Mit der Einführung der batteriebetriebenen Fahrzeuge kommt es auch bei alternativen Vertriebskonzepten zu etwas Bewegung. Das seit vielen Jahren im Prinzip bewährte Vertragshandelssystem steht auf dem Prüfstand. Zweifellos ist aus vielfältigen Gründen eine Neuausrichtung notwendig. AUTOHAUS-Autor Walter Missing hat dies in AUTOHAUS 3/2021 und im AUTOHAUS Podcast ausführlich vorgestellt. Für den Handel geht es dabei in erster Linie um Rentabilität, Profitabilität und Zukunftssicherung.
Zunächst ist es erfreulich, dass die Autobauer erkannt haben, dass erfolgreicher Mobilitätsvertrieb ohne Handel nicht funktioniert. Wenn man von den Besserwissern Tesla und Polestar absieht, will der Großteil nicht auf den Handel verzichten. Jetzt geht es aber darum, die Rollen neu zu definieren. Wenn beispielsweise Volkswagen von „one face to the customer“ spricht und man sich an die Kunden mit einer Stimme wenden will, so sollte dazu auch eine Erklärung abgeliefert werden, wie man sich dies vertrieblich vorstellt. Auch sollten die Partner darüber informiert werden, in welcher Form die Beute, die künftig auch aus digitalen Dienstleistungen bestehen soll, verteilt wird. Das bisher für die E-Mobile eingeführte unechte Agentursystem zeigt, dass man bereit ist, auf den Handel zuzugehen.
Aber auch die Händler sind von neuen Vertriebssystemen nicht alle überzeugt. Im aktuellen AUTOHAUS Panel fürchten viele um ihre unternehmerische Freiheit und möchten am Vertragshändlersystem festhalten. Man würde sich dazu auch vom Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) konkretere Aussagen wünschen. Es ist sicher öffentlichkeitswirksam, im Gespräch mit dem EU-Parlamentarier und EVP-Fraktionschef Manfred Weber unter anderem über Investitionsschutz, Kündigungsfrist, Datenschutz und Standards zu sprechen. Ob dies allerdings einen wesentlichen Beitrag zur aktuellen Diskussion leistet oder Lösungen bietet?
So warnt der ZDK vor dem Online-Direktvertrieb – und Volvo führt diesen für alle Autos mit Kabel mit Zustimmung des Händlerverbands ein. Mit acht Prozent Provision scheinen die Volvo-Händler – ab 2030 ausschließlich – gut leben zu können. Beim Agenturgeschäft von Volkswagen gibt es sechs Prozent. Auch Cupra wird eine unechte Agentur einführen. Lexus muss beim 300e auf den Direktvertrieb setzen, weil die Händler mit der gebotenen Marge nicht einverstanden sind. Die zum chinesischen SAIC-Imperium gehörende Marke MG ist gerade dabei, das Vertriebsnetz als unechte Agentur zu installieren. Die Provision beläuft sich auf knapp zehn Prozent.
Fakt ist: Das Thema ist komplex. Es wird keine einfachen Lösungen geben. Die einzige deutsche Marke, die neben Volvo bisher mit Ansage den Vertrieb komplett umbaut, ist Mercedes. Nach Angaben von Insidern ist man als einzige Vertriebsorganisation dabei, eine echte Agentur zu etablieren. Bei der Umsetzung wird der neue Chef des deutschen Vertriebs (MBVD), Jörg Heinermann, eine wichtige Rolle spielen. Dass man die MBVD jetzt an die Region Europa angedockt hat, belegt, dass es eine europäische Lösung geben wird. Ein Ziel lautet: deutlich höherer Profit pro Auto auch auf Kosten der Stückzahlen.