Von Michael Specht/SP-X
Kopieren geht über Studieren. Ob Handtaschen von Prada oder Luis Vuitton, Polo-Shirts von Armani oder Ralph Lauren oder Uhren von Rolex oder IWC, sie alle gehören zu jenen Premiummarken, auf die Warenfälscher ein besonderes Auge geworfen haben. Es gibt Millionen von Billig-Kopien mit oft täuschend echtem Aussehen. Die meisten von ihnen kommen aus Asien.
Das Phänomen der Produktpiraterie bekommt immer häufiger auch der renommierte italienische Bremsenhersteller Brembo zu spüren. Deren Name ziert unter dem Markenlogo von beispielsweise Ferrari, Maserati, Nissan oder Pagan die Bremssättel vieler Sportwagen. Auch in der Tuning-Szene gilt es als cool, rot oder gelb lackierte Sättel von Brembo hinter den schicken Leichtmetallfelgen zu präsentieren. Brembo ist in hauptsächlich Erstausrüster für Mercedes-AMG, Porsche, Lamborghini, Corvette und andere mehr und stattet zu 100 Prozent den Motor GP (Motorrad-WM) sowie fast die gesamte Formel-1-Szene aus. Für viele motorsportbegeisterte Autofahrer ist der Name Brembo eine Ikone.
Solch ein Marken-Image ruft natürlich Produktfälscher auf den Plan. Zahlreiche Kleinbetriebe in China, Taiwan, Hong Kong, Macao, Thailand oder aus Südostasien fertigen mittlerweile Bremsenteile mit Brembo-Logo nach und bieten sie im Internet zu wesentlich günstigeren Preisen an. Der Fake-Markt hat sich für Brembo zum echten Problem entwickelt. "Wir machen uns Sorgen, dass gefälschte Produkte zunehmend auch in Europa auftauchen – mit entsprechenden Konsequenzen für die Sicherheit der Autofahrer", sagt Paolo Rezzaghi, der bei Brembo die Ermittlungen leitet.
Kopien scheitern oft bei Tests
"Bremsen sind sicherheitsrelevante Teile, die 100-prozentig funktionieren müssen, wenn es drauf ankommt. Kopien sind oft nicht mit kontrollierten Materialien gefertigt und ordnungsgemäß getestet und überprüft worden", sagt Mario Almondo, Chef von Brembo in China. Auf seinem Schreibtisch liegt ein konfiszierter Bremssattel, von einem Laien nicht von einem Original zu unterscheiden. Die Kopie durchlief die üblichen Tests bei Brembo – und versagte erwartungsgemäß. Risse zeigen dies überdeutlich.
"Der Handel mit gefälschten Waren ist längst ein Milliardengeschäft geworden", sagt Stefan Moritz, Regionaldirektor von MarkMonitor. Die Münchener Firma betreut Unternehmen weltweit bei Problemen mit der Produkt-Piraterie. Dem Internet kommt dabei die größte Rolle zu. "Die rasante Verbreitung sowie die sofortige globale Verfügbarkeit und Anonymität haben die Situation massiv verschärft", so Moritz, der neben den wirtschaftlichen Schäden für die Unternehmen auch deren Reputationsverlust sieht.
Am Stammsitz in Stezzano in Italien hat man bei Brembo bereits eine Art Task-Force ins Leben gerufen, die sich mit nichts Anderem beschäftigt, als Produktpiraterie zu verfolgen. Alles andere als ein leichter Job, und mit hohem Frustrationspotenzial gesegnet. Nicht jedes Mal sind Täter dingfest zu machen oder die Gesetzeslage in den betreffenden Ländern in Sachen Patentrecht und Markenschutz bietet den Fälschern Schlupflöcher. "So ist es durchaus ein Unterschied, ob der Brembo-Schriftzug nur als Aufkleber auf dem Bremssattel drauf ist oder per Lackierung aufgebracht wurde", sagt Paolo Rezzaghi.
Hoher Detektiv-Aufwand
Eigentlich ist Rezzaghi Patent-Ingenieur. Jetzt hat er 20 Mitarbeiter, die weltweit das Netz durchforsten. Manchmal entdeckte sein Team in einem Monat auf Online-Plattformen über 30.000 Angebote mit falschen Brembo-Produkten. Etwa jeweils zur Hälfte handelte es sich hier um Teile für Motorräder und Autos. Dass der Detektiv-Aufwand enorme Kosten verursacht und sehr viel Energie abverlangt, ist zwar ärgerlich für das Task-Force-Team, vielmehr stört Paolo Rezzaghi jedoch der "unfaire Wettbewerb". Dennoch: Auch eine Reihe von Erfolgen kann der Patent-Ingenieur vermelden. Teilweise reichten die Ermittlungen bis in kleine Hinterhofwerkstätten oder Autoteile-Shops in China oder den Phillipinen, die daraufhin in Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden und der Polizei stillgelegt wurden. Schwierig wird die Sache, wenn kriminelle Organisation dahinterstecken und über diverse Zwischenhändler und verschachtelte Importwege der Produzent nur noch sehr schwer zu ermitteln ist.
Gefälscht wird im Automobilbereich so gut wie alles. Das reicht von Scheibenwischern und Rückleuchten und geht über Felgen und Tuning-Zubehör bis hin zu Kraftstoff- und Luftfiltern. "Zu den Bestsellern aber gehören nach wie vor die Bremsen", sagt Moritz, und bringt die Produkt-Piraterie auf den Punkt: "Wenn ein Teil nachgemacht werden kann, dann wird es nachgemacht."
Um Kunden vor Billig-Kopien zu schützen haben beim Brembo alle Teile aus der Racing- und High-Performance-Serie grundsätzlich versiegelte Nummernkarten beiliegen. "Im Internet kann der Käufer dann abgleichen, ob Nummer und Teil zusammenpassen. Ist dies der Fall, ist das Teil echt", sagt Rezzaghi, und weist noch auf ein weiteres Kriterium hin: "Brembo-Bremssättel gibt es nie als Einzelteil zu kaufen, sondern nur als kompletten Kit. Wird einem lediglich der Sattel angeboten, besteht die Gefahr, dass es sich hier um ein Fake-Produkt handelt." Auch bei Verdacht, dass der Händler kein von Brembo autorisierter Vertragspartner ist, kann vom Käufer schnell auf der Brembo-Onlineseite geprüft werden. Dort reichen ein paar Klicks, um festzustellen, ob der eigene Wagen oder das eigene Motorrad überhaupt mit einem Brembo-Bremskit umgerüstet werden kann. Rezzaghi: "Fehlt der Fahrzeugtyp in der Liste, Finger weg von dem Set!" MarkMonitor-Mann Stefan Moritz warnt generell davor, Ersatzteile im Internet über dubiose Adressen zu bestellen. "Der Online-Kauf verlangt eine gute Portion Skepsis."