Von Peter Weißenberg/SP-X
Schwarz. Absolut schwarz. So schwarz, wie es auch in dunkelster Nacht nie wird. Das ist die Düsternis, hier, 400 Meter unter der Erde. Und dann aus weiter Ferne dieses tiefe Grollen. Lauter wird es plötzlich, als auch zwei winzige weiße Pünktchen zu erahnen sind. Jetzt rasen die Punkte heran, das Grollen wird zum tiefen Donner, von den 15 Meter hohen Wänden reflektiert.
Der Fiesta ST rast auf uns zu, mehr als 100 km/h schnell auf dem staubgrauen Untergrund in dieser einen Kilometer langen Gerade, drei Meter zwischen dem rauen Fels des aufgesprengten, abgekratzten Stollens. Eine spektakuläre Szenerie für den Kleinwagen-Sportler.
Die explosionsgestählten Arbeiter in der Salzmine nahe der nordirischen Hauptstadt Belfast halten sich die Ohren zu, die Experten des Bergbau-Rettungsteams ziehen die Augenbrauen hoch. Bisher hat sich noch jeder Fahrer an das eherne Gesetz gehalten, das auf einer giftgelben Tafel am Eingang zur Mine mahnt: "Nicht schneller fahren als 15 Stundenkilometer!"
Neue Erfahrungen für den dreifachen britischen Ralley-Champion
Aber für Mark Higgins ist das Außergewöhnliche ja sein täglich Brot. Der Stuntman verleiht über der Erde James Bond im Film überirdische Fahrfertigkeiten. Auf blankem Eis, im Großstadtgewühl, staubigen Wüstenpisten, meist mit Supersportwagen oder Gelände-Ungeheuern der 150.000-Euro-aufwärts-Klasse. "Da ist ein Fiesta auch für mich mal was Neues, besonders auf glitschig-nassem Staub", sagt der dreifache britische Rallye-Champion.
Für die Werbefilm-Aufnahmen im irischen Untergrund fährt Higgins zudem kein trickreich aufgepäppeltes Auto, das Unmögliches möglich erscheinen lässt. Der Fiesta ST kommt frisch vom Band, so wie er auch für die Kunden ab sofort für 22.100 Euro zu haben ist. Nur Heckdiffusor, Doppelauspuff und die 18-Zöller lassen den blauen Ford etwas wilder aussehen als den ganz normalen rollenden Einkaufskorb für die Vorstadt. Aber der ST kann mehr, und das zeigt sein Pilot nach allen Regeln der Kunst. Higgins hat den Fahrmodus auf “Rennstrecke” ein- und das ESP ausgeschaltet - jetzt bullert der Dreizylinder fast so höllisch wie der Mustang, von dem der Kleinwagen den Klappen-Sound der Auspuffanlage geerbt hat.
Wenn der Mann mit dem sanften Gesicht dem 200-PS-Fiesta die Sporen gibt, knallen Fehlzündungen durch die 60 Kilometer Stollengänge, so laut wie sonst nur Freitags um 17.45 Uhr. Dann zünden nämlich die Sprengmeister üblicherweise ihre Amoniumnitrat-Kapseln. Schließlich soll ja auch in Zukunft genug Salz freigelegt werden, um die halbe Million Tonnen jährlich auf britischen Straßen zur Schneeschmelze zu verteilen.
Ford Fiesta ST unter Tage
BildergalerieAuf den holprigen Pisten unter der Erde muss der Fahrer ohne externe Traktionshilfen auskommen. Beim eigenen Test mit dem Kraftzwerg zeigt sich, dass dies erstaunlich gut gelingt. Der 1,3 Tonnen leichte Fiesta krallt sich dank gekonnt austarierter Fahrwerkstechnik und den feinfühlig reagierenden Dämpfern fast rutschfrei in den Untergrund - und auch bei staubigen Passagen kommen die maximal 290 Newtonmeter Drehmoment begeisternd direkt auf dem Boden an. In den engen Kurven lässt es der Normalfahrer aber dennoch lieber gemächlicher angehen. Links und rechts ragen schließlich haushoch Gesteinsmauern auf, schroff von den rotierenden Stahlzähnen der Spezialmaschinen freigebissen.
Stuntman Higgins lächelt solche kolossalen Kathedralen des Bergbaus an - und dreht in diesen Kurven noch ein paar 360-Grad-Wenden über den Boden, hebt auf Wellen zum freien Flug an oder springt quer driftend Richtung steilen Aufstieg zum Ausgang. Die serienmäßigen Recaro-Sitze halten den Fahrer perfekt in Position. Helm und feuerfester Anzug sind dennoch Pflicht. Nur auf das mobile Sauerstoffgerät am Gürtel darf Higgins ausnahmsweise verzichten. Für die Bergleute ist es obligatorisch, falls ein Brand die Luft hier unter der Erde einmal knapp werden ließe. In mehr als 50 Jahren ist das aber noch nie passiert.
Riesige Wellen
Die ganz große Minen-Rundfahrt übrigens kann selbst ein Rallye-Könner wie Higgins hier nicht wagen. Auf manchen Strecken haben die Dutzende Tonnen schweren Muldenkiper oder Schürf-Walzen den Boden einfach zu tief aufgeworfen. Durch solche Wellen schaukeln nur die 14 Land Rover der Minengesellschaft ihre Passagiere sicher durch das Dunkel. Sind sie in Schrittgeschwindigkeit ums Eck verschwunden, bleibt nur ein schwarzes Loch im Nichts.
"Ich weiß auch, wo meine Grenzen sind - und die meines Autos", sagt Higgins angesichts der Kletterkünste dieser automobilen Maulwürfe. Im Tageslicht des Stolleneingangs läuft er kurz um den Fiesta und macht, was allen Bergleuten das große gelbe Schild vorschreibt: "Prüfe Bremsen und Reifen! Steiler Abstieg!" Dann klemmt sich der Fahrer wieder hinters Sportlenkrad. "Noch 'ne Runde?" Eine höllische Verlockung. Die mehr als 230 km/h Endgeschwindigkeit auf der Rennstrecke verblassen gegen solche Aussichten – es wäre nur ein oberflächliches Vergnügen.