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Fahrbericht Porsche 718 Boxster/Cayman GTS 4.0: Die Letzten ihrer Art

26.02.2020 06:00 Uhr
Alte Schule: Sechszylinder-Boxermotor ohne Turbo. Ein Hoch auf den Saugmotor.
© Foto: Porsche

Was die neuen GTS-Varianten von 718 Boxster und 718 Cayman zu etwas Besonderem macht, ist ihr spezielles Antriebskonzept – weil es mittlerweile zu einer Rarität geworden ist.

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Von Stefan Anker/SP-X

Es gibt so Autos, über die will man gar nicht so viel wissen – man will sie einfach nur fahren. Für den neuen Porsche 718 Cayman GTS 4.0 gilt das im Grundsatz auch, nur eine Spur modifiziert: Weil man etwas Entscheidendes über den Wagen weiß, muss man ihn unbedingt einmal fahren.

Es wartet die Rennstrecke von Estoril, wo früher der Große Preis von Portugal ausgetragen wurde. Formel 1 ist der neue Porsche nun nicht gerade, aber er geht vom technischen Grundkonzept in die Richtung: Mittelmotor, die reine Lehre des Motorsports, jedenfalls in allen Formel-Serien. Wenn der Motor nicht vorn sitzt und nicht ganz hinten, wie im Porsche 911, sondern zwischen Vordersitzen und Hinterachse, dann ist extrem dynamisches Handling ein Teil des Produktversprechens. Und im Cayman GTS 4.0 kommt noch eine weitere Verheißung dazu: Der Motor scheint direkt aus der guten alten Zeit zu kommen, als die Kinder freitags noch in die Schule gingen.

Sechs Zylinder im Boxer-Prinzip, also je drei einander gegenüber liegend, dazu vier Liter Hubraum und vor allem: kein Turbolader. Kein Turbolader, wie bei praktisch jedem modernen Sportwagen, auch die Mehrzahl der schnittigen Porsche-Modelle fährt mit Turbo. Der Cayman GTS nicht. Bei diesem Modell hat sich Porsche noch einmal, vielleicht ein letztes Mal, für den Saugmotor entschieden, auch wenn das dem Benzinverbrauch wenig zuträglich ist. Ein mutiger Schritt, schließlich gelten die CO2-Grenzwerte ja auch für die Porsche-Flotte. Der Kohlendioxidausstoß des Cayman GTS 4.0 und der identisch ausgerüsteten Roadster-Variante Boxster GTS 4.0 erklimmt denn auch eine Höhe, die etwas jenseits der politischen Korrektheit liegt: 246 Gramm pro Kilometer, Effizienzklasse G. Man könnte auch sagen: Sechs, setzen.

Wenn, ja wenn es nicht so unglaublich schön wäre, diesen Motor zu starten, seinem sonoren Leerlaufklang zu lauschen und dieses durch nichts verzögerte Ansprechverhalten zu genießen. Was bedeutet schon ein Normverbrauch von 10,8 l/100 km, wenn jeder Millimeter, den der rechte Fuß sich vorwärtsbewegt, mit sofortiger und heftig spürbarer Beschleunigung quittiert wird? Und ist es nicht auf eine herrliche Weise altmodisch, das maximale Drehmoment von 420 Newtonmetern erst nach dem Orgeln auf 5.000 Umdrehungen zu erreichen? Damit hat der Cayman GTS auf dem Papier kaum mehr Kraft als ein braver Zweiliter-Turbodiesel, aber am Ende des Drehzahlbandes, bei 7.000 Touren, stehen eben auch 400 PS Leistung an und nicht bloß 150.

Natürlich ist das unvernünftig, aber es hat ja auch keiner behauptet, dieser Wagen sei dafür da, die Kinder zur Schule zu bringen. Er ist ein Spielzeug. "So ein Auto kauft man, wenn man sich für etwas belohnen will", sagt Frank-Steffen Walliser, der Chefingenieur für alle Porsche-Sportwagen, "man erfüllt sich damit einen Traum."


