Das Bundesverkehrsministerium prüft im Fall der geplatzten Pkw-Maut Regressforderungen gegen den früheren Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Das sagte ein Sprecher von Scheuers Amtsnachfolger Volker Wissing (FDP) am Freitag in Berlin auf eine entsprechende Frage hin. Es stehe aber noch nicht fest, ob Regressforderungen gegen Scheuer geltend gemacht würden.
Im Streit um Schadenersatz für die geplatzte Pkw-Maut hatte es am Mittwoch eine Einigung gegeben. Demnach zahlt der Bund 243 Millionen Euro an die eigentlich vorgesehenen Betreiberfirmen der Maut. Wissing sprach von einer «bitteren» Summe. Er nannte die Pkw-Maut einen schweren Fehler. Er bedauere, dass die Schadenersatzsumme nicht für Investitionen zur Verfügung stehe.
Die Pkw-Maut – ein Prestigeprojekt der CSU in der damaligen Bundesregierung – war im Juni 2019 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als rechtswidrig gestoppt worden; damals war Scheuer Verkehrsminister. Der Bund kündigte die Verträge mit den vorgesehenen Betreibern kurz nach dem Urteil, und diese forderten zunächst 560 Millionen Euro Schadenersatz. Scheuer wies die Forderung der Firmen zurück. Daraufhin folgte ein Schiedsverfahren
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter findet deshalb: "Ich sehe Herrn Scheuer direkt persönlich verantwortlich für das Scheitern der Pkw-Maut und damit auch für die anstehenden Zahlungen", sagte er der "Bild"-Zeitung. Scheuer müsse persönlich zur Verantwortung gezogen werden. "Hierbei müsste man auch eine stärkere persönliche finanzielle Haftung diskutieren, auch generell bei ähnlich gelagerten Fällen."
Können (Ex-)Minister haftbar gemacht werden?
Bereits 2010 fragte die Grünen-Abgeordnete Bärbel Höhn schriftlich den Bundestag: Können Mitglieder der Bundesregierung auf Schadenersatz in Regress genommen werden? Höhn bezog ihre Anfrage konkret auf den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge im Namen der Bundesrepublik und mögliche Grenzen einer Vertretungsvollmacht. Die Antwort damals lautete: "Das Bundesministergesetz enthält keine haftungsrechtliche Regelungen für Mitglieder der Bundesregierung."
Das Bürgerliche Gesetzbuch legt in Paragraf 839 zwar fest, dass ein Beamter, der mit Vorsatz oder zumindest fahrlässig seine Amtspflicht gegenüber Dritten verletzt, ihnen den entstehenden Schaden ersetzen muss. Dieser Paragraf muss nach Angaben der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags aber im Zusammenhang mit Grundgesetz-Artikel 34 gesehen werden. Demnach geht die Haftung auf den Staat über. Der hat dann die Möglichkeit, in Fällen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Regress bei seinem Beamten zu nehmen.
Diese Möglichkeit des Staats bedürfe jedoch eines entsprechenden Gesetzes oder einer vertraglichen Grundlage, schrieb der Wissenschaftliche Dienst. Das Bundesministergesetz sehe eine solche Rückgriffsmöglichkeit nicht vor. Für die strafrechtliche Verantwortung von Amtsträgern würden dagegen andere Regeln gelten – doch dabei gehe es um Delikte wie Bestechlichkeit oder Nötigung.
Wie sieht Scheuer seine Verantwortung?
Die CSU-Spitze hat sich bisher trotz Anfragen nicht zu dem finanziellen Schaden für die Steuerzahler geäußert. Scheuer selbst sagte am Freitag den Zeitungen der Mediengruppe Bayern: "Ich kann den Unmut gut verstehen. Die Kritik nehme ich mir sehr zu Herzen." Über das gescheiterte Projekt ärgere er sich wohl selbst am allermeisten. Scheuer betonte aber auch, dass die Pkw-Maut "weder ein alleiniges CSU- noch ein Scheuer-Projekt" gewesen sei. "Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat und Bundespräsidenten haben die Gesetze vor meiner Zeit als Bundesminister verabschiedet." Seine Pflicht sei es gewesen, das Gesetz umzusetzen.
Schiek