Im Streit um die geplatzte Pkw-Maut erwägt der Bund eigene finanzielle Forderungen gegen die inzwischen gekündigten Betreiberfirmen. Derzeit werde geprüft, "ob die Bundesregierung Schadensersatzansprüche oder Anspruch auf Vertragsstrafen wegen Schlechtleistungen der Auftragnehmer geltend machen kann", heißt es in einer vom Verkehrsministerium veröffentlichten Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linke-Fraktion. Die Betreiber erklärten am Donnerstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur: "Ansatzpunkte für Schadensersatzansprüche seitens des Bundes sehen wir nicht."
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) steht unter Druck, weil er die Verträge zur Erhebung und Kontrolle der Maut mit den Betreibern Kapsch und CTS Eventim 2018 geschlossen hatte, bevor endgültige Rechtssicherheit bestand. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte die Maut Mitte Juni für rechtswidrig, direkt nach dem Urteil kündigte der Bund die Verträge. Daraus könnten nun finanzielle Forderungen der Firmen resultieren. Bisher sind weiterhin keine Ansprüche angemeldet worden, wie aus der Regierungsantwort mit Stand 5. August hervorgeht.
CTS Eventim und Kapsch erklärten, sie prüften derzeit, ob und in welcher Höhe sie Schadenersatzansprüche geltend machen würden. "Etwaige Forderungen werden wir zu gegebener Zeit gegenüber dem Auftraggeber artikulieren." Der Vertrag laufe noch bis 30. September und enthalte Schutzbestimmungen, die Vermögensschäden für die Betreibergesellschaft und ihre Gesellschafter vorbeugen sollten.
Noch weitere Verträge gestoppt
Neben den Betreiber-Verträgen stoppte der Bund laut der Antwort auch mehrere weitere Verträge und Ausschreibungen mit einem Volumen von insgesamt mehr als 67 Millionen Euro. Größter Posten mit rund 50 Millionen Euro ist eine inzwischen aufgehobene Ausschreibung für ein eigentlich geplantes Verfahren zur mobilen Maut-Kontrolle.
Das Ministerium listet eine Reihe von Streitigkeiten und Mängeln auf, die bei den Vorbereitungen der Betreiber festgestellt worden seien. In einer erbetenen zweiten Lieferung einer Feinplanungsdokumentation für die Maut-Erhebung seien etwa sieben "besonders kritische Defizite" aufgedeckt worden, 103 schwere und 246 leichte Defizite.
Kündigungsgründe habe es wegen einer Fristüberschreitung bereits gegeben. Ministerium und Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hätten sich aber "im Interesse einer erfolgreichen Projektabwicklung" zunächst um andere Gegenmaßnahmen bemüht. In einem Schreiben einen Tag vor dem EuGH-Urteil habe die Betreiberseite dann den Bund für Fehler der Feinplanungsdokumentation verantwortlich gemacht. Damit sei eine "gravierende Fehlvorstellung" über die vertraglichen Pflichten klar geworden, "die das Vertrauen des Auftraggebers in die ordnungsgemäße Vertragserfüllung im Ganzen" erschüttert habe.
Ob eine Seite nach der Kündigung der Verträge nun ein mögliches Schiedsverfahren beantragen wird, ist laut der Antwort offen. Auf Regierungsseite gebe es aktuell keine Überlegungen dafür. Gespräche über eine gütliche Einigung seien ebenfalls nicht geplant. Dem Bund hätten die Auftragnehmer bisher keine Kosten in Rechnung gestellt. Im Bundesetat fielen aber insgesamt schon mehr als 50 Millionen Euro an Kosten für die Vorbereitung der Maut an - etwa für Gutachten und Beratung. (dpa)