Bundesjustizminister Heiko Maas hat den Vorwurf von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gekontert, er habe bei den Gesetzesplänen für schärfere Verbraucherrechte geschludert. "Frau Merkel und Herr Seehofer haben mit ihrer Blockade zu verantworten, dass die Musterfeststellungsklage auch den Autokäufern noch nicht zur Verfügung steht", sagte der SPD-Politiker am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Hätte sich die Union nicht verweigert, könnte das Instrument längst im Gesetzesblatt stehen.
Rückendeckung bekam Maas von den Grünen. Die Vorsitzende des Bundestags-Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, Renate Künast, warf CDU und CSU vor, seit Bekanntwerden des Dieselskandals entsprechende Initiativen immer wieder blockiert zu haben. "Kurz vor der Wahl behauptet Kanzlerin Merkel ohne rot zu werden, sie habe nichts gegen die Einführung kollektiver Klagerechte", sagte Künast der Deutschen Presse-Agentur. Ob Merkel das ernst meine, könne und müsse sie in der Plenarsitzung am 5. September beweisen.
Maas hatte Ende 2016 einen Gesetzentwurf für eine sogenannte Musterfeststellungsklage vorgelegt. Sie soll Klagerechte von Verbrauchern gegenüber Unternehmen - etwa geschädigter Diesel-Fahrer gegen den VW-Konzern - stärken. Dabei geht es auch um die Möglichkeit, dass etwa Verbraucherverbände stellvertretend für viele Kunden Schadenersatzansprüche geltend machen können. Maas' Entwurf liegt seit Dezember auf Eis. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sagte am Sonntagabend, schuld sei das Kanzleramt, das blockiere.
Nachbesserungen erwartet
CDU-Chefin Merkel entgegnete im ZDF, sie sei ebenfalls für Möglichkeiten einer "Sammelklage". "Aber die Vorlagen, die der Justizminister gemacht hatte, gehen so noch nicht. Wir hatten da sehr klar gesagt, an welchen Stellen wir Nachbesserungen erwarten", sagte sie. Es gebe bereits solche Klage-Möglichkeiten in der Finanzwelt. "Und das kann man adäquat auf die Fragen auch der Kunden von Autos überführen. Aber der Justizminister hat hier einen anderen Ansatz gewählt, jedenfalls in einigen Teilen", sagte Merkel. Dieser Debatte müsse sich die SPD stellen.
Nach Darstellung von Künast haben Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, Verkehrsminister Dobrindt (beide CSU) sowie das Kanzleramt verhindert, dass Maas einen entsprechenden Gesetzentwurf für eine Musterfeststellungsklage an Bundesländer und Verbände schicken konnte. Zudem habe die Unionsfraktion im Oktober 2016 in einen verbraucherpolitischen Beschluss festgehalten, dass für neue Instrumente kollektiver Rechtsdurchsetzung keinen Bedarf gesehen werde. Künast sprach von einem durchschaubaren und unseriösen Wahlmanöver.
Klagerechte von Verbrauchern stärken
Im Zuge der VW-Abgasaffäre wollte die Bundesregierung die Klagerechte von Verbrauchern gegenüber Unternehmen stärken. Dabei geht es um Musterklagen, bei denen etwa Verbraucherverbände stellvertretend für mehrere Kunden Schadenersatzansprüche geltend machen könnten. Die Gesetzesspläne für sogenannte Musterfeststellungsklagen befinden sich aber weiter in der Ressortabstimmung. Es gebe in einigen Punkten noch Dissens, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Schon im Oktober 2016 hatte das Bundesverkehrsministerium den Vorwurf zurückgewiesen, den Verbraucherschutz zu blockieren. Hintergrund waren Berichte, wonach die Pläne nicht mehr vor der Bundestagswahl Ende September 2017 zustande kämen und die Regierung trotz gegenteiliger Versprechen auf bedeutsame Verbesserungen beim Verbraucherschutz verzichte.
Diskutiert wird schon länger, dass sich Verbraucher bei gleich gelagerten Fällen zusammenschließen und gemeinsam klagen können. Solch eine Musterfeststellungsklage unterscheidet sich aber von Sammelklagen, wie sie in den USA mit dort oft sehr hohen Schadensersatzsummen üblich sind. Auch Verbraucherschützer machen sich für Musterfeststellungsklagen stark. (dpa)