Der bisherige Vorstandsvorsitzende der VW-Finanztochter, Frank Witter, soll nach dpa-Informationen neuer Konzernfinanzchef von Volkswagen werden. Witter werde damit Nachfolger von Hans Dieter Pötsch, der wie geplant an die Spitze des VW-Aufsichtsrats wechseln soll. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag aus Konzernkreisen. Beide Personalien wurden nach dpa-Informationen am Mittwochabend bei der Sitzung des Aufsichtsrats-Präsidiums beschlossen. Das Gremium beriet dabei auch über die Folgen des Abgas-Skandals. Witter ist seit 2008 Vorstandsvorsitzender der Volkswagen Financial Services.
Den Posten an der Spitze des Aufsichtsrates hat seit dem Rücktritt des langjährigen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch im Frühjahr kommissarisch der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber inne. Piëch war Ende April nach einem verlorenen Machtkampf mit dem damaligen Vorstandschef Martin Winterkorn zurückgetreten. Anfang September hatten sich die Spitzen bei VW bereits dafür ausgesprochen, dass Pötsch neuer Aufsichtsratschef werden soll. Er solle bei einer außerordentlichen Hauptversammlung im November zunächst in den Aufsichtsrat berufen und dann anschließend von dem Kontrollgremium zum Vorsitzenden gewählt werden.
Dieser Plan war aber zwischenzeitlich wieder ins Wanken geraten, weil es innerhalb des Präsidiums und in Konzernkreisen Zweifel an Pötsch gegeben hatte. Grund war, dass der Manager in seiner neuen Rolle die Aufklärung des Diesel-Skandals beaufsichtigen soll - für den er in seiner Zeit als VW-Vorstand aber möglicherweise eine Mitschuld tragen könnte, wie es in den Kreisen geheißen hatte. Die Familien Porsche und Piëch hatten daraufhin am Mittwoch mitteilen lassen, sie stünden unverändert hinter Pötsch als künftigem Chef des Gremiums. Die von ihnen kontrollierte Porsche-Holding hält die Mehrheit an VW.
Volkswagen rechnet mit einer langen Aufarbeitung des Abgas-Skandals. Die Untersuchungen würden "mindestens mehrere Monate" in Anspruch nehmen, teilte das Aufsichtsrats-Präsidium von VW am Donnerstag mit. Daher solle auch die bisher für den 9. November geplante außerordentliche Hauptversammlung nicht abgehalten werden. Es sei nicht realistisch, "binnen weniger Wochen zu fundierten Antworten zu kommen, die den berechtigten Erwartungen der Aktionäre entsprechen". VW sieht sich durch Rechtsgutachten entlastet
VW sieht sich durch Rechtsgutachten entlastet
Mit Blick auf drohende Schadenersatz-Forderungen von Aktionären sieht sich der VW-Vorstand durch ein Rechtsgutachten entlastet. Dabei geht es um die Frage, ob Volkswagen die Kapitalmärkte zu spät über die manipulierten Messwerte bei Dieselautos informiert hat. Wie die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag aus Konzernkreisen erfuhr, heißt es in dem Gutachten, der Vorstand habe die Märkte nicht zu spät darüber in Kenntnis gesetzt.
Als der Vorstand von den Verstößen erfahren habe, sei es um die Abwägung gegangen, zunächst im Interesse des Konzerns den Sachverhalt aufzuklären oder direkt die Märkte zu informieren. Dabei sei es "vertretbar, wenn nicht sogar geboten" gewesen, dass der Vorstand zunächst den Sachverhalt intern habe klären wollen. Das Gutachten einer Frankfurter Rechtsanwaltskanzlei sei auch bei der Sitzung des VW-Aufsichtsratspräsidiums am Mittwochabend vorgestellt worden, hieß es. Ein VW-Sprecher bestätigte die Existenz des Gutachtens, wollte zum Inhalt aber keine Stellung nehmen.
Verschiedene Investoren erwägen nach Angaben von Kanzleien Klagen gegen VW, weil der Autobauer die Finanzmärkte zu spät informiert habe. Kurz nach Bekanntwerden der manipulierten Abgasttests war die VW-Aktie auf Talfahrt gegangen.
Wann genau der VW-Vorstand von den Verstößen erfahren hat, ist weiter unklar. Nach Medienberichten hat der damalige Vorstandschef Martin Winterkorn am 3. September gegenüber der US-Umweltbehörde EPA die Manipulation der Abgaswerte von Dieselfahrzeugen eingeräumt. Die EPA informierte darüber am 18. September. Winterkorn trat in der vergangenen Woche als Konzernchef zurück. (dpa)