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Allianz Zentrum für Technik: "Hauptziel ist eine sichere, nachhaltige und bezahlbare Mobilität"

26.02.2024 05:28 Uhr | Lesezeit: 14 min
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Christian Sahr (r.) ist offiziell seit Jahresbeginn 2024 neuer Geschäftsführer im Allianz Zentrum für Technik (AZT). Nach über 16-jähriger Amtszeit übergab ihm der bisherige Chef Christoph Lauterwasser (l.) die Leitung des international renommierten Automobilforschungszentrums in Ismaning, bleibt noch bis Ende April 2024 Teil des AZT-Teams und wird sich danach in seinen Ruhestand verabschieden.
© Foto: Walter K. Pfauntsch

Nach sechszehneinhalb Jahren übergab Dr. Christoph Lauterwasser die Leitung des Allianz Zentrum für Technik an Dr. Christian Sahr und wird sich Ende April in den Ruhestand verabschieden. Gemeinsam mit Schadenvorständin Dr. Lucie Bakker blickten der bisherige und künftige AZT-Frontmann auf das in Ismaning Geleistete zurück und diskutierten über die weiteren Entwicklungen in der Mobilität und der Verkehrssicherheit.

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Das 1971 in Ismaning bei München gegründete Allianz Zentrum für Technik (AZT) hat auch nach über einem halben Jahrhundert nichts an seiner ursprünglichen Bedeutung verloren. Waren es anfänglich vor allem typische "Blech und Lack"-Themen – so beispielsweise Abschnittsreparaturen, Beilackierungen oder die Entwicklung von Typschaden-Crashtest und Lack-Kalkuationen –, so reicht der Blick heute bereits weit hinein in die technologischen Entwicklungen der nächsten Dekaden um die Jahre 2040 und 2050.

"Gesellschaftlicher und politischer Auftrag"

Insbesondere Allianz-Schadenvorständin Lucie Bakker sieht im AZT nicht nur einen wichtigen gesellschaftlichen und politischen Auftrag, den das Automobil-Forschungsinstitut auch künftig wahrnehmen werde, sondern gleichermaßen eine wachsende Bedeutung für die Allianz selbst: "Die Fortschritte in der Fahrzeugtechnologie bestimmen zunehmend die Tarifierung und die Schadenbearbeitung in der Autoversicherung", sagte sie vor kurzem im Rahmen eines exklusiven Pressegesprächs, an dem Christoph Lauterwasser und sein Amtsnachfolger Christian Sahr mit beteiligt waren. Wichtigster Kernsatz: "Das Hauptziel des Forschungszentrums ist eine weiterhin sichere, nachhaltige und bezahlbare Mobilität."

"Werden Entwicklungen aktiv begleiten und mitgestalten"

"Wir sehen eine sehr dynamische Entwicklung der Fahrzeugtechnologien und der Mobilität. Die Fahrzeuge werden elektrisch, in hohem Maße vernetzt und zunehmend assistiert. Zudem sehen wir einen Wandel der Autoversicherung hin zu einem noch stärker datengetriebenen, technologiebasierten Produkt“, sagte der studierte Maschinenbauer mit Vertiefungsrichtung Fahrzeugtechnik, Christian Sahr. Promoviert hatte er im Bereich Karosserieentwicklung. Vor seinem Einstieg beim AZT leitete er zuletzt mehrere Jahre die Business Unit Vehicle bei der FEV Europe GmbH, einem weltweit führenden Engineering-Dienstleister und Innovationstreiber im Automobilsektor.

"Wir werden im AZT alle neuen Entwicklungen aktiv begleiten und mitgestalten, um die Allianz mit unseren Forschungsergebnissen bei der effizienten und kundenorientierten Schadenbearbeitung, bei unseren Produkten und beim Pricing zu unterstützen", so Sahr weiter.

Wertschätzung für den scheidenden AZT-Chef

Verbunden mit einem persönlichen Dank und großer Wertschätzung hielt zuvor Schaden-Vorständin Lucie Bakker Rückschau auf die seit 2007 mehr als 16-jährige Amtszeit von Sahr‘s Vorgänger Christoph Lauterwasser, der noch bis Ende April 2024 Teil des AZT Teams bleibt, ehe er sich in den Ruhestand verabschiedet. Bestehende Aufgaben wie die Reparaturforschung, Crashtests und das AZT Lackkalkulationssystem habe Lauterwasser erfolgreich fortgeführt, während er gleichzeitig aber auch viele neue Themen wie assistiertes Fahren, Elektromobilität oder Fahrzeugdaten vorangetrieben habe. "Unter seiner Leitung nahm das AZT eine führende Rolle an der Schnittstelle zwischen Versicherungswirtschaft und Automobil- und Reparaturbranche ein und gestaltete zukunftsorientierte Themen im Dialog mit den Branchenpartnern", so Bakker.

