Vorerst kein Diesel-Fahrverbot für Aachen – die Behörden müssen aber den Luftreinhalteplan für die Stadt überarbeiten. Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster muss das Land zeitnah einen neuen Plan mit aktuelleren Zahlen und korrekten Prognosen liefern. Der jetzige Plan für das Jahr 2019 sei rechtswidrig, weil mit fehlerhaften Prognosen und einer veralteten Datenbasis aus dem Jahr 2015 als Grundlage gearbeitet worden sei. Damit gab das Gericht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) als Klägerin Recht (Az.: 8 A 2851/18).
Sollten auf Basis dieser Planung dann im zweiten Schritt wieder die Grenzwerte nicht eingehalten werden, müsste die Aufsichtsbehörde auch ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge als Lösung vorsehen. Tut sie das nicht, muss ausdrücklich erklärt werden, warum ein Fahrverbot nicht infrage kommt. Dieser Hinweis gilt auch für die weiteren, in Nordrhein-Westfalen anhängigen 13 Verfahren. Darauf hat das OVG in seiner mündlichen Urteilsbegründung hingewiesen. Fahrverbote müssten immer verhältnismäßig sein. Das Gericht ließ Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu.
Der Vorsitzende Richter des 8. Senats am OVG, Max-Jürgen Seibert, appellierte an die DUH und die Landespolitik, auf Revision zu verzichten und gemeinsam nach Lösungen für die noch ausstehenden Klagen in NRW zu suchen. Dafür sehe er nach dem Verfahren gute Chancen. Beide Seiten hätten sich doch angenähert, und die DUH habe in anderen Bundesländern bewiesen, dass solche Lösungen möglich seien. "Wir gehen gerne auf die Landesregierung zu", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch nach dem Urteil.
In der mündlichen Verhandlung hatte der Senat bereits deutlich gemacht, in welche Richtung er tendiert. "Es macht keinen Sinn, bei geringer Überschreitung der Grenzwerte Fahrverbote auszusprechen, und nach einem halben Jahr, wenn das Ziel erreicht ist, muss das Verbot wieder aufgehoben werden", sagte Seibert. Für Autofahrer, die sich ein neues Fahrzeug kaufen mussten, sei das nicht hinnehmbar. Am Sinn von Grenzwerten habe das Gericht keinen Zweifel. "Grenzwerte sind geltendes Recht", sagte der Verwaltungsrichter. Behörden müssten nicht zwingend Fahrverbote anordnen. Aber sie müssten begründen können, warum sie es nicht tun.
Gericht sieht Schmerzgrenze
Und das Gericht signalisierte auch, wo es eine Schmerzgrenze sieht. Sollten die Grenzwerte von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel weiterhin mit mehr als 10 Prozent überschritten werden, seien Fahrverbote kaum mehr zu vermeiden.
Die Stadt Aachen hatte in der mündlichen Verhandlung berichtet, was zuletzt gemacht wurde, um die Werte einzuhalten. So waren Busse umgerüstet worden, und der Individualverkehr mit Autos sollte über eine bessere Lenkung zum Beispiel in die Parkhäuser minimiert werden. Die DUH kritisierte diese Maßnahmen als unzureichend. Zuletzt gab es an den Hauptbelastungsstellen in Aachen Messwerte von 49 bis 51 Mikrogramm pro Kubikmeter. Im Gegensatz zu den Stadtvertretern geht die DUH nicht davon aus, dass diese Werte kurzfristig sinken.
Überhöhte Stickstoffdioxid-Werte (NO2) sind der Grund für Fahrverbote für ältere Diesel in Stuttgart, Hamburg und Darmstadt. Auch Berlin will voraussichtlich noch in diesem Jahr in einigen Straßen Diesel-Fahrverbote verhängen. Andere Städte könnten folgen. (dpa)