Tanken ist in Deutschland so teuer wie nie zuvor. Nach Diesel hat nun auch Superbenzin der Sorte E10 eine Rekordhöhe erreicht, wie der ADAC am Mittwoch mitteilte. Im bundesweiten Tagesdurchschnitt des Dienstags kostete ein Liter E10 1,712 Euro - das sind 0,3 Cent mehr als am bisherigen Rekordtag, dem 13. September 2012. Diesel kostete 1,640 Euro pro Liter. Auch dies sei ein Rekord, der Kraftstoff hatte in den vergangenen Monaten aber schon mehrmals Höchststände erreicht. Beides zusammen lässt nun auch die Debatte um Entlastungen der Verbraucher hochkochen.
Wie es mit den Spritpreisen weiter gehe, sei extrem schwierig vorherzusagen, sagte ADAC-Kraftstoffmarktexperte Jürgen Albrecht. Zu den Faktoren, die Einfluss auf den Preis haben, gehörten "neben der Nachfrage auch internationale Krisen wie derzeit in der Ukraine, der Dollarkurs, Spekulation und natürlich der weitere Verlauf der Corona-Pandemie."
Es gebe aber auch Faktoren, die einen weiteren Anstieg auf lange Sicht eher bremsen würden: "So macht ein hoher Ölpreis Fracking finanziell wieder interessanter, was für mehr Angebot sorgt. Und es wäre auch nicht im Interesse der Opec+, auf Dauer einen zu hohen Ölpreis zu haben", erklärte Albrecht. Und zumindest bei Diesel fällt in den nächsten Monaten weg, dass dieser Kraftstoff im Herbst und Winter typischerweise teurer ist.
Entwicklung unter Beobachtung
Ein Regierungssprecher sagte, die Bundesregierung beobachte die Entwicklung und werde gegebenenfalls über weitere Maßnahmen diskutieren. Die Preissteigerungen seien vor allem darin begründet, dass die Weltwirtschaft anziehe und die Nachfrage steige.
Unions-Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU) warf der Regierungskoalition Untätigkeit vor. "Das ist ein Armutszeugnis und ein Schlag ins Gesicht für Millionen von Pendlern, die auf bezahlbare Spritpreise angewiesen sind", sagte er. Helfen könne beispielsweise eine dynamische Pendlerpauschale, die mit den Spritpreisen steige.
Der FDP-Verkehrspolitiker Bernd Reuther sagte, es gebe "mehrere Ansätze, die Menschen bei weiter steigenden Benzinpreisen zu entlasten. Der Weg über die Pendlerpauschale lässt viele Betroffene allerdings außen vor." Einig sind sich Reuther und Lange aber darin, dass Mobilität für alle bezahlbar bleiben müsse.
Thema "ganzheitlich betrachten"
Dorothee Martin, die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, verwies dagegen darauf, dass man das Thema Energiepreise "ganzheitlich betrachten" müsse. Unter anderem würden Bürger durch die geplante Abschaffung der EEG-Umlage oder Heizkostenzuschüsse entlastet. Zudem hätten Geringverdiener durch die Erhöhung des Mindestlohns mehr Geld zur Verfügung. Langfristig müsse Deutschland durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien unabhängiger von Energieimporten und damit schwankenden Preisen werden.
Nicht nur Verbraucher, auch das Transportgewerbe leidet unter den hohen Spritpreisen. Der Branchenverband BGL warnte, dass Unternehmen, die die Kostensteigerungen nicht weitergeben könnten, in ihrer Existenz bedroht seien. Auch er forderte Maßnahmen von der Regierung.
Dass der Sprit derzeit vielen Menschen extrem teuer erscheint, hängt auch damit zusammen, dass die Preise während der Corona-Pandemie auf mehrjährige Tiefstände gefallen waren und seither stark gestiegen sind. Im Vergleich zum teuren Herbst 2012 dagegen sind die Preise nur leicht gestiegen. Zieht man die Inflation in Betracht, hätte sich der Sprit in diesem Zeitraum sogar verbilligt.
Steuern und Abgaben machen Großteil aus
Einen großen Teil des Kraftstoffpreises an der Zapfsäule machen Steuern und Abgaben aus. Bei Super E10 sind das auf dem aktuellen Preisniveau gut 27 Cent Mehrwertsteuer, knapp 65,5 Cent Energiesteuer sowie der Kohlendioxid-Preis, der bei E10 ohne Mehrwertsteuer je nach wirklicher Biospritbeimischung zwischen sechs und sieben Cent ausmacht.
Wie stark die steigenden Kosten an der Zapfsäule Autofahrer treffen, hängt vor allem vom Fahrzeug, seiner Fahrleistung und der Frage ab, welche Spritpreise man vergleicht. Legt man beispielsweise Super E10, 12.000 Kilometer im Jahr und einen Verbrauch von 7,5 Litern pro 100 Kilometern zugrunde, wären es im Vergleich zum Durchschnittspreis des Januar 2020 - also vor der Pandemie - monatliche Mehrkosten von gut 23 Euro. Zieht man für den Vergleich allerdings die tieferen Preise aus dem April und Mai 2020 heran, sind es bei gleicher Fahrleistung mehr als 40 Euro pro Monat.
Wer an der Tankstelle sparen möchte, dem empfiehlt der ADAC abends zu tanken. Dann ist Sprit meist mehrere Cent billiger als am Morgen. Zudem könnten viel mehr Autofahrer zum günstigeren E10 greifen, als dies im Moment tun.
Dieter Michael Hölzel