Lkw-Rechtsabbiegeunfälle sind für ungeschützte Verkehrsteilnehmer wie Radfahrer oder Fußgänger, aber auch für Lkw-Fahrer selbst mit das Schlimmste, was im innerstädtischen Straßenverkehr passieren kann. Um solche Unfälle möglichst ganz vermeiden oder zumindest die Unfallfolgen mindern zu können, bietet Mercedes-Benz Trucks bereits seit 2016 optional für viele Modelle der Baureihen Actros, Arocs oder Econic als Serienlösung ab Werk den Abbiege-Assistent S1R. Für einen Großteil dieser Modelle gibt es den Abbiege-Assistenten außerdem als seriengleiche Nachrüstlösung – und das jetzt auch für die neueste Generation des Actros und Arocs. Selbst der Actros F, das auf Funktionalität getrimmte Einstiegsfahrzeug in die Welt der Zugmaschinen ab 18 Tonnen von Mercedes-Benz, könne so nachgerüstet werden. Für Modelle, in denen der Abbiege-Assistent S1R nicht verbaut werden kann, bietet Mercedes-Benz Trucks ersatzweise das Abbiege-Assistenzsystem basic zur Nachrüstung an.
Hohe Nachfrage nach Abbiege-Assistent
Das Angebot einer Nachrüstung stoße bei den Kunden auf großes Interesse, heißt es dazu in einer Presseverlautbarung: Seit Sommer 2020 sei in rund 650 Mercedes-Benz Lkw ein Abbiege-Assistent nachträglich verbaut worden – sowohl in Form des S1R, als auch als Abbiege-Assistenzsystem basic. Immer mehr Transportunternehmer würden sich zudem bereits beim Kauf für die Serienlösung ab Werk entscheiden. In Deutschland und der Schweiz liege die Bestellquote mit rund 85 Prozent auf einem sehr hohen Niveau. "Daran zeigt sich das ausgeprägte Bestreben vieler Fuhrparkbetreiber, ihren Fahrern Lkw an die Hand zu geben, die nicht nur zuverlässig und effizient sind, sondern auch über eine exzellente Sicherheitsausstattung verfügen", sagt Andreas von Wallfeld, Leiter Marketing, Vertrieb und Services bei MB Trucks.
Die Ausrüstung mit einem Abbiege-Assistenten kann auch staatlich gefördert werden. Das gelte für die Nachrüstung ebenso wie für die ab Werk angebotene Serienlösung von Mercedes-Benz Trucks. Kunden, die über die Mercedes-Benz Bank eine Kfz-Versicherung (Risikoträger Kravag Logistic Versicherungs-AG) für ihren Lkw oder ihre Sattelzugmaschine abschließen, bekommen beim Einbau eines Abbiege-Assistenten eine Prämienreduktion in Höhe von 15 Prozent. Dies gelte auch für die Nachrüstlösung des Abbiege-Assistenten S1R.
Mehrstufiger Warnprozess
Der Mercedes-Benz Abbiege-Assistent S1R erweist sich insbesondere in komplexen Verkehrssituationen und unübersichtlichen Kreuzungsbereichen als hilfreiches Feature. Sollte die Gefahr bestehen, dass ein Lkw-Fahrer beim Rechtsabbiegen einen Radfahrer oder Fußgänger im "toten Winkel" wider Erwarten nicht sieht, kann das System unterstützend eingreifen und den Fahrer mit Hilfe eines mehrstufigen Prozesses warnen. Für die optischen Warnhinweise nutzt der S1R das Display der MirrorCam, die im neuen Actros und im Arocs anstelle der herkömmlichen Haupt- und Weitwinkelspiegel verbaut ist.
In einem Lkw mit Außenspiegel erfolgen die Warnungen über eine LED-Anzeige in der A-Säule. Herzstück des Abbiege-Assistenten sind zwei Nahbereichs-Radarsensoren am Rahmen auf der Beifahrerseite vor der Hinterachse des Lkw. Das System ist so ausgerichtet, dass es die Länge des gesamten Lastzugs plus zwei Meter nach vorn und bis zu einem Meter nach hinten sowie bis zu 3,75 Meter rechts neben dem Fahrzeug überwacht. Es arbeitet sowohl in Solofahrzeugen, als auch in Sattelzügen oder kompletten Lastzügen mit bis zu 18,75 Metern Länge.
In Kürze: Automatische Notbremsung bis zum Stillstand
Ab Juni 2021 wird der Abbiege-Assistent S1R im Übrigen bei einem Großteil der Actros und Arocs-Modelle durch den neuen Abbiege-Assistent S1X mit einer unter Umständen lebensrettenden weiteren Funktion ersetzt: Der ab Produktionsmonat Juni optional ab Werk erhältliche sogenannte Active Sideguard Assist (ASGA) kann den Fahrer nicht mehr nur vor auf der Beifahrerseite befindlichen und sich bewegenden Radfahrern oder Fußgängern warnen, sondern bis zu einer eigenen Abbiegegeschwindigkeit von 20 km/h auch eine automatisierte Bremsung bis zum Stillstand des Fahrzeugs einleiten, wenn der Fahrer nicht rechtzeitig reagiert.
Großer Handlungsbedarf
Schaut man sich das Unfallgeschehen genauer an, stößt man rein statistisch schnell an seine Grenzen. Das Statistische Bundesamt liefert in seinen Jahrbüchern zur amtlichen Unfallstatistik zwar allgemeine Zahlen zu Unfällen zwischen Güterkraftfahrzeugen und ungeschützten Verkehrsteilnehmern wie Radfahrern und Fußgängern sowie zu Unfällen, die auf "Fehler beim Abbiegen" zurückzuführen sind. Allerdings erfolgt dezidiert (noch) keine Differenzierung etwa nach schweren Lkw oder nach Rechtsabbiegeunfällen. Dessen ungeachtet besteht dringender Handlungsbedarf, zumal viele Städte und Gemeinden ihre Radwegeinfrastruktur zunehmend ausbauen und die Mobilität auf zwei Rädern zukünftig weiter zunehmen dürfte.
Was sich in der Unfallstatistik verbirgt
Aufhorchen lassen die vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) auf der Grundlage von Polizeiberichten ermittelten Zahlen: 2020 kamen in Deutschland bei Rechtsabbiegeunfällen mit Lkw 40 Radfahrer ums Leben. 2019 waren es 27, ein Jahr zuvor 34. Was diese Zahlen tatsächlich bedeuten, wird erst deutlich, wenn man sie in Relation zu allen bei Straßenverkehrsunfällen getöteten Radfahrern setzt. 2020 waren es nach den vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts innerorts 263 und außerorts 175, insgesamt also 438.
Der Anteil der allein bei Lkw-Rechtsabbiegeunfällen verunglückten Radfahrer machte 2020 also nahezu zehn Prozent aus. Da sich nach einer 2019 erschienenen Studie der Unfallforschung der Versicherer auf der Basis von Unfalldaten der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer der weitaus größte Teil dieser Kollisionen innerorts ereignet, könnte der Anteil knapp an die 15-Prozent-Grenze heranreichen. Allein diese Tatsache unterstreiche einmal mehr die Dringlichkeit eines Abbiege-Assistenten im Lkw. (fi)