In der juristischen Aufarbeitung der Übernahmeschlacht zwischen der Porsche-Holding PSE und Volkswagen kommt ein neuer gerichtlicher Schauplatz hinzu. Das Landgericht Braunschweig überwies am Mittwoch einen milliardenschweren Fall (Az.: 5 O 552/12) an Kartellrechtsexperten am Landgericht Hannover. Die Klägerseite wertet das als Erfolg – die PSE wehrte sich vergeblich.
Nach Überzeugung der 5. Zivilkammer in Braunschweig müssen spezialisierte Richter über die Materie entscheiden, die sich auch um Marktmacht in der Finanzwelt dreht. Von den bis am Mittwoch sechs in Braunschweig anhängigen Klagen ist das überwiesene Verfahren das einzige, das neben dem Vorwurf der Marktmanipulation zusätzlich auch mit Kartellrechtsaspekten argumentiert. Eine Landgerichtssprecherin sagte, es sei theoretisch möglich, dass die Kläger der übrigen fünf Verfahren diese Taktik kopierten und ihre Klageschriften ergänzten.
Ein Sprecher der Klägerseite begrüßte den Wechsel nach Hannover, da damit offensichtlich "erhebliche kartellrechtliche Aspekte" als gegeben erscheinen. In Hannover können nun beide Säulen der Klage verhandelt werden: "Die Marktmanipulation durch Veröffentlichung einer bewusst irreführenden und sachlich falschen Pressemitteilung am 26. Oktober 2008 und der heimliche Aufbau einer marktbeherrschenden Stellung in VW-Stammaktien sowie des Missbrauchs dieser Position."
Die Gegenseite wehrte sich mit drei insgesamt rund 30 Seiten starken Schriftsätzen gegen den Wechsel. Ein PSE-Sprecher sagte am Mittwoch: "Wir nehmen die Entscheidung des Landgerichts Braunschweig zur Kenntnis, enthalten uns aber jeglicher Kommentierung."
Es geht um knapp zwei Milliarden Euro
Das nun nach Hannover abgegebene Verfahren kreist um fast zwei Milliarden Euro Schadenersatzforderungen von Anlegerseite und ist damit der dickste Brocken unter den bisher sechs in Braunschweig anhängigen Fällen. Der Ortswechsel ist für die PSE eine ärgerliche Verzögerung – sie will alle Fälle endlich verhandelt sehen und betont von Anfang an, dass alle Vorwürfe unbegründet seien.
Hintergrund des juristischen Streits ist der schon etwa vier Jahre zurückliegende Übernahmekampf von Porsche gegen VW. Die Schwaben hatten sich bei dem Angriff verhoben und die Börse spielte zeitweise verrückt. Anleger sehen sich nun rückblickend fehlinformiert.
Die Entscheidung ist auch von Bedeutung für Volkswagen, da die PSE trotz des gescheiterten Übernahmekampfs noch der VW-Mehrheitsaktionär ist. In einem Burgfrieden hatten sich die einstigen Konkurrenten zusammengerauft und das Porsche-Sportwagengeschäft in zwei Schritten als neue Marke unter VW-Dach gestellt. Das verschaffte der einst hoch verschuldeten PSE wieder Luft. Sie will künftig mit ihren VW-Dividendenansprüchen in die Autowelt investieren und VW damit strategisch unterstützen. Doch das Risiko der Milliardenklagen hängt wie ein Schatten über dem Plan.
Weitere Verzögerungen
Der Gerichtswechsel verzögert das Prozedere nun erneut vermutlich um Monate. Zunächst einmal muss das Landgericht Hannover die Überweisung des Falles akzeptieren – und dann müssen Termine für den Verhandlungsstart gefunden werden. Bevor der Fall in Braunschweig landete, hatte sich schon die Justiz in der Porsche-Heimat Stuttgart damit befasst und schließlich Verfahren gebündelt nach Niedersachsen abgegeben. Dort hat Volkswagen in Wolfsburg seinen Firmensitz. (dpa)