Ein wichtiges Anliegen war Lauterwasser seit jeher die Verkehrssicherheit, die das AZT im Rahmen von Studien und Präventionskampagnen in die Öffentlichkeit trägt. Er etablierte den "Allianz Autotag", der heute "eine weltweite Bedeutung für die Allianz, die Politik und die Automobilwirtschaft" habe.

Gefahren aufzeigen und idealerweise vermeiden

Lauterwasser seinerseits erinnerte an die Vielzahl von Studien und Forschungsarbeiten, die mit Blick auf sichere Mobilität unternommen wurden, so etwa die Kampagnen mit Willi Weitzel, um über 13 Jahre alte Kinder weiterhin zum Fahrradfahren mit Schutzhelm zu ermuntern. Wichtig sei ihm auch gewesen, verschiedenen Zielgruppen – egal, ob Kinder, Erwachsene, Senioren, Zweiradfahrer aller Art oder auch Fußgänger – stets aufzuzeigen, wo welche Gefahren mit welchem Schadenausmaß im Straßenverkehr drohen. Und auch, wie man diesen präventiv begegnen oder sie im Idealfall gänzlich ausschließen kann.

"Die Basis dafür war immer unsere eigene Forschungsarbeit, unsere Vernetzung in die Unfallforschungsszene und die Verfügbarkeit unterschiedlichster Datenquellen, auf die wir zur Absicherung unserer Thesen und Forderungen zurückgreifen konnten", so der scheidende AZT-Chef.

Crashtests, Cyber- und Diebstahlsicherheit

Unter dem Stichwort "sichere Mobilität" führte Lauterwasser die Optimierung und Anpassung des schon in dem 1970er Jahren im AZT entwickelten Typschaden-Crashtests an neue Fahrzeuggenerationen genauso auf wie die thematische Beschäftigung mit Cybersicherheit im assistierten und künftig autonomen Verkehr oder auch das Problemfeld Diebstahl: "In diesem Bereich sehen wir nach wie vor sehr teure Fahrzeuge verschwinden, weshalb wir im Sinne der Versichertengemeinschaft und gemeinsam mit der Automobilindustrie alles dafür tun, um die Diebstahlquoten so gering als möglich zu halten und andererseits die Aufklärungsraten zu erhöhen."

Manche Themen müssen "reifen" – zuweilen mehr als 10 Jahre

Die nachhaltige Gestaltung von Mobilität dagegen habe man im AZT schon 2009 mit einem umfassenden Report thematisiert, so Lauterwasser, der gleichzeitig eingestand, dass der Zeitpunkt vor 15 Jahren schlicht "noch zu früh" gewesen sei. Manche Themen müssten "erst reifen", was ihm sehr deutlich geworden sei, als Nachhaltigkeit im Mittelpunkt des Allianz-Autotags 2022 stand und ab da eine "sehr breite Akzeptanz auch als gesellschaftlicher Prozess" gefunden habe.

In der Gemengelage permanent steigender Ersatzteil- und Instandsetzungspreise komme einer "nachhaltigen, grünen" Reparatur "elementare Bedeutung auch in der Versicherungswirtschaft" zu, so Christoph Lauterwasser. Gemeinsam u.a. mit Universitäten führe man die Forschung und Weiterentwicklung auf diesem Gebiet, zu dem nicht zuletzt "Instandsetzen statt Tauschen" gehöre, weiter.

Wenn Crashvorgaben Reparaturkosten senken

Unter der Präambel des Erhalts von bezahlbarer Mobilität räumte Lauterwasser zunächst ein, dass "Schadeninflation und Unterhaltskosten auch durch Versicherungsprämien geprägt" seien. Gerade deshalb aber nutze man mit dem Allianz Zentrum für Technik alle Möglichkeiten, um "zu weniger Kosten beizutragen". Mit dem von ihm bereits erwähnten Typschaden- bzw. "Bumper-Test" zeige das AZT unmissverständlich auf, "wie ein Auto aufgebaut sein muss, um im Crash mit einem anderen Fahrzeug wenig Schaden zu erleiden". Schon frühzeitig habe man dadurch die Fahrzeughersteller bewogen, ihre Konstruktionen so anzupassen, dass in der Masse der Unfälle (= v.a. den "typischen" Stadtschäden) möglichst überschaubare Reparaturkosten entstehen.

