Mit einem Pilotabschluss in Baden-Württemberg ist der Tarifkonflikt in der Metall- und Elektroindustrie Deutschlands friedlich beigelegt worden. Nach der Einigung am frühen Dienstagmorgen in Böblingen bei Stuttgart erhalten die 3,7 Millionen Beschäftigten der Schlüsselbranche vom 1. April 2015 an 3,4 Prozent mehr Geld. Für die ersten drei Monate kommt eine Einmalzahlung von 150 Euro hinzu, die im März gezahlt wird.
Die Tarifparteien haben mit ihrem Kompromiss einen Streik abgewendet, der nach den Worten von Gesamtmetallpräsident Rainer Dulger ungeheure Kosten für die deutsche Wirtschaft nach sich gezogen hätte. Die IG Metall hatte mit einer Warnstreikwelle Druck auf die Arbeitgeber ausgeübt. Darunter waren viele Betriebe der Automobilhersteller und ihrer Zulieferer. Zuletzt waren am Montag mehr als 16.000 Audi-Beschäftigte in Ingolstadt in den Warnstreik getreten. An den Arbeitsniederlegungen hatten seit Ende Januar bundesweit rund 850.000 Metaller aus rund 3.800 Betrieben teilgenommen.
Der Entgelt-Tarifvertrag tritt rückwirkend zum 1. Januar 2015 in Kraft und endet am 31. März 2016. Überdies einigten sich die Metall-Tarifparteien auf Regelungen für eine bezuschusste Weiterbildungsteilzeit und eine attraktivere finanzielle Ausstattung der Altersteilzeit für untere Entgeltgruppen. IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger betonte, der Abschluss sorge dafür, dass die Metaller real mehr Geld in der Tasche hätten. "Damit ist auch sichergestellt, dass der derzeit wichtige Konjunkturmotor privater Konsum weiterhin auf Touren bleibt."
"Dickstes Reallohnplus" seit Jahrzehnten
Arbeitgeber-Chef Stefan Wolf sagte mit Blick auf die Einkommenserhöhung, die für die Mitarbeiter im Gesamtjahr ein Plus von knapp 3,6 Prozent bringe: "Für viele Betriebe geht der Abschluss schmerzhaft an die Belastungsgrenze." Dagegen bedeute der Kompromiss für die Metaller das "dickste Reallohnplus" seit Jahrzehnten.
Die Gewerkschaft hatte ursprünglich 5,5 Prozent mehr Geld gefordert, Südwestmetall 2,2 Prozent mehr Lohn und Gehalt angeboten. Zudem wollte der Verband die bisherige Altersteilzeitquote von vier Prozent der Belegschaft halbieren. Dies wehrte die IG Metall ab und setzte durch, dass die Bezieher geringer Einkommen künftig rund 90 Prozent ihres bisherigen Nettolohns während der Altersteilzeit erhalten. Dadurch werde ihnen der frühzeitige Ausstieg aus dem Erwerbsleben erleichtert.
Dagegen werteten die Arbeitgeber es als Erfolg, dass neben besonders belasteten langjährigen Schichtarbeitern kein anderer Personenkreis festgelegt worden sei, der Ansprüche auf einen vorzeitigen Ruhestand habe. Die IG Metall hatte versucht, auch andere Faktoren unabhängig von Schichtarbeit, etwa dauerhaften Stress in der Projektarbeit, geltend zu machen. Südwestmetall hatte hingegen mit Blick auf den Fachkräftemangel davor gewarnt, denjenigen Ansprüche auf vorgezogenen Ruhestand zu gewähren, die "noch können, aber nicht mehr wollen". Im Rahmen des Vier-Prozent-Anteils wird die Quote für die Belasteten, die vorrangig in die Altersteilzeit gehen dürfen, von 2,5 auf 3 Prozent erhöht.
Zuschüsse für Weiterbildung
Die Gewerkschaftsforderung nach einer von den Arbeitgebern bezuschussten Weiterbildungsteilzeit wird insoweit realisiert, dass die Betriebe mit Mitteln aus der Altersteilzeit Weiterbildungswillige unterstützen können – aber nicht müssen, wie es die IG Metall angestrebt hatte. Zudem muss für eine finanzielle Förderung mittelfristig ein Bedarf für die geplante Qualifizierung bestehen. IG-Metall-Chef Detlef Wetzel sprach von einem ersten Schritt zu einer geförderten Weiterbildungsteilzeit. Ferner verständigten sich die Tarifpartner darauf, spezielle Weiterbildungsprogramme für Un- und Angelernte zu erarbeiten. Allerdings empfehlen Gesamtmetall und IG-Metall-Vorstand den Kompromiss bei der Weiterbildung nicht zur Übernahme in den anderen Tarifbezirken. (dpa)
HWB