Von Holger Holzer/SP-X
Erst die Stickoxidprobleme in Europas Städten, dann die Corona-Krise in der ganzen Welt –unsere Umgebungsluft scheint immer gefährlicher zu werden. Kein Wunder, dass das Thema Luftqualität auch im Auto an Bedeutung gewinnt. Die Fahrzeughersteller setzen auf immer leistungsfähigere Filter.
Schon seit knapp zwei Jahren beobachtet etwa Martin Klein, Chef der Innenraumfilter-Sparte beim Autozulieferer Mann + Hummel eine gesteigerte Sensibilität bei den Pkw-Herstellern. "Mittlerweile setzen viele Marken – und zwar nicht nur die Premiumanbieter – auf Kombifilter." Gegenüber einfachen Faserfiltern verfügen diese über eine Aktivkohle-Komponente, die gasförmige Stoffe wie die viel diskutierten Stickoxide aus der angesaugte Außenluft filtert.
Einige Hersteller gehen aber bereits weiter. Volvo etwa hat für seine Modelle gerade einen elektrostatischen Filter angekündigt. Dieser "Advanced Air Cleaner" entfernt vor allem kleinste Partikel, verspricht der Filterexperte der Schweden, Anders Löfvendahl. Rund 95 Prozent der gefährlichen PM-2.5-Teilchen mit Durchmessern unter 2,5 Mikrometern sollen in den polarisierten Fasern des Innenraumfilters hängen bleiben. Gerade der besonders feine Feinstaub ist in Lövendahls Augen aufgrund seiner Gefährlichkeit die künftig größte Herausforderung für die Luftreinhaltung im Auto.
Spätestens seit der Coronakrise hat sich die Dringlichkeit beim Thema Innenraumluft im Auto noch einmal verschärft. In China fährt aktuell Volvo-Mutter Geely Verkaufsrekorde ein – nicht zuletzt dank eines viel beworbenen Filters. Das IAPS genannte System soll die gleiche Wirkung haben wie N95-Gesichtsmasken (hierzulande eher als FFP2-Masken bekannt). Das neue an dem Filter ist weniger die Funktionsweise – sie entspricht dem aktuellen Stand der Technik in der Branche – sondern vielmehr die begriffliche Anlehnung an die mittlerweile weitbekannten Masken. Die wird auch von einem speziellen N95-Prüfzertifikat verfestigt – und soll bei Autokäufern Vertrauen schaffen.
Gegen Viren und Bakterien dürfte der China-Filter allerdings keinen kompletten Schutz bieten. Vor allem, wenn es um das extrem kleine Coronavirus geht. "Im Vergleich zu einem Feinstaubpartikel entspricht das Größenverhältnis dem einer Murmel zu einem Kürbis", sagt Klein. "Bei Coronaviren helfen nur HEPA-Filter, wie man sie aus Reinräumen und Operationssälen kennt." Mann + Hummel hat auf der vergangenen IAA einen Prototypen für den Pkw-Einsatz vorgestellt, der in absehbarer Zeit in Serie gehen könnte. Bislang gibt es die Technik ansonsten ausschließlich beim Elektroautobauer Tesla. Die Kalifornier bewerben das Lüftungssystem ihres Model S sogar als sicher bei Biowaffenangriffe.
HEPA-Filter: Ultrafeines Netz hält auch kleinste Stoffe zurück
Ihre hohe Wirksamkeit erzielen HEPA-Filter ("High Efficiency Particulate Air Filter", "hocheffiziente Partikelfilter") durch sehr dichte Fasermatten, die ein ultrafeines Netz bilden und auch kleinste Stoffe zurückhalten. Allerdings bilden diese Fasern auch einen erheblichen Widerstand für die zu filternde Luft – die Filter müssen daher eine extrem große Oberfläche haben und mit einem leistungsfähigen Kompressor kombiniert sein, der ausreichend viel Luft durch das Vlies in den Innenraum presst. In den meisten aktuellen Autos fehlt für solch eine raumgreifende Konstruktion schlicht der Platz.
Aus Sicht von Volvo-Mann Anders Löfvendahl ist das zumindest hinsichtlich der aktuellen Coronakrise kein echtes Problem: "Ich sehe das Autofahren nicht als riskanten Fall. Normalerweise husten Passanten nicht direkt in den Luftansaugstutzen." Zudem kämen die Viren in der Luft nicht in Reinform, sondern eingelagert in Wassertröpfchen vor. Und diese könnten seiner Ansicht nach durchaus im Filter hängen bleiben.
Auch Klein hält eine mögliche Corona-Angst von Autofahrern für unbegründet. Von außen gelangen während der Fahrt kaum nennenswerte Virenmengen in das Fahrzeug. Allgemein riskanter ist seiner Ansicht nach die vor allem in China weit verbreitete Angewohnheit, die Klimaanlage wegen der städtischen Abgasbelastung permanent auf Umluftfunktion zu stellen. Dann reichern sich nicht nur Bakterien und Viren im Innenraum an, sondern es sinkt zudem der Sauerstoffgehalt der Luft, was auf Dauer zu Konzentrationsproblemen führt. Die Unfallgefahr steigt in der Folge.
Neben der Leistungsfähigkeit von Filtern kommt daher künftig auch der Überwachung der Luftqualität und der intelligenten Zufluss-Steuerung eine wichtige Rolle zu. Die ersten Autohersteller werben bereits mit einer speziellen Sensorik, die zu hohen Schadstoff- oder CO2-Werte registriert.