"Dreimal so hohe Kosten bei schlechter Fahrzeugkonstruktion"

Autofahrer können, so der scheidende AZT-Chef weiter, "enorme Beiträge alleine aufgrund einer vernünftigen Fahrzeug-Konstruktion einsparen". Funktioniere die Konstruktion nicht so, wie sie soll, "fällt der Schaden bis zu dreimal so hoch aus, weil sie dann plötzlich Schäden auch am Kühlerpaket oder an anderen Komponenten haben und das Fahrzeug nicht mehr fahrbereit ist", zeigte Lauterwasser die – offensichtlich auch heute noch anzutreffende – Kehrseite der Medaille auf.

China baut Autos nach deutschen Vorgaben

Nicht ohne Stolz berichtete er davon, dass man es geschafft habe, dass auch die chinesischen Automobilhersteller heute dasselbe AZT-Crashtestverfahren verwenden: "Das ist meines Erachtens ein gigantischer Input auf die Automobilproduktion weltweit. Denn Sie müssen sich einfach mal die Entwicklungskosten vorstellen, wenn wir in China andere Tests hätten."

Park- und Notbremssysteme wichtige "Kostenhebel"

Der vierte Punkt, den Lauterwasser in seinem Rückblick streifte, betrag das "aus monetärer Sicht große Thema Schadenvermeidung". Hier erinnerte der langjährige AZT-Chef daran, wie viele Jahre man sich bereits mit Einpark- und Rangiersystemen beschäftige – oder auch Systemen, die kurz vor dem Aufprall das Fahrzeug nochmals abbremsen. Die Hebelwirkung, um Schäden zu vermeiden oder um Kosten zumindest deutlich zu reduzieren, sei immens und unbestritten.

Auch Daten aus dem Fahrzeug werden aus seiner Sicht künftig "eine Riesendimension annehmen". Von den schon 2006 vorgestellten Nachrüstboxen, von denen eine alleine seinerzeit noch rund 500 Euro gekostet habe, sei man inzwischen weit entfernt und besitze sehr viele weitergehende Möglichkeiten, die auch Kunden im Rahmen einer risikogerechten Prämie zugute kämen. Sein Nachfolger werde diese Themen allesamt sehr akribisch weiter betreiben.

Die Hauptthemen des neuen AZT-Chefs

Christian Sahr benannte anschließend die sechs Kernthemen, denen man sich weiterhin bzw. neu im Allianz Zentrum für Technik widmen werde:

1. Sicherheit und Prävention

2. Nachhaltigkeit

3. E-Mobilität

4. Fahrzeugdaten und IT-Security

5. Assistiertes und automatisiertes Fahren

6. Reparierbarkeit und Unterhaltskosten

Den Weg zum autonomen Fahren wolle man weiterhin aktiv mitgehen. Entsprechende Testfelder betreue und gestalte man im AZT bereits heute mit, so Sahr. Immerhin gebe es aktuell ja auch schon Fahrzeuge, die für 60 km/h auf Autobahnen zugelassen sind. Wichtig sei allerdings die Absicherung der Systeme, die sowohl in Simulationen, als eben auch auf der Straße trainiert werden müssten. Eine erste Marktdurchdringung bei Fahrzeugen im automatisierten Betrieb werde man bei Flotten sehen – und damit deutlich früher als bei reinen Privatfahrzeugen, welche alle etwaigen Gefahren abdecken müssten.

Der Zeitpunkt für Flottenanwendungen könnte eventuell noch "Ende dieser Dekade" sein. Eine Marktdurchdringung für autonomes Fahren sah der neue AZT-Geschäftsführer allerdings erst um das Jahr 2050 – vergleichbar zu den Einschätzungen, die vor Jahren bereits führende Sicherheits- und Unfallforscher aus der Automobilwirtschaft und vom ADAC auf den AUTOHAUS-Schadenforen gaben.

Ablenkungsunfälle bleiben Kernthema

Nachhaltigkeit, Sicherheit und Kundenbegeisterung nannte auch Lucie Bakker als Kernziele der Allianz und des AZT. Prävention und Unfallvermeidung steht für die amtierende Schadenvorständin dabei mit an erster Stelle, "weil wir dann nichts ersetzen müssen und unseren Kunden auch in punkto Prämiengestaltung einen wertvollen Dienst erweisen können".

