Von Ralf E. Krüger, dpa
Matthias Boddenbergs Stolz steht direkt neben dem Eingang: zwei solarbetriebene Ladesäulen für E-Autos. "Vorige Woche kam jemand vorbei und bat darum, seinen Wagen hier aufladen zu dürfen", sagt der Leiter der Deutschen Industrie- und Handelskammer für das Südliche Afrika. Ihre Repräsentanz in Johannesburg ist eine Art Geheimtipp für Fahrer von E-Autos. Denn in der südafrikanischen Millionenmetropole gibt es sonst nur drei derartige Stationen. Ihre Zahl ist so bescheiden, weil auch die Zahl der E-Autos überschaubar ist.
Auf 275 Fahrzeuge schätzt Nico Vermeulen sie in Südafrika - einem Land, das immerhin fast dreimal so groß wie Deutschland ist. "Wir hinken Europa wahrscheinlich zehn Jahre hinterher", sagt der Chef des einflussreichen Verbands der Automobilhersteller Südafrikas (Naamsa). Immerhin verkaufen BMW und Nissan schon die ersten E-Autos in dem Kap-Staat, der trotz eines kaum einprozentigen Anteils an der weltweiten Automobilproduktion als eine Art Testmarkt für alle großen Hersteller der Welt gilt - Chinesen inklusive.
In einem Land, in dem trotz vieler Sonnentage auch die Solarenergie erst allmählich in größerem Maßstab genutzt wird, sind E-Autos bisher noch Exoten auf den Straßen. Südafrikas Pendant zum ADAC, die Automobile Association (AA), weist seine Mitglieder darauf hin, dass die Regierung bisher noch keinen wie auch immer gearteten Hinweis auf irgendeinen Diesel-Bann jetzt oder in der Zukunft gegeben hat. Südafrika könnte aber in die E-Mobilität gezwungen werden, warnt die Verbraucherorganisation ahnungsvoll, sollten keine Dieselautos mehr von den Herstellern angeboten werden.
E-Mobilität ist in Afrika ein fernes Ziel
Denn in Europa sollen ältere Diesel-Fahrzeuge vor allem wegen der hohen Stickoxid-Werte von den Straßen verbannt werden. Volkswagen etwa verspricht Neuwagenkäufern ähnlich wie auch BMW, Daimler, Ford und Toyota dafür eine Art Abwrackprämie. Doch die E-Mobilität ist in Afrika ein fernes Ziel, für das es in den oft bitterarmen Staaten weder finanzielle Anreize noch eine Infrastruktur gibt. Die Realität auf den Straßen zwischen Nigerias Wirtschaftsmetropole Lagos im Westen und Mosambiks Hauptstadt Maputo im Osten ist oft ernüchternd.
Die ohnehin schlechte Luft in Afrikas Großstädten wird nicht nur durch ausrangierte Gebrauchtwagen aus Europa, Japan oder den USA, sondern oft auch minderwertigen Diesel verschmutzt, fand im Vorjahr die Schweizer Nichtregierungsorganisation Public Eye heraus.
Naamsa-Chef Vermeulen hält es zudem für wahrscheinlich, dass nun noch mehr der aus dem Verkehr gezogenen Diesel-Fahrzeuge auf dem Schwarzen Kontinent landen könnten: "Die werden ihren Weg nach Afrika finden", meint er. "Das wird sich in absehbarer Zukunft kaum ändern, da Afrikas Verbraucher erschwingliche Mobilität suchen", sagt Vermeulen. Für ihn ist klar: "Es ist unwahrscheinlich, dass E-Autos mittel- oder langfristig in Afrikas Märkten signifikante Bedeutung erlangen."
Der nächste große Absatzmarkt
Trotz dieser Hürden bringen sich die großen Konzerne dieser Welt jedoch auf dem Kontinent in Stellung; denn er gilt als der nächste große Absatzmarkt der Zukunft. Der Volkswagen-Konzern etwa gründete im Juni erst eine neue "Sub-Sahara-Region", die 49 afrikanische Staaten mit 920 Millionen Menschen zu einem enormen Markt bündelt. "Afrika ist noch einer der weißen Flecken auf der Volkswagen-Landkarte; doch die Region bietet enormes Potenzial, um das Mobilitätsbedürfnis einer aufsteigenden Mittelklasse zu erfüllen", sagt Südafrikas VW-Chef Thomas Schäfer.
Dabei geht es neben Absatzmärkten auch um Mobilitätskonzepte. Zum Jahreswechsel will Volkswagen in Ruanda dazu ein Konzept umsetzen, das App-basierte Dienstleistungen wie Carsharing anbietet. Dazu soll in der Hauptstadt Kigali eine lokale Fahrzeugfertigung errichtet werden, um den Autobedarf für das integrierte Mobilitätskonzept zu decken. Ruanda mit seiner jungen, urbanen Gesellschaft gilt als Vorreiter für neue Mobilitätslösungen.
"Es gibt ein Potenzial für elektrische Fahrzeuge in Afrika", glaubt der südafrikanische VW-Sprecher Matt Gennrich, "vor allem in Ländern mit Strom aus Wasserkraft." Allerdings meint auch Gennrich, dass dazu erst einmal die Rahmenbedingungen stimmen müssen.
hwb