Der Bundesrechnungshof hält Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) schwerwiegende Mängel beim Vorgehen zur Pkw-Maut vor. Das Ministerium habe beim Vertrag für die Erhebung der inzwischen geplatzten Maut "Vergaberecht verletzt" und "gegen Haushaltsrecht verstoßen", schreiben die Finanzkontrolleure in einem Bericht an den Bundestag. Beanstandet werden etwa auch Schadenersatzregelungen. Das Ministerium wies erneut alle Vorwürfe zurück. Die Opposition attackierte Scheuer scharf.
Bei der Vergabe habe das Ministerium mit dem verbliebenen Bieter über sein finales Angebot verhandelt, ohne den anderen Bietern Gelegenheit zu einem neuen Angebot zu geben, kritisierte der Rechnungshof. Zudem habe bei Vertragsabschluss "keine ausreichende haushaltsrechtliche Ermächtigung" vorgelegen, heißt es in dem Bericht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Über den vom Bundestag bewilligten Rahmen von knapp zwei Milliarden Euro hinaus habe der Vertrag weitere Vergütungsbestandteile enthalten, die in künftigen Jahren zu Ausgaben in dreistelliger Millionenhöhe für den Bund geführt hätten.
Scheuer steht unter Druck, weil er die Verträge zur Erhebung und Kontrolle der Maut mit den Betreibern Kapsch und CTS Eventim schon 2018 geschlossen hatte, bevor endgültige Rechtssicherheit bestand. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte die Pkw-Maut Mitte Juni für rechtswidrig. Direkt danach kündigte der Bund die Verträge. Daraus könnten Forderungen der Firmen in Millionenhöhe resultieren. Dazu soll bald auch ein Untersuchungsausschuss im Bundestag kommen.
Vorwurf des Verstoßes gegen Amtseid
Der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler sagte, durch rechtswidriges Handeln habe Scheuer gegen seinen Amtseid verstoßen, der ihn verpflichte, sich an Recht und Gesetz zu halten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse ihn umgehend entlassen. "Andreas Scheuer ist vermutlich der einzige Mensch in Deutschland, der noch immer glaubt, dass er beim Projekt Pkw-Maut alles richtig gemacht hat", sagte Kindler. Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic kritisierte, um sein Mautprojekt zu retten, habe Scheuer Rechtsverstöße in Kauf genommen. Der Vertrag hätte so nicht unterschrieben werden dürfen. Scheuer müsse im Untersuchungsausschuss endlich reinen Tisch machen.
Das Ministerium hatte bereits Anfang November in einer Reaktion auf eine noch unveröffentlichte Berichtsfassung Vorwürfe in "sämtlichen Punkten" zurückgewiesen. Dies gelte nach wie vor, hieß es am Montag. Der Rechnungshof erklärt dazu in seinem Bericht, die Stellungnahme des Ministeriums sei berücksichtigt und abschließend gewürdigt worden. Der Rechnungshof bleibe aber bei seiner Kritik. Die Argumente des Ministeriums überzeugten nicht.
Unangemessene Schadenersatzregelung
Die Finanzkontrolleure machen auch generelle Kritik geltend. So habe die ursprüngliche Höhe des finalen Angebots von drei Milliarden Euro das Ministerium veranlassen müssen, das Maut-Projekt "insgesamt zu überdenken". Eine im Vertrag vorgesehene Schadenersatzregelung für den Fall einer Kündigung nur aufgrund eines Maut-Stopps durch den EuGH sei "nicht angemessen" gewesen - dies hätte das Ministerium dazu bringen müssen, einen Abschluss schon vor dem Urteil zu überdenken.
Konkret hatte Scheuer den Vertrag dann aber nicht nur aus diesem Grund gekündigt. Der Rechnungshof kritisierte zudem, das Ministerium habe nicht nachgewiesen, "ob und wie es das Risiko eines negativen EuGH-Urteils vor den Vergaben berücksichtigt hat". (dpa)
Seilertoni