Ihre Lobbyarbeit beim Thema "Ablenkung am Steuer" passt da ebenfalls gut mit ins Bild: "Was früher das Rauchen am Steuer, später das Telefonieren während der Fahrt war, sind heute die Display-Bedienung sowie das Lesen und Schreiben von Nachrichten bei gleichzeitigem Blindflug auf der Straße", zeigte Bakker nochmals unmissverständlich die Brennpunkte auf, an denen der Münchner Versicherer weiterhin akribisch Aufklärungsarbeit im Sinne maximaler Vermeidung von Sach- und Personenschäden betreiben will.

Nachhaltige Reparatur – auf allen Feldern

"Noch mehr gesellschaftliche Akzeptanz" brauche nach ihrer Einschätzung das Thema nachhaltige Reparatur. Mit dem Instandsetzen statt Tauschen von Teilen, der dringenden Freigabe für eine Scheinwerfer-Reparatur oder auch dem fachgerechten Instandsetzen von teuren Alubauteilen könne Vieles erreicht werden – einerseits in Richtung Werterhalt des Fahrzeugs, ferner der Vermeidung von frühen wirtschaftlichen Totalschäden bis hin zu einer möglicherweise besseren Typklassen-Einstufung.

Die Schaden-Vorständin und Mitglied im Vorstand der Allianz Versicherungs-AG, Lucie Bakker, bekräftigt die Bedeutung des AZT: "Die Expertise des AZT im Bereich
Automobiltechnologie wird zunehmend ein zentraler Faktor für die Gestaltung von
kundenorientierten Produkten und effizienten Prozessen in der Schadenabwicklung. Mit dem Allianz Zentrum für Technik haben wir ein Kompetenzzentrum, um unseren Kundinnen und Kunden zukunftsgerichtete Services und Versicherungsprodukte anzubieten."

Co-Geschäftsführerin Stephanie van den Bergh

Zum 1.1.2024 trat Stefanie van den Bergh, Leiterin des Fachbereichs Zentrale Funktionen im Schadenressort der Allianz Versicherungs-AG, die Rolle der zweiten AZT Geschäftsführerin an. Van den Bergh löste Christopher Iwanowski ab, der bei Allianz Australia die Rolle des Chief General Manager Transformation übernommen hat. Sie und auch Lucie Bakker dankten Christoph Lauterwasser ausdrücklich "für seine fantastische Arbeit über die letzten mehr als 16 Jahre". Er habe die "Vorreiterrolle des AZT in der Unfall- und Mobilitätsforschung" kontinuierlich ausgebaut. Wir freuen uns sehr, in den kommenden Jahren das AZT mit Christian Sahr weiterzuentwickeln", so van den Bergh und Bakker abschließend.

Zahlen und Fakten zum Allianz Zentrum für Technik

Das AZT in Ismaning ist das internationale Kompetenzzentrum der Allianz für Automobiltechnologie und wurde 1971 gegründet. Zum Ziel der Förderung von sicherer, nachhaltiger und bezahlbarer Mobilität beschäftigt sich das Unternehmen mit den Technologien in der Automobilindustrie und den damit verbundenen Fragestellungen der Risikobewertung, Schadenverhütung und dem Schadenmanagement in der Kraftfahrtversicherung sowie der Verkehrssicherheit. Dazu arbeitet das AZT eng mit Partnerunternehmen und anderen Forschungseinrichtungen zusammen. Im 53-jährigen Unternehmensbestehen war Dr. Christoph Lauterwasser nach dem AZT Gründer Prof. Dr. Max Danner (1971 bis 1992) und seinem Nachfolger Prof. Dr. Dieter Anselm (1993 bis 2007) der dritte Geschäftsführer des AZT.

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Stefanie van den Bergh (r.), Leiterin des Fachbereichs Zentrale Funktionen im Schadenressort der Allianz Versicherungs-AG, ist in Personalunion auch zweite Geschäftsführerin des AZT.  Ihr Credo, das sie mit Schadenvorständin Lucie Bakker (l.) teilt: "Hauptziel der Forschungsarbeit im AZT ist, Mobilität sicher, nachhaltig und bezahlbar zu erhalten."
© Foto: Walter K. Pfauntsch
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