Von Patrick Broich/SP-X
Wer fabrikneue Autos sehen möchte, besucht Fachmessen wie die Frankfurter IAA oder den Genfer Salon. Aber auch auf der Essener Techno Classica – bekannt für hochwertige Oldtimer – kann man Neuwagen bestaunen. Verwunderlich ist das nicht, schließlich zählt die Oldie-Messe mit rund 200.000 Besuchern zu den Topevents der Autoszene. Und hier lassen sich Autofans mit gut gefüllten Konten blicken. Das nutzen die Fahrzeugkonzerne, um vor allem traditionsgeladene Modelle zu präsentieren, die eine lange Historie aufweisen.
So kann man auf dem Volvo-Stand die neue Businessklasse-Baureihe S und V90 bestaunen – flankiert von den Ahnen, die bis zur Hunderter-Reihe der Sechziger zurückreichen. Dass die Schweden viel Herzblut in ihren Auftritt gesteckt haben, beweist nicht zuletzt der Besuch von Chefdesigner Thomas Ingenlath, um Fragen in Sachen Formensprache zu beantworten. Auffällig ist zumindest, dass der V90 eine für Volvo-Verhältnisse arg geneigte Heckscheibe aufweist, während die Vorgänger nah an die markentypischen 90 Grad heranreichten. Und wer künftig Businessklasse auf Schwedisch fährt, wird nicht mehr über 2.000 Liter Gepäck mitnehmen können wie noch in den Achtzigern mit der 700er-Baureihe, sondern muss mit knapp 1.600 Litern Volumen Vorlieb nehmen. Ob man bei den neuen Modellen weitere Designzitate der alten Riege findet oder nicht, darf jeder selbst beurteilen. Schließlich kann man auf dem Stand schön vergleichen.
Und wer nicht die lange Reise nach Detroit oder Genf angetreten hat, kann die obere Mittelklasse der Skandinavier hier immerhin als Deutschland-Premiere erstmals bestaunen. Natürlich hat Volvo auch den legendären Schneewittchensarg mitgebracht, um die Herzen der Oldtimerfans höherschlagen zu lassen.
Basisversionen sieht man in Essen nicht
Auch Alfa und Fiat haben dieses Jahr traditionsträchtige Modelle im Gepäck, um sie interessierten Neuwagen-Käufern schmackhaft zu machen. So stehen dort die rasante Giulia QV mit 375 kW / 510 PS sowie die Abarth-Version des künftigen 124 Spider mit 125 kW / 170 PS. Es scheint das Kalkül der Hersteller zu sein, dass eher leistungsorientierte Autofahrer zur Techno Classica kommen. Basisversionen sieht man hier nämlich nicht. Kein Wunder, denn wohin das Auge auch reicht – irgendein teurer Bentley, V12-Ferrari oder Porsche 911 ist immer in Sicht. Analog zur Volvos Ahnenreihe hat auch Alfa seine früheren Segmentbrüder mitgebracht, um den Besuchern die Möglichkeit des Vergleichs zu bieten. Schön, dass dort neben der Ur-Giulia auch der inzwischen rar gewordene 75 steht – das letzte heckangetriebene Mittelklasse-Modell der Alfa-Neuzeit. Auch die neue Giulia wird an diese Tradition wieder anknüpfen und ihre Power an Hinterräder leiten. Auf Wunsch werden die Italiener darüber hinaus Allradvarianten anbieten.
BMW möchte seinen potenziellen Kunden ebenfalls die Möglichkeit geben, eine Neuheit einmal aus nächster Nähe betrachten zu können: das M2 Coupé. Der mit 272 kW / 370 PS außerordentlich potente Kompaktsportler ist wie gemacht, um 2002 Turbo-Besitzern die Münder wässrig zu machen. Wenngleich nicht neu, so stellen die Münchener auch den i8 in Essen aus. Die Ausstellung im Ruhrgebiet bietet die perfekte Gemengelage, um Fans hochwertiger Oldtimer moderne Technologien wie das Plug-in-Thema näherzubringen.
Liebhaber sowohl neuer als auch historischer Fahrzeuge können auf dem Volkswagenstand ebenso auf ihre Kosten kommen. In die Ausstellung "40 Jahre Golf GTI" gehört aus Sicht der Niedersachsen neben den schnellen Kompakt-Ahnen auch der 195 kW / 265 PS starke Clubsport, den die Wolfsburger extra für das Jubiläum auf den Markt gebracht haben.
Und Sportwagenbauer Ferrari nimmt die Messe zum Anlass, einen nagelneuen California T HS mit historischem Flair zu versehen: So hat die Veredelungs-Abteilung den Sportwagen als Hommage an den 250 SWB, der einmal Eric Clapton gehörte, designt. Dazu gehören graue Außenlackierung und dunkelrote Rennstreifen, sowie dunkelrotes Leder-Interieur. Hier schließt sich der Kreis: Das Leder hat einen "Heritage"-Look, sieht also aus, als wäre es nicht mehr ganz neu.