Beim Autokonzern Volkswagen droht wegen des Konfliktes mit einem Schlüsselzulieferer eine massive Ausweitung der Kurzarbeit. Insgesamt könnten davon mehr als 20.000 VW-Mitarbeiter betroffen sein, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag von mehreren mit der Sache vertrauten Quellen. In Emden hat VW bereits für 7.200 Mitarbeiter Kurzarbeit beantragt. Auch in Zwickau und Braunschweig prüft der Autobauer für die dort betroffenen Bereiche "vorsorglich die Beantragung von Kurzarbeit". Details waren am Donnerstag in der Zentrale in Wolfsburg nicht zu erfahren.
Der Auslöser der Probleme: Es fehlen wichtige Getriebeteile eines Zulieferers, mit dem VW einen Rechtsstreit hat. Final entschieden in Sachen neue Kurzarbeit ist in der Zentrale in Wolfsburg aber noch nichts, wie die dpa erfuhr. Allerdings liefen die Planungen auf Hochtouren.
Beantragen müsste VW die Kurzarbeit bei der jeweils für den Standort zuständigen Arbeitsagentur. Betroffen von der möglichen Ausweitung der Kurzarbeit seien Bereiche der Werke Wolfsburg, Kassel und Zwickau. Hintergrund ist auch dort die juristische Auseinandersetzung. Der Autobauer prüfe derzeit, welche Varianten mit der zusätzlichen Kurzarbeit möglich wären.
Ein schnelle Lösung des Streits ist nicht absehbar. Die juristische Auseinandersetzung um fehlende Getriebeteile geht am Landgericht Braunschweig erst am 31. August weiter - dann in einer mündlichen Verhandlung. VW hatte gegen den Zulieferer eine einstweilige Verfügung erwirkt. Da dies aber ohne mündliche Verhandlung geschah, hatte die Firma die Möglichkeit zum Widerspruch. Über den wird nun Ende August verhandelt, wann eine Entscheidung fällt, ist offen. Bis dahin dürfte die Lieferung der Getriebeteile aber ausfallen.
Ausfall in der Teilekette
VW leidet massiv unter dem Ausfall in seiner Teilekette: Das Passat-Werk in Emden hat schon Kurzarbeit angemeldet. Auch in Wolfsburg, Kassel und Zwickau droht Stillstand - zumindest in Teilen. Betroffen von den Getriebeengpässen ist der Golf, Deutschlands meistverkauftes Auto. Details nennt der Autobauer nicht.
Ohne das fehlende Getriebeteil könne VW Getriebe nicht ausliefern, wie der Sprecher des auf die Fertigung von Getrieben spezialisierten Werks Kassel, Heiko Hillwig, sagte. VW prüft demnach derzeit, ob dieses Teil auch von anderen Zulieferern bezogen werden kann. Bei Audi läuft einem Sprecher zufolge die Produktion ohne Einschränkung. Auch die Tochter Porsche ist einem Sprecher zufolge nicht betroffen.
Der Teilehersteller selbst wollte sich am Donnerstag nicht zu den Hintergründen äußern. "Unsere Unternehmensgruppe befindet sich in einer juristischen Auseinandersetzung mit Volkswagen und ist in diesem Zusammenhang auch zur Vertraulichkeit verpflichtet", sagte Alexander Gerstung aus der Geschäftsführung des Autozulieferers ES Automobilguss mit Sitz im sächsischen Schönheide.
Wirksamer Vollstreckungstitel
Das Unternehmen gehört zur Prevent-Gruppe und stellt unter anderem sogenannte Ausgleichgetriebegehäuse her. Seit November 2015 gehört die traditionsreiche Firma ES Automobilguss zu Prevent. Gegen eine Schwesterfirma von ES Automobilguss, die für VW Sitzbezüge herstellt, habe der Autobauer schon einen wirksamen Vollstreckungstitel, sagte ein Gerichtssprecher am Donnerstag. Bei dem Getriebeteil-Zulieferer sei das aber noch nicht der Fall.
Fraglich ist, was den Streit zwischen Deutschlands größtem Konzern und dem kleinen mittelständischen Partner derart eskalieren ließ, dass die Lage nun so verfahren ist. Hintergrund des Konfliktes ist nach dpa-Informationen aus Justizkreisen ein gescheitertes Projekt mit dem Sitzteil-Zulieferer, der ebenfalls in Sachsen beheimatet ist. (dpa)
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