Der 9. Allianz Autotag beschäftigte sich am vergangenen Mittwoch in Ismaning mit den rechtlichen und technischen Risiken des autonomen Fahrens. Schließlich wird das automatisierte und führerlose Fahren bereits in den kommenden Jahren zur Realität in ganz Europa. Neben der Dekarbonisierung des Verkehrs bedeutet dies auch für die europäische Wirtschaft eine große Herausforderung und soll neue Formen der
Mobilität eröffnen.
Länderübergreifende Regelungen unabdingbar
Bei der internationalen Allianz Veranstaltung wurde deutlich, dass sich beim autonomen Fahren der Blick nicht nur auf ein einzelnes Land richten darf. "Neue Mobilitätskonzepte müssen länderübergreifend gedacht werden, wenn sie für die Gesellschaft sinnvoll und wirtschaftlich erfolgreich sein sollen", lautete in diesem Zusammenhang eine grundsätzliche Forderung. Denn die Menschen würden künftig auch mit automatisierten Fahrzeugen reisen und dabei Ländergrenzen überschreiten.
"Wir müssen unsere Straßen und Regeln deshalb europaweit fit machen für autonomes Fahren. Hierfür sehen wir die Notwendigkeit einer europäischen Harmonisierung. Denn bei einem Grenzübertritt müssen diese Autos nicht nur Beschilderungen und Markierungen erkennen und Verkehrsregeln einhalten, sondern es muss auch klar sein, wer haftet, wenn ein Unfall passiert", sagte Klaus-Peter Röhler, Vorstandsvorsitzender der Allianz Deutschland AG, eingangs seiner Ausführungen unmissverständlich.
Erste Gesetze zum autonomen Fahren in Europa
Die UNECE (United Nations Economic Commission for Europe – Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen) hat zwischenzeitlich weltweit die notwendigen Voraussetzungen für die Zulassungen erster automatisierter Fahrfunktionen geschaffen. Der deutsche Gesetzgeber ist sogar noch einen Schritt weitergegangen und hat in diesem Jahr mit dem Gesetz zum autonomen Fahren Deutschland – als erstem Land der Welt – den regulatorischen Rahmen für führerloses Fahren ermöglicht. Während beim automatisierten Fahren der Fahrer weiterhin in der Pflicht bleibt, überwacht beim autonomen Fahren eine sogenannte "technische Aufsicht" das Fahrzeug. Diese kann das Fahrzeug von außen deaktivieren und in schwierigen Situationen Fahrmanöver freigeben.
"Versicherungsschutz kein Problem"
Neue Technologien bergen immer auch neue Risiken, ist der Allianz-Deutschland-Chef überzeugt. Autonome Fahrzeuge würden am Anfang ihrer Entwicklung einem Fahranfänger gleichen, der dazulernt. Kein Problem sieht die Münchner Assekuranz trotz alledem beim Versicherungsschutz: "Wir werden auch den ,autonomen Fahranfängern‘ und der ,technischen Aufsicht‘ Versicherungsschutz bieten und sie in der Kfz-Haftpflicht entsprechend versichern", so Röhler.
Unfallaufklärung muss möglich sein
Da gerade eine neue Technik nicht fehlerfrei sei, werde es "auch künftig Unfälle, vor allem im Mischverkehr mit anderen Fahrzeugen", geben. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in automatisierte und autonome Systeme ist nach Ansicht Röhlers nur gewährleistet, wenn Unfallursachen – und auch Beinahe-Unfälle – korrekt aufgeklärt werden können.
In seiner Rede auf dem 9. Allianz Autotag betonte er, dass es "jetzt darauf ankommt, dass wir für Europa eine vernünftige Lösung finden, die es uns erlaubt, auch künftig Verkehrsunfälle unkompliziert aufklären zu können, um Verkehrsopfer schnell zu entschädigen und das Vertrauen der Bevölkerung in die neue
Technologie nicht zu zerstören".
Sensordaten-Nutzung noch unzureichend geklärt
Zur Unfallaufklärung werden deshalb künftig auch Sensordaten wie Radar, Lidar und Kameraaufzeichnungen benötigt. Nur so könnten zum Beispiel Unfälle oder Beinahe-Unfälle mit Fußgängern erfasst und bewertet werden. "Leider ist die Nutzung dieser Daten in Europa derzeit nicht hinreichend reguliert", sagte Röhler.
Forderung nach Datentreuhänder
Die Forderung der Allianz auf dem Autotag war insofern eindeutig: Zum Schutz der personenbezogenen Daten verlangte sie einen europaweiten, unabhängigen Datentreuhänder, der prüft, ob ein berechtigtes Interesse an der Unfallaufklärung besteht, und die hierfür erforderlichen Daten mittels eines standardisierten und diskriminierungsfreien Datenzugangs den Berechtigten zur Verfügung stellt. In anonymisierter Form sollen diese Daten auch der Unfallforschung und der Automobilindustrie zur Verfügung gestellt werden, damit Fehler schnell korrigiert und die Systeme verbessert werden können.
"Schutz auch für Halter automatisiert fahrender Autos!"
Ein weiterer Diskussionspunkt auf dem Autotag galt dem Halter selbst. Die Gefährdungshaftung des Halters stellt auch bei automatisierten Fahrsystemen sicher, dass das unschuldige Verkehrsopfer vollumfänglich geschützt ist. Es werde aber in Zukunft vorkommen, dass der Halter selbst in seinem automatisiert fahrenden Fahrzeug sitzt und verletzt wird. Da der Halter nach aktueller Rechtslage keine Ansprüche gegen sich selbst stellen kann, bliebe ihm nur ein Anspruch aus dem Produkthaftungsrecht gegen den Hersteller.
Die Allianz ist deshalb der Auffassung, dass auch der Kfz-Halter in seinem Fahrzeug bei Fahrten im automatisierten Modus rechtlich geschützt sein muss, wenn er den Unfall nicht durch einen eigenen Fehler, zum Beispiel durch Missachtung einer Fehlermeldung, selbst mitverursacht hat. "Wir diskutieren für Deutschland z. B. eine Produktlösung, bei der künftig ausnahmsweise auch der Fahrzeughalter bei einem vom Fahrzeug im automatisierten Modus verursachten Unfall in den Schutz der Kfz-Versicherung integriert wird", sagte Röhler.
Kommenden Montag noch mehr ...
Über die weiteren Themen, die ebenfalls auf dem 9. Allianz-Autotag behandelt wurden – dazu gehörte u.a. eine Fachdiskussion mit international renommierten Experten – werden wir kommende Woche an gleicher Stelle berichten und Ihnen dann vor allem auch die Kernaussagen aller teilnehmenden Protagonisten dieser Runde vorstellen. (wkp)