Im Fall des Kartellverdachts gegen die deutsche Autoindustrie hat der Daimler-Konzern bei den EU-Behörden den Status als Kronzeuge beantragt. Man könne das nun öffentlich machen, sagte Finanzchef Bodo Uebber am Freitag und bestätigte damit, worüber lange spekuliert worden war. "Es ist gegenwärtig offen, ob die Europäische Kommission ein formelles Verfahren einleiten wird", sagte Uebber weiter - und betonte außerdem, dass Daimler derzeit keine Notwendigkeit sehe, ein finanzielles Polster für mögliche Strafen zu bilden.
Der Kronzeuge in Kartellverfahren darf in der Regel auf den größten Nachlass bei Strafzahlungen bis hin zur kompletten Verschonung hoffen. Noch immer ist allerdings unklar, was an den Vorwürfen überhaupt dran ist. "Mehr dürfen wir hierzu derzeit auf Grund des erwähnten Antrags auf Bußgeldimmunität nicht sagen", sagte Uebber. Daimler kooperiere weiterhin vollumfänglich mit den Behörden. Wann genau der Konzern den Antrag eingereicht hat und was er darin den Aufsehern preisgibt, wollte der Finanzchef auch auf Nachfrage nicht sagen.
Bei der EU-Kommission läuft derzeit eine Voruntersuchung zu den Vorwürfen. BMW und Daimler sowie VW samt Töchtern Audi und Porsche sollen sich jahrelang in geheimen Zirkeln über ihre Autos, Kosten und Zulieferer ausgetauscht haben. Solche Absprachen unter Autobauern sind durchaus üblich - zum Beispiel, um Standards für die Ladung von Elektroautos abzusprechen. Die Frage ist aber, ob in diesem Fall eine Grenze überschritten wurde.
Daimler kam VW zuvor
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Sommer hatte es in Medienberichten geheißen, dass auch der Volkswagen-Konzern schon vor einiger Zeit eine Art Selbstanzeige rund um den Kartellverdacht bei den Behörden eingereicht habe. Daimler soll den Wolfsburgern aber noch zuvorgekommen sein. VW blieb am Freitag bei der Strategie, an die sich auch Daimler zuvor lange gehalten hatte: Kein Kommentar.
Ein BMW-Sprecher sagte auf Anfrage, die EU-Kommission habe in dieser Woche Mitarbeiter zur Prüfung in die Münchner Konzernzentrale entsandt. Auch er betonte, dass die Kommission kein formelles Verfahren eingeleitet habe. Die Mitarbeiter hätten eine sogenannte Nachprüfung durchgeführt, BMW unterstütze die EU-Kommission bei ihrer Arbeit. Einzelheiten nannte der Sprecher nicht. Wegen der laufenden Prüfung werde BMW darüber hinaus nichts weiter sagen.
Die EU-Kommission teilte mit, es habe eine "nicht angekündigte Prüfung" bei einem deutschen Autobauer gegeben. Namen nannte sie nicht. Ein VW-Sprecher sagte auf Anfrage, dass bisher keine Mitarbeiter der EU-Kommission in Wolfsburg oder Ingolstadt tätig waren. Auch bei Daimler waren keine Mitarbeiter der Brüsseler Behörde erschienen.
Hohe Kosten schmälern Daimler-Gewinn
Im Tagesgeschäft der Stuttgarter wirken sich die immer neuen Bestwerte bei den Verkaufszahlen auf die Bilanz aus. Hohe Kosten unter anderem für eine Rückrufaktion sowie die versprochenen Software-Updates bei Diesel-Fahrzeugen schmälern den Gewinn im dritten Quartal jedoch erheblich, wie der Konzern am Freitag ebenfalls bekanntgab. Daimler will insgesamt drei Millionen Diesel nachbessern, um den Schadstoffausstoß zu reduzieren. Außerdem ruft der Konzern mehr als eine Million Wagen wegen defekter Kabel in der Lenksäule zurück. Beides zusammen kostet die Stuttgarter gut eine halbe Milliarde Euro.
Während der Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal um sechs Prozent auf rund 40,8 Milliarden Euro wuchs, ging der Gewinn vor Zinsen und Steuern um 14 Prozent auf rund 3,46 Milliarden Euro zurück. Unter dem Strich blieben für die Aktionäre 2,18 Milliarden Euro übrig - 16 Prozent weniger als vor einem Jahr.
Unmittelbar vor der Automesse IAA im September hatte Daimler ein milliardenumfassendes Sparpaket für Mercedes-Benz bis 2025 präsentiert, um Geld für Investitionen auf die Seite legen zu können. Außerdem hat der Vorstand inzwischen erste Schritte hin zu einer neuen Konzernstruktur beschlossen. Damit verbunden ist auch eine langfristige Jobsicherung für die Belegschaft. (dpa)
Emma
egonsamu