Mit einem Maßnahmenpaket für bessere Luft hat die Stadt Wiesbaden ein Dieselfahrverbot abgewendet. Der Streit mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) um zu hohe Schadstoffwerte ist am Mittwoch beigelegt worden. Als Kläger erklärte die DUH vor dem Verwaltungsgericht, die bisher umgesetzten sowie die geplanten Maßnahmen zur Luftreinhaltung der Kommune reichten voraussichtlich aus, um die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) zu senken. Im Sommer werde man aber mit den bis dahin erreichten Messwerten eine Zwischenbilanz ziehen.
Anlass war eine Klage von DUH und VCD gegen das Land Hessen, weil Wiesbaden den EU-Grenzwert für das gesundheitsschädliche NO2 überschritten hatte - statt der erlaubten 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittelwert waren es 2018 bis zu 48 Mikrogramm, 2017 bis zu 50. Jetzt will die Stadt mit ihrem aktualisierten Luftreinhalteplan für bessere Luft sorgen.
"Andere Kommunen sollten diesem guten Beispiel folgen"
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sagte in Berlin: "Wiesbaden zeigt: Wer aktuelle Luftreinhaltepläne hat, verhindert Fahrverbote. Andere Kommunen sollten diesem guten Beispiel folgen." Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach von einer guten Nachricht für saubere Luft und Mobilität. "Wiesbaden wird die Luft-Grenzwerte auch ohne Fahrverbote einhalten." Das zeige, dass die Förderprogramme der Regierung wirkten.
FDP-Fraktionsvize Oliver Luksic dagegen sagte: "In der Realität heißt das nun, dass in Wiesbaden der individuelle Verkehr in Zukunft stark eingeschränkt wird." So nehme Wiesbaden etwa Fahrstreifen auf vielbefahrenen Verkehrsachsen weg. Luksic erneuerte die Forderung der FDP zur Überprüfung der Messverfahren und des Stickoxid-Grenzwertes.
Bislang hat die DUH gegen die Luftreinhaltepläne von bundesweit 35 Städten Klage eingereicht. In mehreren Städten, darunter Hamburg, Stuttgart und Berlin wurden bereits Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge verhängt. Für Darmstadt haben sich DUH und Land in einem Vergleich darauf geeinigt, zwei Straßen ab Juni 2019 für ältere Diesel zu sperren. In Frankfurt wird es bis zu einer endgültigen gerichtlichen Klärung keine Dieselfahrverbote geben.
"Tor für Wiesbaden in der Nachspielzeit", kommentierte DUH-Anwalt Remo Klinger während der Verhandlung am Mittwoch. Fahrverbote für Diesel seien in diesem Fall nicht notwendig, da sich bereits eine deutliche Reduzierung der Belastung abzeichne. "Wenn sich nur kurzfristige Überschreitungen andeuten, dann machen Fahrverbote für ein paar Wochen keinen Sinn", erläuterte Klinger.
DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch sagte, der Luftreinhalteplan sei so gut wie bundesweit keiner bisher. "Er ist aber arg auf Kante genäht, deshalb werden wir monatlich die Maßnahmen abfragen und mit den prognostizierten Werten abgleichen." Resch lobte die Bemühungen der Stadt, etwa den Fahrradverkehr zu stärken und Elektrobusse einzuführen.
Dieselbusse und Fahrzeuge der Müllabfuhr werden nachgerüstet
Der Wiesbadener Umweltdezernent Andreas Kowol (Grüne) sagte nach der Verhandlung, er sei zuversichtlich, dass die Stadt die richtigen Schritte zum Senken der Schadstoffbelastung unternommen habe. Während der Verhandlung hatte die Stadt angekündigt, nicht nur 100 Dieselbusse, sondern auch die Fahrzeuge der Müllabfuhr nachrüsten zu wollen. Zudem könnten sich Betriebe, die in die Stadt fahren müssen, um eine Förderung für den Kauf von Elektro-Lastenräder bewerben.
Wiesbaden will darüber hinaus das Radverkehrsnetz ausbauen und neue Park-and-Ride-Plätze schaffen. Bis 2020 soll so der Grenzwert eingehalten werden.
In seinem Schlusswort appellierte Richter Rolf Hartmann an die Wiesbadener Dieselfahrer, von den erweiterten Angeboten der Stadt Gebrauch zu machen, um die Prognosen wahr werden zu lassen.
Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Achim Dercks, sieht in der Einigung ein gutes Signal. "Die Bunderegierung muss jetzt Rechtssicherheit schaffen: Die Unternehmen müssen sich darauf verlassen können, dass sie nach Umtausch oder Nachrüstung von jeglichen Fahrverboten ausgenommen sind." Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) teilte mit: "Wiesbaden zeigt: Wer aktuelle Luftreinhaltepläne hat, verhindert Fahrverbote. Andere Kommunen sollten diesem guten Beispiel folgen."
Die Verhandlung für Wiesbaden war Mitte Dezember vertagt worden, weil sich das Gericht noch weitere Informationen über die von der Stadt bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Luftreinhaltung einholen wollte. Unter anderem ging es darum, welchen Effekt eine Hardware-Nachrüstung von städtischen Dieselbussen hat. (dpa)