Der Ford Focus hat es nicht leicht. In der deutschen Zulassungsstatistik hat die Konkurrenz den Kompaktwagen zuletzt abgehängt. Und auch im markeneigenen Ranking reicht es nur noch ganz knapp für Rang zwei zwischen den SUV Kuga und Puma. Für die zweite Lebenshälfte hat Ford die vierte Generation seines als Limousine und Kombi erhältlichen Allrounders daher noch einmal kräftig aufpoliert. Das frisch geliftete Modell steht nun zu Preisen ab 28.250 Euro im Handel.
Bei der Weltpremiere im Jahr 2018 war der vierte Focus noch angetreten, VW Golf und Opel Astra an der Segmentspitze zumindest unter Druck zu setzen. Stattdessen hat er zuletzt auch ausländische Konkurrenten wie Seat Leon und Skoda Octavia passieren lassen müssen. An den Kernqualitäten des Fünftürers liegt das nicht: Das agile Fahrwerk, eine umfangreiche Sicherheitsausstattung und ein faires Preisniveau zählen auch nach der Überarbeitung zu den Vorzügen der Baureihe. Dazu kommen einige kleinere Neuerungen. Etwa beim Design: So wandert das Pflaumenlogo von der Motorhaube in den Kühlergrill, was diesem den Charakter eines geöffneten Haifischmauls nimmt und damit seine bisherige Aggressivität etwas abmildert. Neu sind auch die Scheinwerfer, die immer mit LED-Technik kommen und auf Wunsch auch Matrix-Licht bieten.
Stärker fallen die Änderungen im Innenraum aus. Anstelle des kleinen Zentralbildschirm des Vorgängers prangt auf dem Armaturenbrenn nun ein echtes Breitwand-Exemplar, das sich über die komplette Mittelkonsole zieht. Über das Display läuft nun auch die Klimabedienung, was zwar einigermaßen intuitiv, aber längst nicht so ablenkungsfrei wie über konventionelle Knöpfe funktioniert. Wichtiger ist aber die Software hinter dem Glas, die nun auch Updates per Funk erlaubt. Über die Mobilfunkverbindung werden nun auch die Daten des Navigationssystems empfangen – statt im Auto selbst erfolgt die Berechnung nun in der Cloud.
Moderner und leistungsfähiger
Unterm Strich wirkt die neue Generation von Fords "Sync"-Infotainmentsystem deutlich moderner und leistungsfähiger als die Software im Vorgängermodell. Und auch die Sprachbedienung wirkt verständiger als zuletzt. Leistungsfähiger präsentieren sich darüber hinaus die Assistenzsysteme; der Totwinkel-Warner etwa gibt bei einem gefährlichem Spurwechselversuch einen Lenkimpuls in die richtige Richtung.
Ford Focus (2022)
BildergalerieAbgerüstet hat Ford hingegen bei den Motoren. Radikal gekürzt wurde vor allem beim Dieselprogramm: Einzige verbliebene Option ist der 88 kW / 120 PS starke 1,5-Liter-Motor in Kombination mit Achtgangautomatik. Die handgeschaltete Variante sowie die drei anderen Selbstzünder fallen weg – Ford verweist auf eine geringe Nachfrage. Das Benzinerprogramm umfasst weiterhin die bekannten 1,0-Liter-Dreizylinder, die es mit 74 kW / 100 PS und 92 kW / 125 PS ohne 48-Volt-Unterstützung sowie als Mildhybride mit Elektro-Hilfe und 92 kW / 125 PS oder 114 kW / 155 PS gibt.
Für eine kurze Testfahrt stand letzterer bereit, der unter dem typischen, leicht knurrigen Motorsound souveräne Fahrleistungen und vor allem einen guten Antritt im niedrigen Drehzahlbereich bietet. Wer mehr Power will, muss mit dem 206 kW / 280 PS starken Sportmodell ST Vorlieb nehmen, da die leistungsmäßig dazwischen angesiedelten 1,5-Liter-Turbobenziner nicht mehr verfügbar sind.
Zusammengestrichen hat Ford auch das Angebot an Ausstattungsvarianten: Komplett weg ist das preislich attraktive "Cool & Connect"-Modell, so dass das Portfolio nun mit dem bereits umfangreich ausgestatteten "Titanium"-Modell startet. Allerdings sind zeitweise nur Lagerfahrzeuge verfügbar, da die Produktion in Saarlouis aufgrund von Lieferengpässen stockt. Kunden müssen je nach Modell flexibel sein oder mit einer Wartezeit von sechs Monaten rechnen.
Das Ende ist in Sicht
Das Lifting vier Jahre nach Markteinführung wertet den Focus vor allem in Sachen Infotainment auf. An anderer Stelle merkt man jedoch, dass der Kompaktwagen keine große Zukunft in der neuen Ford-Welt mehr haben wird. Eine Elektroversion gibt es genauso wenig wie einen Vollhybriden oder einen Plug-in-Hybrid – obwohl die zwei Antriebe für den technisch eng verwandten Crossover Kuga zu haben sind. So muss der Focus die letzten vier Jahre seines Produktlebens mit Verbrennern bestreiten, bevor er wohl 2026 aus dem Programm fliegt und durch einen E-Crossover auf Basis von Volkswagens MEB-Architektur ersetzt wird. Focus-Fans sollten sich also nicht mehr allzu viel Zeit mit einem Kauf lassen.
Harald Vorbauer