Die bei Volkswagen kurz vor dem Auffliegen der Abgas-Affäre verschwundenen Daten sind laut Staatsanwaltschaft bisher kein Hindernis für die Strafverfolgung. "Wir sind im Moment relativ hoffnungsfroh, dass das unsere Ermittlungen nicht erschweren wird", sagte Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe am Donnerstag. "Wir gehen im Moment davon aus, dass wir keinen maßgeblichen Verlust erlitten haben." Die Dimension des Datenverlustes lasse sich unter anderem daher abschätzen, dass ein Teil der Informationen inzwischen zurückgegeben worden sei. Ziehe sagte, Zeugenaussagen und eigene Ermittlungsergebnisse hätten die Datenlöschung zutage gefördert.
Als Ergebnis leitete die Behörde gegen einen VW-Mitarbeiter ein neues Ermittlungsverfahren ein. Dabei geht es um den Anfangsverdacht der Urkundenunterdrückung und der versuchten Strafvereitelung. Darüber hatten zuerst NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" berichtet.
Nach dpa-Informationen wird im Zusammenhang mit dem Diesel-Skandal gegen 24 mutmaßlich Beteiligte ermittelt, gegen 17 davon wegen der Stickoxid-Software-Manipulationen, gegen 6 im Zusammenhang mit falschen CO2- und Verbrauchsangaben und nun gegen den Mitarbeiter, der für die Datenlöschung verantwortlich sein soll. Details zu dem Mann wollte Ziehe nicht nennen, es handle sich aber nicht um einen amtierenden oder früheren Vorstand.
Laut Ziehe werfen Zeugen dem Beschuldigten vor, im August 2015 - also wenige Wochen vor Bekanntwerden des Skandals - bei einer Besprechung Beteiligte "verklausuliert, aber deutlich genug" angewiesen zu haben, Daten verschwinden zu lassen. Sie seien aus dem VW-System gelöscht und auf Datensticks gepackt worden. Einige dieser Datenträger im Taschenformat seien wieder da. Auf Strafvereitelung und Urkundenunterdrückung stehen bis zu fünf Jahre Gefängnis.
Thema in dem Kontrollgremium von Volkswagen
Niedersachsens Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Olaf Lies sagte am Donnerstag, der Datenschwund sei bereits Thema in dem Kontrollgremium von Volkswagen gewesen. "Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst", sagte der SPD-Politiker. Details dürfe er nicht nennen.
Der Vizechef der FDP-Landtagsfraktion und Ex-VW-Aufsichtsrat Jörg Bode sagte, die Datenlöschung werfe ein neues Licht auf den Abgasskandal. Er kritisierte, dass die Sache in der im März vorgelegten VW-Erwiderung auf Aktionärsklagen nicht erwähnt würde.
Nach dpa-Informationen wird Volkswagen noch vor der Hauptversammlung am 22. Juni seine Strategie bis zum Jahr 2025 vorstellen. Dabei soll es auch um Lehren aus der Abgaskrise gehen. Zudem hat der Konzern die US-Kanzlei Jones Day mit der Aufklärung der Affäre betraut. Aus Rücksicht auf die Verhandlungen mit den US-Behörden und deren Ermittlungen legt VW zunächst keine Zwischenergebnisse dazu vor. Das soll frühestens zum Jahresende geschehen.
Rentenkassen fordern Sonderprüfung
Derweil ist klar, dass VW es auch mit Polizisten, Feuerwehrleuten, oder Lehrern aus New York zu tun bekommt - zumindest indirekt. Denn deren Rentenkassen haben in VW-Aktien investiert - und fordern nun eine Sonderprüfung der Abgas-Krise. Dafür haben sie einen Antrag für die VW-Hauptversammlung am 22. Juni eingereicht. Die VW-Aktien verloren in der Diesel-Krise heftig an Wert. Die Vorzugsaktien büßten teils gut 40 Prozent ein, aktuell liegen sie bei etwa 75 Prozent des Niveaus vor der Krise. (dpa)