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Markenhistorie: Kritik an Audi-Studie über NS-Vergangenheit

29.08.2016 10:05 Uhr
Neue Konzernzentrale der Auto Union ab 1936 in Chemnitz
Die Auto Union - im Bild die Konzernzentrale in Chemnitz 1936 - ist ein Vorgänger der heutigen VW-Tochter Audi AG.
© Foto: Audi

Zwangsarbeiter gab es im nationalsozialistischen Deutschland auch bei Auto Union. Audi ließ das dunkle Kapitel seines Vorgängers untersuchen. Nun wird Kritik laut.

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Volkswagen-Chefhistoriker Manfred Grieger sieht schwere Mängel bei einer wissenschaftlichen Studie, die die Tochter Audi über ihre eigene NS-Vergangenheit in Auftrag gab. Grieger attestiert dem Werk handwerkliche Fehler, eine verengte Sichtweise, einen lückenhaften Umgang mit Quellen und sprachliche Unschärfe. Die Studie habe einen "empathischen Kern", ihr mangele es also an einer unvoreingenommenen Betrachtungsweise. So sieht Grieger "argumentative Windungen", die "eine abwehrende Haltung" nahelegten.

Geschrieben haben die Studie ein Audi-Historiker und ein Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte aus der TU Chemnitz. Ein Sprecher des Mutterkonzerns Volkswagen sagte am Montag, das Unternehmen äußere sich zu dem Thema nicht. Ein Audi-Sprecher wollte den konzerninternen Historikerstreit ebenfalls nicht kommentieren.

Grieger gilt als profilierter Forscher zur Zwangsarbeit unter den Nationalsozialisten. Er promovierte 1996 über "Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich". Seit 1998 steht er in VW-Diensten. Seine Generalkritik an der Untersuchung erschien in der "Zeitschrift für Unternehmensgeschichte (ZUG)" bereits Ende 2015. Die 518 Seiten starke Studie namens "Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union AG Chemnitz im Zweiten Weltkrieg" stammt bereits aus 2014. Über Griegers Rezension berichtete zuerst die "Wirtschaftswoche".

Die Auto Union ist ein Vorgänger der heutigen VW-Tochter Audi AG. In manchen Betrieben der Auto Union soll laut der Studie zeitweise ein Sechstel der Belegschaft aus KZ-Häftlingen bestanden haben. Audi nahm die Analyse 2014 zum Anlass, Darstellungen zur NS-Verstrickung des Vorgängers Auto Union anzupassen. So seien etwa Texte im Firmenmuseum und im Internet verändert worden, hatte ein Sprecher damals erklärt.

NS-Aspekt "heruntergespielt"

In der Rezension des VW-Chefhistorikers heißt es nun, die Studie unterschlage zwar nicht "die Beziehungen zu den NS-Eliten durch die Vorstände Richard Bruhn, William Werner und Carl Hahn", allerdings werde dieser Aspekt "in der Bedeutung heruntergespielt". Audi nennt heute bei der Bruhn-Vita im Internetauftritt die "Verantwortung für den Einsatz von Zwangsarbeitern, KZ-Insassen und Kriegsgefangenen bei der Auto Union AG". Ein ähnlicher Hinweis bei der Vita von Carl Hahn senior fehlt.

Die Audi-Mutter Volkswagen hatte die eigene NS-Geschichte bereits in den 1990er Jahren untersuchen lassen. Der Konzern beteiligte sich zudem für alle seine Marken auch an der 2000 gegründeten Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ), die bis 2007 etwa 4,4 Milliarden Euro an fast 1,7 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter der NS-Diktatur auszahlte. Wirtschaft und Bund speisten den Etat.

Die Wurzeln des VW-Konzerns liegen im Nationalsozialismus. Hitler legte den Grundstein für das Stammwerk Wolfsburg, das mit Geld aus dem enteigneten Gewerkschaftsvermögen entstand. Audi gehört seit 1965 zum VW-Konzern. Für seine Beziehungen zu Geschäftspartnern regelt der VW-Konzern heute in einem Vorgabenkatalog: "Volkswagen lehnt jegliche wissentliche Nutzung von Zwangs- und Pflichtarbeit einschließlich Schuldknechtschaft oder unfreiwilliger Häftlingsarbeit ab." (dpa)

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KOMMENTARE


Ingo Meyer

31.08.2016 - 08:57 Uhr

Dr. Grieger hat unter dem Patronat von Prof. Mommsen mit der Untersuchung "Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im dritten Reich" tatsächlich eine umfassende und lehrreiche Studie vorgelegt, die eigentlich auch Pflichtlektüre für jeden VW-Händler gewesen wäre. Nun leistet sich den Konzern mit Grieger einen eigenen Historiker. Logisch, dass dieser die Auftragsarbeit einer Tochtergesellschaft kritisch unter die Lupe nimmt. Aber soll es nun einen Wettkampf der deutschen Industie um die "brutalstmögliche" Aufklärung inbezug auf die Involvierung mit den Nazis geben? Die gesamte deutsche Industrie war durch die Beschäftigung von Zwangsarbeitern und Gefangenen mehr oder weniger in die Machenschaften des dritten Reiches verwickelt. Selbst Firmen im US-Eigentum, wie z.B. Opel, konnten sich den ambitionierten Produktionszielen der Nazis nicht entziehen. Wenn beispielsweise die Firma Daimler-Benz gezwungen wurde, den Opel-Blitz in Lizenz zu produzieren, weil die Kapazitäten von Opel in Brandenburg (unter Nordhoff) nicht ausreichten, dann mag man daran erkennen, dass die Werksleitungen nichts - und ab 1943 gar nichts mehr zu sagen hatten. Die Produktionsziele wurden von den Behörden unter Speer rücksichtslos durchgesetzt. Dazu gehörte leider auch auch der Einsatz der KZ-Häftlinge. Die Bundesregierung hat unter Leitung von Graf Lambsdorff über die "Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" von 6000 Firmen 10 Mrd.€ eingesammelt, um damit die ehemaligen Zwangsarbeiter zu entschädigen ( so weit man das kann!) . Die Zahlungen wurden 2007 abgeschlossen. Damit sollte es nun nach mehr als 70 Jahren sein Bewenden haben. Was jetzt von Dr. Grieger angezettelt wurde, mutet wie ein Gelehrtenstreit an, bei dem natürlich der Verteter der Konzernmutter-Gesellschaft die Deutungshoheit haben will. Das hätte man intern klären können. So schadet man im Zweifel der Tochter AUDI, der VW doch letztendlich 1971 sein Überleben zu verdanken gehabt hat. Aus heutiger Sicht gebührt dem damaligen Vorsitzenden des VW-Vorstandes Carl Hahn, die ihm vielfach attestierte Weitsicht, dass er Mommsen und Grieger aufgefordert hatte, die Geschichte des VW-Werkes so gründlich aufzuarbeiten. Dabei sollte es bleiben!


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