Von Andreas Hoenig und Jan Petermann/dpa
In der großen Koalition und im VW-Aufsichtsrat wird die Debatte über mehr Hilfen für Dieselfahrer neu angeheizt. Aus der SPD kommen Forderungen, die Politik müsse mit den Autobauern über die Kostenübernahme von Hardware-Nachrüstungen alter Fahrzeuge hart verhandeln. Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) spricht sich für ein größeres Entgegenkommen gegenüber Kunden aus.
Konzerne in der Pflicht
Die Verkehrsexpertin der SPD-Bundestagsfraktion, Kirsten Lühmann, sagte der Deutschen Presse-Agentur, umfangreiche Umbauten an Motor oder Abgasanlage von Autos mit hohem Schadstoffausstoß seien nach wie vor ein Thema. "Ich bin verwundert, dass Bundeskanzlerin Merkel und Bundesverkehrsminister Scheuer offenbar die Automobilherstellenden nun ohne Not aus der Verantwortung entlassen." Die Sozialdemokraten sähen auch nach der Kabinettsklausur in Meseberg weiter die Konzerne in der Pflicht, Hardware-Nachrüstungen bei Dieselwagen vorzunehmen.
Althusmann, der Kontrolleur bei VW ist, äußerte Verständnis für den Wunsch vieler Verbraucher nach Unterstützung. Die Hersteller müssten noch mehr auf die Dieselfahrer zugehen, sagte der Unionspolitiker im Deutschlandfunk. Kunden dürften nicht Fehler der Konzerne bezahlen.
"Das geht natürlich nicht", sagte Althusmann. "Hier muss man ein wenig mehr Bereitschaft zeigen, auch gemeinsam mit Bund und Ländern nach Lösungen zu suchen, wenn es beispielsweise um den Fonds geht, in den Industrie und Bund einzahlen sollen." An dem Fonds wollen sich ausländische Autobauer nicht beteiligen. Hardware-Änderungen lehnen alle Hersteller bisher als zu teuer und technisch zu aufwendig ab.
Lühmann forderte, nach der Ablösung von Matthias Müller durch Herbert Diess an der VW-Spitze müsse es "ernsthafte und harte" Gespräche über von den Autobauern bezahlte Nachrüstungen geben. Merkel und Scheuer müssten sich des Themas annehmen: "Als Entscheidungsgrundlage muss das Ergebnis der Expertengruppe zu den technischen Nachrüstungen endlich vom Verkehrsministerium öffentlich gemacht werden."
Ergebnis zu Umbauten bald erwartet
Merkel hatte sich skeptisch zu umfangreichen Umbauten an Dieselautos gezeigt, ebenso zuvor Scheuer. Die Bundesregierung wertet noch verschiedene Gutachten zu Hardware-Nachrüstungen aus, in den nächsten Wochen soll es ein Ergebnis geben. "Aber was man schon sagen kann, ist, dass auf jeden Fall Nutzen und Kosten in einem vernünftigen Verhältnis sein müssen, und diese Hardware-Nachrüstung ist ja relativ kostenintensiv", sagte die Kanzlerin. Die Autobranche habe zugesagt, Software-Updates in der Abgasreinigung bis Ende 2018 abzuschließen.
Aus Sicht von Umweltverbänden reicht das Aufspielen neuer Programme nicht aus, um die Emission gesundheitsschädlicher Stickoxide genug zu senken. In vielen Städten werden Schadstoff-Grenzwerte überschritten, Dieselautos sind ein Hauptverursacher. Es drohen deshalb Fahrverbote.
Althusmann: Dieselfahrer-Probleme ernst nehmen
VW-Aufseher Althusmann räumte ein, die Probleme der Dieselfahrer müssten ernster genommen werden: "Ich kann die Empörung vieler Menschen verstehen." In der Frage möglicher Hardware-Umbauten gelte es, weitere, genauere Prüfungen zu unternehmen. "Was kosten die tatsächlich? Es hängt auch mit Genehmigungsprozessen, Auswirkungen auf den Motor, Garantien zusammen."
Die Berufung des bisherigen Kernmarken-Chefs Diess an die Konzernspitze von VW sei ein wichtiger Schritt gewesen. "Ich denke, dass es auch so etwas wie ein Befreiungsschlag war, zweieinhalb Jahre nach der Diesel-Affäre Strukturen neu zu ordnen", sagte Althusmann im Deutschlandfunk. VW sei in seiner bisherigen Gliederung "sehr breit aufgestellt" gewesen. Das Thema Vernetzung von Fahrzeugen etwa beim neuen Vorstandschef Diess anzusiedeln, sei sinnvoll.
Volkswagen wird unter anderem in die drei Markengruppen "Volumen", "Premium" und "Super Premium" aufgeteilt. Diess koordiniert zudem die Themen Fahrzeug-IT und Entwicklung. (dpa)
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