Porsche 718 Boxster/Cayman GTS 4.0 (2021)

Porsche 718 Boxster/Cayman GTS 4.0 (2021) Bildergalerie

293 km/h schnell ist dieser spezielle Traum, und am Ende der sehr langen Zielgeraden von Estoril hat man so 230, 240 Sachen auf dem Tacho. Es bleibt aber nicht viel Zeit, das genauer abzulesen, denn jetzt will hart gebremst und in den dritten Gang gewechselt werden. Die Bremsen waren immer eine Stärke von Porsche, sie sind es auch hier, die Sechsgangschaltung macht einen exakten Job, während die Motorelektronik das Herunterschalten mit automatisch eingeleiteten Zwischengasstößen begleitet.

Der Rest des Kurses fordert das neu abgestimmte Fahrwerk heraus, Estoril bietet viele teils enge Kurven. Hier kommt die Tieferlegung des Autos um 20 Millimeter genauso zum Tragen wie die Mischbereifung – hinten sind die serienmäßigen 20-Zoll-Räder mit 295, vorn mit 265 Millimeter breiten Reifen bestückt. Diese Konfiguration erhöht den Grip auf der Hinterachse sowie die Lenkpräzision, und den Rest übernimmt neben dem Talent des Fahrers die eingebaute Elektronik. PASM (Porsche Active Suspension Management) passt die Arbeit jedes einzelnen Federbeines jederzeit an die Fahrsituation an; PTV (Porsche Torque Vectoring) gibt bei Bedarf einen kurzen Bremsimpuls an das kurveninnere Hinterrad, gleichzeitig leitet die mechanische Quersperre mehr Antriebskraft an das kurvenäußere Hinterrad, so dass sich im Endeffekt das Auto präziser lenken lässt und es auch beim Herausbeschleunigen aus Kurven souverän auf der Straße liegt. Vor allem aber geben die GTS-Varianten von Cayman und Boxster dem Fahrer das, was er auf einer Rundstrecke mit einem 400 PS starken mehr als 80.000-Euro-Spielzeug am meisten benötigt: Vertrauen.

Oberhalb des Modells GTS 4.0 rangiert beim Boxster noch die Spyder-Variante, beim Cayman ist es der GT4. Beide mit 420 PS und noch schärferer Abstimmung. "Den GT4 hatten wir immer auf dem Schirm", sagt Sportwagen-Chef Walliser, "es war klar, dass der kommt. Aber ich habe sehr darauf gedrängt, dass der Spyder dieselbe Technik erhält." Damit war in der gesamten 718-Plattform Platz für den vier Liter großen Sechszylinder, was letztlich den Weg auch für die GTS-Modelle frei gemacht hat.

Größter GTS-Markt bei den Sportwagen ist Deutschland

Sie pflegen bei aller dynamischen Präsenz einen weniger rennsport-ähnlichen Auftritt, sondern kommen vergleichsweise edel daher. Leder, Alcantara, gebürstetes Aluminium, dezente schwarzlackierte Zierteile außen, es ist fast schon Understatement, was die GTS-Sportwagen betreiben, nur auf hohem Niveau, auch preislich. Konkurrierende Auto von Audi, Mercedes und BMW sind jedenfalls leichter zu finanzieren. Größter GTS-Markt bei den Sportwagen ist Deutschland, Walliser erwartet für die 718-Reihe einen GTS-Anteil von 15 Prozent. Die USA seien da "etwas preissensibler", und in China würden die GTS-Modelle gar nicht erst angeboten, dort verkauften sich vor allem die Basismodelle mit dem Zweiliter-Vierzylinder und Turbolader. "Sie sind das Rückgrat der Baureihe."

Der GTS 4.0 mit seinem Sechszylinder ist aber kein Brot-und-Butter-Porsche, sondern ein Angebot für die Sportwagen-Puristen. Sie hatten mit dem Auslaufen des stets sechszylindrigen und turbofreien Vorgängermodells vor vier Jahren schon befürchtet, einen solchen Motor werde es bei Porsche nur noch in den weit teureren GT3-Modellen des 911 geben. Die letzten Exemplare der alten Boxster/Cayman-Generation waren daher sehr gefragt und erzielen auch gute Gebrauchtpreise, wenn sie denn angeboten werden. Das sei bei praktisch jedem Modellwechsel der Normalfall, sagt Frank-Steffen Walliser. "Wir haben kein Auslaufproblem und müssen daher auch keine rabattierten Sondermodelle mit Aufklebern machen."

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