Volkswagen setzt stärker auf E-Autos als bisher: Den tiefgreifenden Wandel der Branche will der weltgrößte Autobauer mit zusätzlichen Milliarden-Investitionen in Elektro-Mobilität bewältigen, die höher ausfallen als erwartet. In die Entwicklung von E-Autos, autonomes Fahren, neue Mobilitätsdienste und Digitalisierung sollen von 2018 bis 2022 mehr als 34 Milliarden Euro fließen, sagte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch am Freitag in Wolfsburg nach Beratungen der VW-Kontrolleure.
Der Löwenanteil sei für die "Roadmap E" bestimmt, erklärte Konzernchef Matthias Müller. Außerdem solle der Standort Zwickau zum reinen E-Auto-Werk werden. Insgesamt plant VW nach Konzernangaben in den nächsten fünf Jahren mit Investitionen von mehr als 70 Milliarden Euro.
Die Investitionspläne kämen "einem Kraftakt gleich", sagte Müller. Gleichzeitig betonte er: "Das Auto wird gerade neu erfunden." Ab 2019 solle in Zwickau die ID-Modellfamilie vom Band rollen, dazu kämen E-Autos von Audi und Seat. Die Konzernmarke Skoda werde zwei E-Varianten in Tschechien bauen. "Die Zukunft der E-Mobilität wird ganz wesentlich in Deutschland gemacht. Volkswagen steht zum Standort."
80 neue Modelle mit E-Motor
Müller hatte zuvor noch angekündigt, dass VW die Investitionen in die Elektromobilität bis 2030 auf 20 Milliarden Euro hochfährt. Bis 2025 bringen die Konzernmarken insgesamt über 80 neue Modelle mit E-Motor auf den Markt, darunter rund 50 reine E-Autos und 30 Plug-in-Hybride. Bis 2030 solle die gesamte Modellpalette elektrifiziert werden. Darüber hinaus sollen in China in den nächsten sieben Jahren mit Partnern zehn Milliarden Euro in die E-Mobilität gesteckt werden.
Nach Angaben von Betriebsratschef Bernd Osterloh sollen im Gegenzug für die E-Auto-Produktion in Zwickau die bisherige Passat-Produktion ab 2018 nach Emden und die Golf-Familie mit der neuen Fahrzeuggeneration - dem Golf 8 - komplett nach Wolfsburg verlagert werden. In die geplante Batteriezellforschung in Salzgitter sollen 200 Millionen Euro fließen. Über eine Milliarde Euro fließe ins sächsische Zwickau. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der auch im Aufsichtsrat des Autobauers sitzt, ergänzte, die Entwicklung der E-Autos bleibe in Wolfsburg. Später werde die E-Fertigung auch in anderen Werken ausgerollt.
Trotz der Investitionen in E-Mobilität: Die Investitionsquote im Segment Automobile solle künftig auf sechs Prozent sinken, kündigte Müller an. Was bedeutet das? 2016 hatte Volkswagen eine Forschungs- und Entwicklungskostenquote von 7,3 Prozent ausgewiesen. Das bedeutet, dass der Anteil der Forschungsausgaben am Umsatz im Segment Automobile - wo die Erlöse im vergangenen Jahr rund 186 Milliarden Euro betrugen - bei 7,3 Prozent lag, was rund 13,7 Milliarden Euro entsprach. Die Sachinvestitionsquote - also für Investitionen etwa in die Fabriken - lag 2016 bei 6,9 Prozent, das waren rund 12,8 Milliarden Euro. Auch diese Quote soll auf sechs Prozent sinken.
Investionspläne als Kraftakt
Mit den Investitionsplänen würden dennoch die Voraussetzungen geschaffen, Volkswagen bis 2025 zur "weltweiten Nummer Eins in der Elektromobilität zu machen", sagte Müller. Die Abgas-Affäre und die Krise des Dieselmotors generell machen Investitionen für VW allerdings zu einem Kraftakt. Allein die Beilegung des Skandals in den USA kostete die Wolfsburger über 25 Milliarden Euro.
Daher warnte Autoexperte Stefan Bratzel: "Für E-Mobilität Geld einzusetzen, ist eine Wette auf die Zukunft." Denn Elektromobilität oder autonomes Fahren sind teuer in der Entwicklung, zugleich müssen die klassischen Verbrennungsantriebe verbessert werden. Volkswagen peilt an, dass bis 2025 jedes vierte Fahrzeug des Konzerns batterieelektrisch angetrieben sein soll. Das könnten je nach Marktentwicklung bis zu drei Millionen E-Autos jährlich sein. Damit wird klar, dass Volkswagen zu dem Zeitpunkt eine Gesamtproduktion von bis zu 12 Millionen Fahrzeugen anpeilt - zuletzt waren es rund zehn Millionen.
Ministerpräsident Weil betonte, in den kommenden fünf Jahren seien Sachinvestitionen von zehn Milliarden Euro in Niedersachsen vorgesehen, wo mit rund 120.000 Menschen knapp ein Fünftel der VW-Beschäftigten arbeitet. Mut machte er den Mitarbeitern in Osnabrück: Im kommenden Jahr solle über eine eigene Modellreihe für die Produktion entschieden werden. Osterloh ergänzte, dies könne ein E-Auto oder möglicherweise ein Cabrio sein.