Von Mario Hommen/SP-X
In den vergangenen zwei Dekaden hat Audi immer wieder Evolutionsstufen in der Lichttechnik gezündet. LED-, Matrix-, Laserlicht, Wischblinker oder Beamer-Technologie haben für mehr Funktionen und Sicherheit gesorgt und gleich noch die Designidentität der Marke geschärft. Dieser Tradition will das Unternehmen auch in Zukunft treu bleiben und seine Scheinwerfer, Tagfahrlichter und Rückstrahler weiterentwickeln. Großes Potenzial sehen die Ingolstädter in LED- und OLED-Technik sowie der Digitalisierung des Lichts, was viele neue Möglichkeiten bei Funktionalität, Kommunikation und Design eröffnen wird.
Als wichtige Evolutionsstufen der jüngeren Vergangenheit gelten bei Audi die Einführung des digitalen Matrix-Lichts und der digitalen OLED. Diese Digitalisierung hat unter anderem einen Perspektivenwechsel bei den Entwicklern eingeläutet: "Bisher ging es um Licht für den Fahrer, damit dieser optimales Licht hat. Und jetzt geht's wirklich in Richtung visuelle Kommunikation, um mit anderen Verkehrsteilnehmern, mit Fußgängern, mit Radfahrern in die Kommunikation reinzugehen", sagt Stephan Berlitz, Leiter der Lichtentwicklungsabteilung bei Audi.
Für ein bereits etabliertes und recht einfaches Beispiel dieser Licht-Kommunikation steht der Wischblinker, der in universell verständlicherer Weise durch seine Animation den Abbiegewunsch verdeutlicht. Wesentlich mehr Möglichkeiten erlaubt jedoch der digitale Matrix-LED-Scheinwerfer, den Audi 2019 im Elektro-SUV E-Tron eingeführt hat. Er verfügt über einen fingernagelgroßen Chip mit 1,3 Millionen Pixeln, die von Hochleistungs-LED angestrahlt sogar hochauflösende Schwarz-weiß-Videos an Wänden projizieren können. Der Nutzer hat hier bereits die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Sequenzen für das Ver- und Entriegeln zu wählen.
Das mag ein wenig nach Spielerei klingen, doch stecken in der Technik weiterreichende Möglichkeiten für Interaktion und Sicherheit. Ein mögliches Beispiel wäre die Projektion von Navihinweisen auf die Fahrbahn, was nicht nur dem Fahrer eindeutiger die Richtung vorgeben, sondern zugleich anderen Verkehrsteilnehmern den Abbiegewunsch und die genaue Fahrrichtung verdeutlichen könnte. Auch Warnhinweise für andere Verkehrsteilnehmer lassen sich mit hochauflösenden Scheinwerfern auf die Fahrbahn projizieren. Entsprechend haben die Lichtdesigner ihre Schwerpunkte verändert. Statt nur Lichtobjekte zu gestalten, arbeiten diese mittlerweile an neuen Formen von Lichtsprache.
Auch beim Tagfahrlicht wird die Zahl der variablen Lichtpunkte steigen, was neben markanteren Signaturen in der Front auch das Potenzial für Individualisierung erhöhen wird. So wird es nicht nur Lichtsignaturen geben, die sich innerhalb einer Baureihe nach Typen unterscheiden oder an die aktuelle Fahrweise anpassen, sondern auch die Individualität des Fahrers berücksichtigen. „"Die Digitalisierung wird es künftig dem Kunden sogar erlauben, seine eigenen Lichtsignaturen und seinen persönlichen Geschmack zum Ausdruck zu bringen", sagt Audis oberster Lichtdesigner César Muntada.
Neue Freiheitsgrade beim Design
Die Digitalisierung wird auch die Gestaltung künftiger Rückleuchten mitbestimmen, die ebenfalls mehr Individualisierung und mehr Kommunikation erlauben sollen. Die Lichttechnik der Zukunft am Heck wird die flexible und digitale OLED sein. Durch die Unterteilung ihrer flachen und homogenen Lichtfläche in kleine, individuell ansteuerbare Elemente – deren Lichtstärke regelbar und die zudem noch einzeln ausschaltbar sind – eröffnen sich neue Freiheitsgrade beim Design und neue Möglichkeiten der Kommunikation.
Den jüngsten Evolutionsschritt im Serienbau in der OLED-Entwicklung markieren die Rückleuchten des in diesem Jahr überarbeiteten Q5. Hier hat Audi die Zahl einzeln ansteuerbarer Elemente auf 18 erhöht. Dank dieser relativ hohen Zahl steuerbarer Segmente lassen sich mehrere markant unterschiedliche Lichtsignaturen darstellen. Kunden des Q5 ermöglicht Audi beim Kauf zunächst die Wahl zwischen drei verschiedenen Signaturen. Eine zusätzliche Signatur wird im Rücklicht beim Wechsel des Fahrers in den Dynamic-Mode dargestellt. Doch dient die Technik nicht nur der Eitelkeit, sondern lässt sich zugleich für neue Sicherheits-Features nutzen. Nähert sich einem an der Ampel wartenden Q5 etwa ein Fahrzeug von hinten auf weniger als zwei Meter, werden automatisch alle OLED-Segmente als Warnung aktiviert. Auch dies ist ein einfaches Beispiel für eine zunehmend an Bedeutung gewinnende Car-to-X-Kommunikation.
Wie bei den Front- wird auch bei den für Rücklichtanwendungen prädestinierten OLEDs perspektivisch die Auflösung steigen. Im Q5 bestehen die Rückleuchten aus 3 x 6 steuerbaren Elementen. Bei Audi arbeitet man bereits an Rückleuchten mit deutlich mehr individuell ansteuerbaren Punkten. Mit diesen ließen sich beispielsweise Warndreiecke oder Ausrufezeichen anzeigen. Zugleich machen sich die Designer Gedanken, eine universelle Symbolsprache für weitere Warnhinweise zu entwickeln. Sofern sich Behörden für solche neuen Ansätze öffnen und Gesetze entsprechend angepasst werden, ließe sich so mehr Sicherheit auf die Straße bringen.
Bei den derzeit verwendeten OLEDs handelt es sich noch um starre Glasplatten. Doch der Wunsch der Designer ist es, mit OLED künftig stärker in die Dreidimensionalität zu gehen und Skulpturen zu schaffen. Mit Dünnglastechnologien will Audi den Weg zu dieser nächsten OLED-Stufe ebnen. Das Ziel: Die Heckpartie maximal mit dieser neuen Lichttechnologie zu überziehen. So erhöhen sich die Möglichkeiten der Personalisierung und Kommunikation weiter, die dann auch zur Kommunikation für mehr Sicherheit im Straßenverkehr dienen soll. Künftige OLEDs könnten sich so zu einem skulpturalen Display am Heck entwickeln.
Adrian