Modell vor, zusätzlich zu den ohnehin notwendigen Standards – also Meisterbetrieb, Kompetenz in Außenhautreparatur, Nachweis für Hochvolt-Schulung, elektronische Kommunikation mit uns etc.
Alle Infos früh im Prozess
AH: Wie würde dieses in der Praxis aussehen?
T. Geck: Entscheidend wird künftig sein, alle notwendigen Infos zu einem Unfall möglichst früh im Schadenprozess zur Verfügung zu haben. Aufgrund dieser Daten zu Unfallhergang und Modell werden wir die Schäden dann so routen, dass sie in den Werkstätten landen, die über die entsprechenden Reparaturkompetenzen verfügen. Hierfür wird es ein EDV-Tool geben, das stets die Übersicht behält: Welche Betriebe sind in der näheren Umgebung, wie hoch ist deren aktuelle Auslastung, bis zu welchem Prozentsatz haben wir unser Volumenversprechen umgesetzt und so weiter. Auf Basis dieser Information wird dem Schadenbearbeiter dann ein Vorschlag gemacht, den er dem Versicherungsnehmer unterbreiten kann. Für den Endkunden, den Autofahrer, wird sich im Endeffekt überhaupt nichts ändern – außer, dass er bei der (Online-)Schadenmeldung die eine oder andere Frage mehr gestellt bekommt.
AH: Dies setzt eine genaue Kenntnis des eigenen Partnernetzwerks voraus. Wie stellen Sie diese sicher?
T. Geck: Wir analysieren dieses gerade in engem Zusammenspiel mit einem Dienstleister. Wir fragen vor Ort bei den Werkstätten ab, wie es mit der Ausstattung wirklich aussieht – in Sachen Elektromobilität stehen zum Beispiel Hubtische, Schutzausrüstung, Beschilderung, Ladestationen und Trainingsstand der Monteure auf den Checklisten. Wer schwere Schäden an Elektrofahrzeugen reparieren will, muss vorab tief in die Tasche greifen – ich würde das Investitionsvolumen um 50.000 bis 60.000 Euro ansiedeln. Dementsprechend werden wir mit unserem Preismodell solche tiefgehenden Skills auch entsprechend entlohnen und für die nötige Auslastung sorgen. Es wird also Kompetenzpartner in den Bereichen Elektromobilität und Elektronikkompetenz geben, mit denen wir herstellerunabhängig und -übergreifend Flächendeckung erreichen. Im Jahr 2023 wird das neue Modell in zwei Pilotregionen in der Tiefe getestet.
Keine Umbrüche notwendig
AH: Wird sich an der Größe des Partnernetzwerkes etwas ändern?
T. Geck: Nicht im großen Stil, weil wir bereits heute sehr gut aufgestellt sind. Es geht uns vielmehr darum, die wenigen weißen Flecken in einzelnen Skills zu lokalisieren und dort entsprechend geeignete Partner zu akquirieren. Größere Umbrüche sind aber nicht notwendig, da wir bei Standards und Zertifizierungen traditionell hohe Maßstäbe angelegt haben – unsere Werkstätten leisten seit Jahren absolut tadellose Arbeit.
AH: Was sind aus Ihrer Sicht aktuell die wichtigsten Schmerzpunkte für die Reparaturbetriebe?
T. Geck: Natürlich treiben die Werkstattinhaber solche Themen wie Inflationsrate oder Energiepreise genauso um wie den Rest der Gesellschaft. Über die bisher besprochenen Inhalte hinaus fällt mir dazu ein Dauerbrenner ein: Ersatzteile. Auf diesem Sektor findet bei den Teilen, die für die Unfallinstandsetzung benötigt werden, seit Jahren keine marktwirtschaftliche Entwicklung mehr statt. Die Teilepreise steigen deutlich überproportional und die Margen für die herstellerungebundenen Betriebe sinken. Zudem waren Werkstattrechnungen früher grob in Drittel aufgeteilt, was Lackmaterial, Arbeitslohn und Ersatzteile anging.
Letztere machen inzwischen bis zu 50 Prozent der Reparaturkosten aus – gerade für die freien Betriebe, die ihr Geld mit der handwerklichen Arbeit verdienen, rechnet sich das nicht mehr. Denken Sie an gestiegene Kosten für Lagerhaltung, teilreparierte Autos, die die Werkstatt blockieren, und deutlich längere Zeiten für Ersatzmobilität. Es sollte niemanden wirklich verwundern, wenn die Versicherungswirtschaft darüber nachdenkt, baugleiche Teile direkt von den Serienlieferanten zu beziehen. Zudem sehen wir einige Entwicklungen in Sachen Teiletausch mit Sorge: Warum manche Karosserieteile oder Batterieeinheiten schon mit oberflächlichen Schäden komplett ausgewechselt werden sollten, erschließt sich mir nicht. Hier sollten die Fahrzeughersteller mehr Augenmaß walten lassen und Nachhaltigkeit aktiv umsetzen.
Gebrauchtteile im Auge behalten
AH: Aktuell scheint der längst totgeglaubte Markt der Gebrauchtteilreparatur wieder an Schwung zu gewinnen. Wäre dies aus Ihrer Sicht eine mögliche Lösung, aus der Preisspirale auszubrechen?
T. Geck: Die Frage wird wie immer sein, ob sich solche Konzepte aus wirtschaftlicher Sicht rechnen. Bisher sind die für die Gewinnung von Gebrauchtteilen genutzten Fahrzeuge im Ausland repariert worden, zudem müssen funktionierende Prozesse aufgebaut werden: Logistik, Lagerhaltung, Distribution und Qualitätskontrolle kosten Geld. Des Weiteren muss die Versorgung mit dem richtigen Teil sichergestellt werden – durch die wachsende Modellvielfalt wird die korrekte Identifikation der Fahrzeuge immer komplexer.
Fakt ist aber, dass das Gebrauchteile-Thema auch durch die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeit und Eco Repair an Fahrt gewinnt. Wir als HUK-Coburg setzen bereits seit Jahren auf Instandsetzen vor Erneuern, prüfen aktiv, ob Seitenwände tatsächlich erneuert werden müssen. Sie können also sicher sein, dass wir das Thema Gebrauchtteile beobachten und prüfen werden, insofern es künftig tragfähige Lösungen im Markt gibt.
AH: Herr Geck, vielen Dank für dieses Gespräch.