AMG-Modelle haben ihre Wurzeln im Rennsport. Dies verkündet die Performance-Marke von Daimler nicht nur auf ihrer Homepage, sondern dies dokumentieren auch die potenten Fahrzeuge überdeutlich durch ihren Auftritt: dicke Auspuffrohre, mächtige Lufteinlässe, tiefergelegte Karosserien, große Diffusor und nicht zuletzt bollernde Acht- und Zwölfzylinder. Macht, Macho, Männlichkeit. Die Nachfrage nach Luxus und Leistung ist nach wie vor hoch. Im vorigen Jahr konnte AMG, trotz weltweiter Pandemie, 125.129 Einheiten absetzen, fast so viel wie im Rekordjahr 2019 (132.136 Fahrzeuge). In den USA, dem größten Mark der Affalterbacher, wurde ein neuer Bestwert verbucht. Ebenso in China (plus 32 Prozent). Schwer vorstellbar, dass sich die einschlägigen "Petrol-Heads"-Kunden in irgendeiner Weise mit dem Thema Elektromobilität ernsthaft auseinandersetzen, geschweige denn, sich damit identifizieren.
Sie werden es allerdings tun müssen. Denn auch eine Marke wie AMG kann die Brüsseler CO2-Vorgaben auf Dauer nicht ignorieren, ist somit zur Elektrifizierung gezwungen. Von einem positiven Beitrag auf das Mercedes-Emissionskonto ist AMG noch meilenweit entfernt. Der CO2-Ausstoß im Performance-Portfolio beginnt erst bei 165 und reicht hoch bis 330 g/km. Versuchen, diese Werte weitgehend zu kompensieren, müssen die Plug-in-Hybride und EQ-Modelle der Stuttgarter Mutter.
Balance-Akt zwischen Tradition und elektischer Zukunft
Für AMG dürften daher die nächsten Jahre zu einem Balance-Akt werden. Die traditionelle V8- und V12-Klientel, für die schiere Power und vibrierender Motorensound Emotionen pur sind, darf nicht verprellt werden. Auf der anderen Seite gilt es, neue Kunden an die Vorzüge des Stromantriebs heranzuführen. Sie sollen laut Philipp Schiemer AMG als "Performance Luxury Marke des 21. Jahrhunderts" erleben. "Wir transportieren unsere DNA in eine elektrische Zukunft", so der AMG-Chef, und stellte kürzlich hierzu eine Strategie vor. Sie fußt auf zwei Säulen: leistungsstarke Hybride auf der einen Seite, vollelektrische EQ-Derivate der Luxus- und Oberklasse auf der anderen.
Es ist nicht das erste Mal, dass AMG sich mit Batteriezellen statt Boliden beschäftigt. Vor sieben Jahren stellte man den SLS AMG Electric Drive auf die Räder, ein Sportwagen mit vier Elektromotoren, Allradantrieb und 751 PS. Es blieb jedoch bei wenigen Exemplaren.
Mercedes-AMG GT (2019)
BildergalerieNun soll das Thema ernsthafter angegangen werden. Zunächst über sogenannte Performance-Hybride mit komplett eigenständigem Antriebskonzept, das in Eigenentwicklung in Affalterbach entstand. Diese Modelle laufen unter der Bezeichnung „E-Performance“. Vorne unter der Haube bleibt es beim klassischen Verbrenner, an der Hinterachse aber sitzt jetzt als Electric Drive Unit ein bis zu 150 kW/204 PS und 320 Nm starker Elektromotor inklusives eines Zweiganggetriebes und Sperrdifferenzial, in Fachkreisen P3-Hybrid genannt. Entwickelt wurde zudem eine besonders leichte und leistungsfähige Batterie. Ihre Energiedichte ist doppelt so hoch wie bei gewöhnlichen Lithium-Ionen-Akkus.
Den Anfang macht AMG in diesem Sommer mit dem viertürigen GT. In ihm kommt die P3-Technik in Verbindung mit dem beliebten Vierliter-V8-Biturbo zum Einsatz. AMG-Chef Schiemer verspricht Leistungen bis 600 kW / 816 PS und über 1.000 Nm Drehmoment, mehr als je zuvor. Bei der neuen C-Klasse (W 206) läuft die Sache ähnlich. Hier jedoch hat der Achtzylinder ausgedient. Im Nachfolger des schon legendären C 63 sitzt jetzt ein Zweiliter-Vierzylinder (M 139), adaptiert aus dem A 45 und ausgestattet mit RSG-Startergenerator und elektrischem Turbolader, abgeleitet von AMG-Hypercar ONE. Um C-63-V8-Fans bei Laune zu halten, lockt man mit 480 kW, nach alter Rechnung 653 PS und deutlich agilerer Fahrdynamik.
P3-Konzept für mehrer Baureihen
Das modulare P3-Konzept lässt sich über mehrere Baureihen ausrollen. Profitieren dürften von der V8-E-Performance in erster Linie der nächste SL und die S-Klasse sowie die großen SUV. Und was als R4-E-Performance-Hybrid unter die neue C-Klasse passt, verträgt sich auch bestens mit dem nächsten GLC und dessen Coupé-Derivat.
Bei der Säule Nummer zwei greift AMG auf die kommenden EQ-Modelle zurück und startet mit dem EQS. Bei dem Luxus-Liner will man Performance auf dem Niveau eines S 63 bieten, mindestens, inklusive Allradantrieb und einer Spitze von 250 km/h. Auch um ein adäquates Geräusch kümmern sich die AMG-Ingenieure beim Stromantrieb. Helfen sollen Lautsprecher, Shaker und Soundgeneratoren. Damit bei null Emissionen wenigstens die Emotionen nicht ganz auf der Strecke bleiben.