Die IG Metall verlangt mehr Mitbestimmung und ein Ende des Doppelstimmrechts für Aufsichtsratsvorsitzende in Aktiengesellschaften. Insbesondere bei Standort-Entscheidungen reiche es nicht aus, nur nach den Interessen der Aktionäre zu handeln, sagte der Leiter des IG-Metall-Bezirks Mitte, Jörg Köhlinger, der Deutschen Presse-Agentur. In Zeiten der starken öffentlichen Unterstützung für Betriebe während der Corona-Pandemie müssten sämtliche Interessensgruppen berücksichtigt werden.
"Es geht um tausende Schicksale und den Erhalt von Industriearbeitsplätzen", sagte der Gewerkschafter zum Fall des Autozulieferers Continental, der allein in Deutschland 13.000 Stellen streichen und dafür unter anderem Produktionswerke in Aachen sowie in den hessischen Standorten Babenhausen und Karben schließen will. Das Sparprogramm sei 2019 gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter beschlossen worden und solle nun ohne Abstriche durchgezogen werden, sagte Köhlinger. "Diese Herr-Im-Haus-Haltung reicht aber nicht, um die Transformation der Autoindustrie zu bewältigen."
Die Doppelstimme des von der Kapitalseite gestellten Vorsitzenden kommt zum Tragen, wenn es bei Abstimmungen in einem paritätisch besetzten Aufsichtsrat ein Patt gibt. Das sorgt dafür, dass die Arbeitgeberseite die Arbeitnehmer im Zweifel immer überstimmen kann. Auch die IG BCE hat sich mit Blick auf Conti-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle für eine Änderung des Mitbestimmungsgesetzes ausgesprochen.
Gespräche abgebrochen
Die IG Metall hatte die Gespräche mit dem Conti-Management abgebrochen, weil man "keine Ansatzpunkte für mögliche Kompromisse" mehr gesehen habe. Nach mehreren Warnstreiks befinde man sich in Babenhausen in einem "Eskalationsszenario", warnte Köhlinger. "Wenn das Management nicht einlenkt, ist eine Urabstimmung zum unbefristeten Streik möglich."
Conti habe es bislang versäumt, nach alternativen Beschäftigungsfeldern für den Standort zu suchen, an dem rund 2.500 Mitarbeiter gehen sollen, sagte der Bezirkschef. Aus rechtlichen Gründen kann die IG Metall nicht gegen die Schließung des Werkes streiken, wohl aber für die Durchsetzung eines kostspieligen Sozialtarifvertrags, zu dem es bereits erste ergebnislose Verhandlungen gegeben hat.
Eine verlässliche Planung von Investitionen, Produktplatzierungen und ihren Auswirkungen auf die Beschäftigten will die Gewerkschaft auch im Rahmen des Flächentarifs für die Metall- und Elektroindustrie über sogenannte Zukunftstarifverträge durchsetzen. In Teilen hätten die Unternehmen den notwendigen Umbau zu Elektroantrieben und Digitalisierung schlichtweg verschlafen und jahrelang hohe Gewinne einkassiert, sagte Köhlinger.
Forderung nach vier Prozemt mehr Geld
In der ersten Verhandlungsrunde hätten die Arbeitgeber dann eine "diabolische Freude an schlechten Zahlen" an den Tag gelegt und Hinweise auf eine schnelle Erholung geleugnet. Köhlinger verteidigte die bundesweit einheitliche Forderung nach vier Prozent mehr Geld als "moderat", zumal das Geld auch zum Teillohnausgleich bei einer Arbeitszeitverkürzung genutzt werden könne. Beschäftigte wie Unternehmen schätzten zusätzliche Flexibilität bei den Arbeitszeiten. Für die Menschen sichere das Arbeitsplätze, gebe Raum für Qualifizierung und führe zu einer besseren Vereinbarkeit von Leben und Arbeit. (dpa)