Die Luftverschmutzung durch Diesel-Abgase ist trotz weiterer Verbesserungen 2018 noch in 57 deutschen Städten zu hoch gewesen. Der EU-Grenzwert für gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid (NO2) wurde damit in acht Städten weniger überschritten als im Jahr zuvor mit 65 Städten, wie das Umweltbundesamt (UBA) am Montag mitteilte. 2016 waren es noch 90 Städte gewesen. Der Trend gehe in die richtige Richtung, sagte Präsidentin Maria Krautzberger. Die bisherigen Maßnahmen für saubere Luft reichten aber nicht aus. Auch Umweltschützer forderten weitere Nachrüstungen älterer Diesel.
Die bundesweit höchste Belastung im vergangenen Jahr hatte Stuttgart mit 71 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Es folgten Darmstadt mit 67 Mikrogramm und München mit 66 Mikrogramm, die den Grenzwert von 40 Mikrogramm ebenfalls deutlich überschritten. Im Mittel lagen die Jahresmittelwerte an verkehrsnahen Messstationen rund 1,5 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft unter denen des Jahres 2017.
Überhöhte NO2-Werte sind Grund für Fahrverbote für ältere Diesel in Stuttgart, Hamburg und Darmstadt. Andere Städte - etwa Berlin - könnten folgen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte die Sperrungen vor Gericht erzwungen, es laufen noch weitere Verfahren. Die nächsten Gerichtsverhandlungen stehen laut DUH am 31. Juli zu Aachen, am 1. August zu Bonn und am 12. September zu Köln an. Die Belastung mit NO2 in Städten stammt zu einem großen Teil aus Diesel-Abgasen.
In 13 Städten, die 2017 noch über dem Grenzwert lagen, wurde dieser nun im Jahresmittel eingehalten. Dafür rutschten fünf Städte zurück in den problematischen Bereich, wie das UBA mitteilte: Leipzig, Ulm, Koblenz, Eschweiler in Nordrhein-Westfalen sowie Sindelfingen bei Stuttgart. Wie im Vorjahr lag die Belastung auch 2018 in 15 Städten bei mehr als 50 Mikrogramm. Sie gelten als "Intensivstädte", für die es besondere Hilfen der Bundesregierung gibt. Dortmund und Berlin sind neu dabei, Backnang (Baden-Württemberg) und Bochum liegen nun unter der Marke bei 49 beziehungsweise 48 Mikrogramm.
UBA-Präsidentin Krautzberger forderte, nötig sei eine schnelle Nachrüstung älterer Diesel mit wirksamen Katalysatoren, um den Grenzwert überall einzuhalten. Umwelthilfe-Geschäftsführer Jürgen Resch verlangte: "Die Bundesregierung muss die Hersteller endlich zu einer Hardware-Nachrüstung aller Schmutz-Diesel auf deren Kosten verpflichten." Nur so werde schnell saubere Luft erreicht. Die Zahl besonders belasteter Städte sei nicht wesentlich zurückgegangen.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sprach dagegen von einer deutlichen Verringerung der Städte mit Grenzwert-Überschreitungen. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass im vergangenen Jahr 1,1 Millionen Diesel-Pkw der neuen Abgasnorm Euro 6 zugelassen worden seien und alte Autos von der Straße kamen. Dies sei zusammen mit neuer Abgas-Software die wirkungsvollste Maßnahmen für bessere Luft.
Die Bundesregierung versucht unter anderem mit Förderprogrammen, die Luftverschmutzung in Städten zu senken und Fahrverbote zu vermeiden. Die deutschen Hersteller haben Updates der Motorsoftware älterer Diesel zugesagt. Zudem sollen Autobesitzer mit Prämien zum Kauf saubererer Wagen bewegt werden. Für Nachrüstungen der Abgasreinigung direkt am Motor hat die große Koalition die rechtlichen Grundlagen gelegt, sie sind für Pkw aber noch nicht angelaufen.
Bereits Ende Januar hatte das UBA auf Basis erster Daten mitgeteilt, dass die NO2-Belastung zurückgeht - als Folge etwa von Tempolimits, Verkehrsbeschränkungen, mehr neuen Autos, Software-Updates, aber auch wegen des Wetters. Überschreitet eine Stadt den Grenzwert, heißt das nicht, dass die Luft überall schlecht ist. Es zählt die Messstation mit dem höchsten Jahresmittelwert. Die Europäische Union hat Deutschland und fünf andere Staaten vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt, weil die Grenzwerte nicht eingehalten werden.
Prüfung der Messstationen abgeschlossen
Das UBA bekommt die NO2-Daten von den Umweltbehörden der Länder geliefert, die für die Messungen zuständig sind. Im November hatte das Bundesumweltministerium angekündigt, über den Tüv die Standorte der Stationen prüfen zu lassen. Diese Checks seien inzwischen abgeschlossen, sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Der Bericht werde voraussichtlich noch im Juni vorgestellt. Die EU-Richtlinie zum Aufstellen der Stationen gibt gewissen Spielraum.
Die FDP kritisierte erneut die Messmethoden. "Fahrverbote können nicht verhindert werden, solange der grüne Messwahnsinn in Deutschland weiter geht", sagte der Verkehrsexperte Oliver Luksic. Fraktionsvize Frank Sitta forderte, Messstellen nicht in nächster Nähe von Emissionsquellen aufzustellen, sondern dort, wo sie für ein größeres Einzugsgebiet repräsentativ seien.
Bei Feinstaub (MP10) wurde der Grenzwert 2018 nur an einer industrienahen Messstation überschritten. Dennoch sei die Belastung zu hoch und ein Risiko für die Gesundheit, teilte das UBA mit. Wenn man die strengeren Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Maßstab nehme, werde an 78 Prozent aller 374 Messstellen zu viel Feinstaub gemessen. Betroffen seien auch Kleinstädte und ländliche Gebiete. An 35 Tagen im Jahr darf die Belastung bei mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen, die WHO empfiehlt aber nur maximal drei Tage mit Werten oberhalb von 50 Mikrogramm. (dpa)
Erwin Tischler