Frisches Geld für den Weg zu neuen, sauberen Antrieben gab es nicht mehr. Knapp sechs Wochen vor der Bundestagswahl machte die Bundesregierung aber noch eine versprochene Milliardenhilfe für die deutsche Autoindustrie perfekt. Der geplante "Zukunftsfonds" mit einem Volumen von einer Milliarde Euro bis 2025 sei jetzt startklar, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) nach einem "Autogipfel" mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vertretern von Branche, Ländern und Gewerkschaften am Mittwoch. Die zusätzliche Förderung soll vor allem in den "Autoregionen" der Republik den Schwenk zu Elektromobilität und Digitaliserung voranbringen und für die Belegschaften abfedern.
Zur Zukunft der Schlüsselbranche mit mehr als 800.000 Beschäftigten und zuletzt 378 Milliarden Euro Jahresumsatz hatte Merkel mit ihren Ministern schon seit längerem regelmäßige Spitzengespräche angesetzt - eine Aufmerksamkeit, wie sie sich manch andere Wirtschaftszweige auch wünschten. Verschärfte Anforderungen beim Klimaschutz und die immer schnellere Digitalisierung setzen die Autobauer und viele kleine und mittlere Zulieferer beim Wandel aber akut unter Druck.
Anschub und Absicherung für diese Umstellungen soll denn auch die staatliche Unterstützung bringen. "Unser Ziel ist, dass die deutsche Automobilindustrie die klimafreundlichen Autos der Zukunft baut, neue Arbeitsplätze entstehen und Wertschöpfung erhalten bleibt", sagte Scholz. Und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) betonte: "Wir wollen, dass die Mobilität der Zukunft auch weiterhin Mobilität "Made in Germany" ist." Der Fonds sei da ein wichtiges Instrument, um die Transformation zu begleiten und Arbeitsplätze zu sichern.
Ausgestaltung geklärt
Dass es eine Milliarde Euro zusätzlich geben soll, hatte bereits ein "Autogipfel" im November beschlossen. Nun wurde die Ausgestaltung geklärt. Konkret sollen laut Wirtschaftsministerium 340 Millionen Euro regionale "Transformationsnetzwerke" fördern, um Akteure vor Ort zusammenzubringen und Strategien zu entwickeln. Weitere 340 Millionen Euro sollen digitale Lösungen voranbringen. Rund 320 Millionen Euro sollen unter anderem mittelständische Firmen bei Umstellungen der Produktion für E-Antriebe und Brennstoffzellen unterstützen. Gefördert werden sollen auch Weiterbildungskonzepte für Beschäftigte.
Das ist auch für die Gewerkschaft ein wichtiger Punkt. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann sagte: "Aus Sicht der Beschäftigten entscheidet sich in den Regionen, ob die Transformation gelingt oder zu Arbeitsplatz- und Wohlstandsverlusten führt." Die regionalen Netzwerke müssten nun auch schnell umgesetzt werden. Erste Regionen wie das Saarland, Süd-Westfalen und Süd-Ost-Niedersachsen stünden dafür bereit.
Die richtigen Rahmenbedingungen setzen
Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, betonte grundsätzlich: "Unser Ziel ist es, die Transformation zu einem Job-, Wachstums- und Wirtschaftsmotor zu machen." Und die deutsche Industrie sei schon Elektro-Europameister. "Niemand verkauft so viele E-Fahrzeuge wie wir." Entscheidend sei aber weiter, auf europäischer Ebene die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. "Ein faktisches Verbrennerverbot gehört nicht dazu." Nötig sei vor allem eine gutes Ladenetz daheim, am Arbeitsplatz, im Handel, unterwegs.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zündete dafür gerade weitere Förderprogramme, darunter für 1.000 Schnelllade-Standorte mit jeweils mehreren Ladepunkten bis 2023. "Die nächste Schnellladesäule muss in zehn Minuten erreichbar sein", lautet das Motto. Die Regierung hat auch schon in Aussicht gestellt, eine vorerst bis Jahresende laufende erhöhte Kaufprämie für E-Autos bis Ende 2025 zu verlängern. Sie hat zu einem kräftigen Schub bei Neuzulassungen von E-Autos beigetragen.
Ehrgeizige Klimaschutzziele
In Sicht sind zudem ehrgeizigere europäische Klimaschutzziele. Die EU-Kommission schlägt unter anderem vor, dass der CO2-Ausstoß von Neuwagen bis 2030 im Vergleich zum jetzigen Niveau im Schnitt um 55 Prozent heruntergebracht werden soll. Bisher gilt ein Zielwert von 37,5 Prozent. Der Vorschlag sieht zudem vor, dass in der EU ab 2035 nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden sollen.
Nach dem wohl letzten "Autogipfel" unter Merkels Leitung fielen die Bilanzen unterschiedlich aus. "Die Bundesregierung versucht kurz vor der Wahl die selbst angeheizte Krise im Fahrzeugbau mit Subventionen zu übertünchen", kritisierte FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic. Der Linke-Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutin forderte, steuerfinanzierte Hilfen für Konzerne an konkrete Klimaschutz-Auflagen wie ein Ende des fossilen Verbrenner-Pkws bis spätestens 2030 zu knüpfen und dass es keine Verlagerung der Produktion ins Ausland oder Entlassungen gibt.
Die SPD forderte eine Fortsetzung des Dialogs. "Wir brauchen ein Transformations-Kurzarbeitergeld, das die Qualifizierung der Beschäftigten erhöht", sagte Fraktionsvize Sören Bartol der dpa. Klimaschutz werde sich für Deutschland rechnen, wenn Staat, Wirtschaft und Gewerkschaften weiter eng kooperierten.
Umweltschützer richteten den Blick schon auf die künftige Regierung. Die Nachschärfung der nationalen Klimaziele erfordere eine faktische Halbierung der Treibhausgas-Emissionen im Verkehr in den nächsten neun Jahren, sagte der Verkehrsexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Jens Hilgenberg. Greenpeace-Experte Tobias Austrup sagte, an einem schnellen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor und einer spürbaren Extrasteuer bei der Zulassung von Neuwagen mit hohem Schadstoffausstoß führe kein Weg vorbei. "Solch einschneidende Maßnahmen sind nicht im Ringelreigen mit der Autoindustrie zu treffen." Dieser "Autogipfel" sollte daher der letzte gewesen sein.
Peter g