Von Michael Gebhardt/sp-x
Die Zeiten ändern sich: Ging es in der Autoindustrie noch vor gar nicht allzu langer Zeit vor allem um die Themen schneller, stärker, sparsamer, stehen die Hersteller inzwischen geschlossen vor der Frage: Wie fahren wir morgen? Die Mobilität der Zukunft, da sind sich alle einig, ist eine andere als die, die wir heute kennen. Und statt Hubraum und PS-Zahlen, stehen andere Dinge im Fokus: Elektroantrieb, autonomes Fahren und Vernetzung. Vor allem letztere ist entscheidend, damit die vielen bunten Zukunftsvisionen, die gerade auch wieder auf der IAA (bis 24. September) zu sehen sind, überhaupt wahr werden können.
Wenn Autos irgendwann das Steuer übernehmen sollen, funktioniert das nur, wenn die Vernetzung stimmt: Das Fahrzeug muss nicht zwingend direkt mit der Umwelt verbunden sein; das lässt sich über Kameras, Radarsysteme und Lasersensoren im ersten Schritt ganz gut umschiffen. Aber es kann seinen Weg nur finden, wenn es weiß, wo es ist. Der Link zu hochauflösenden Karten und zentimetergenauen GPS-Systemen ist also unabdingbar – und mit ihr eine flächendeckende Hochgeschwindigkeits-Internet-Abdeckung. Und natürlich macht die Car-to-Car-Kommunikation den Ingenieuren das Leben ebenso leichter, wie die Verbindung zur Infrastruktur. Kennt das Auto alle freien Parkplätze in der Innenstadt, kann – es selbst oder mit Hilfe des Fahrers – direkt eine Lücke ansteuern ohne zigmal um den Block kreisen zu müssen. Und erst wenn das E-Mobil sich automatisch am Ziel eine Ladesäule reservieren kann, macht das Stromern richtig Spaß.
Aber auch das Carsharing funktioniert nur mit Vernetzung: Momentan geschieht die Kommunikation beispielsweise mit Car2go- und DriveNow-Fahrzeugen nur direkt zwischen Nutzer und Auto, später einmal könnten alle Carsharing-Teilnehmer eingebunden werden um etwa intelligente Fahrgemeinschaftem mit Personen, die ohnehin den gleichen Weg haben, zu bilden. Und natürlich steht auch das Entertainment bei den Herstellern ganz oben auf der Liste: Wer nicht mehr selber lenken muss, kann sich während der Fahrt den Film von gestern Abend zu Ende anschauen. Damit das Auto aber weiß, an welcher Stelle man aufgehört hat, muss es vernetzt sein. Mit dem Streaming-Dienst, dem Fernseher zuhause oder der Smartphone-Video-App.
Das alles steckt noch in den Kinderschuhen: Zwar lässt sich in den meisten Fahrzeugen ein Smartphone inzwischen ganz gut einbinden und vor allem die Premium-Hersteller bieten mittlerweile auch über Amazon Alexa oder ähnliche digitale Assistenten eine Verbindung zum eigenen "App-Universum" an. Per Sprachbefehl lässt sich so vom Küchentisch aus abfragen, wieviel Strom noch im Akku des E-Autos ist, und das Handy weiß, wo der Wagen parkt. Von einer vollvernetzten Welt, in der das Auto meinen Kalender kennt, selbstständig die beste Route zu den einzelnen Terminen ausfindig macht, mich bei Stau früher weckt und sich vielleicht sogar mit Lieferdiensten abspricht, die einem unterwegs noch die letzten Einkäufe ins Auto reichen, sind wir aber noch weit entfernt.
Zwei Probleme
Technisch wäre das meiste davon schon heute lösbar, doch hat die Industrie, neben der immer noch mangelnden Netzabdeckung, vor allem mit zwei Problemen zu kämpfen: Datenschutz und Datensicherheit. Alle vernetzten Systeme müssen bestmöglich gegen Hacker-Angriffe gesichert sein, ehe sie auch nur die Chance auf eine Serienreife haben. Greifen unbekannte ins Mediasystem ein und verstellen von außen das Radio, könnte man vielleicht noch darüber lachen. Spätestens bei der Vorstellung, dass auf Knopfdruck eines Cyber-Angreifers zig Autos auf der Autobahn eine 90-Grad-Rechtskurve machen, hört der Spaß auf.
Um solche Sicherheitslücken zu vermeiden, tun sich die Autobauer noch schwer, Vernetzungsexperten wie Facebook, Google und Co., die inzwischen auch teilweise auf der IAA vertreten sind, in ihre Systeme zu lassen. Zu offen sind deren Netzwerke, die schon heute einen ganzen Schritt weiter sind als die Autoindustrie. Google Maps meint zu wissen, wo ich hin will, und sagt mir schon beim Verlassen der Wohnung, wie lang die Fahrt dauert; Facebook ist sich sicher, mit wem ich mich befreunden möchte und Amazon kennt meine Shopping-Vorlieben ganz genau und kann mir gezielt das empfehlen, was mich interessiert. Und der Einkauf gelingt mit nur einem Klick, weil der Händler meine Adresse und die Kreditkartennummer sowieso schon hat.
Anders sieht es dagegen aus, wenn ein Autohersteller den Halter nach Informationen fragt: "Viele Kunden, die tagtäglich Bilder von sich bei Facebook posten, scheuen sich, ihre Fahrgestell-Nummer für unseren CarNet-Online-Dienst preiszugeben", ist aus VW-Kreisen zu hören. Die Menschen dahin zu bringen, ist für die Industrie aber unerlässlich: Schließlich stecken hinter all den schönen neuen Connectivity-Diensten auch neue und wahrscheinlich überlebenswichtige Geschäftsmodelle für die Autobauer.