Von Gabriele Chwallek und Benedikt von Imhoff, dpa
Mit angedrohten Strafzöllen auf europäische Autos hat Donald Trump den Handelskonflikt mit der EU angeheizt und einen der wichtigsten deutschen Industriezweige aufgeschreckt. Branchenvertreter warnten vor den Folgen eines Handelskriegs und wiesen auf die Bedeutung der deutschen Autokonzerne für die US-Wirtschaft hin. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) rief Trump zur Mäßigung auf. Doch der US-Präsident zeigt sich unbeirrt – und will noch diese Woche seinen international scharf kritisierten Plan für Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte umsetzen. US-Handelsminister Wilbur Ross verteidigte das Vorgehen.
Die USA hätten nach dem Zweiten Weltkrieg alle Arten von einseitigen Konzessionen gemacht, um den Wiederaufbau zu fördern, sagte Ross am Sonntag dem Sender ABC und erwähnte Deutschland sowie Japan namentlich. Das habe damals auch Sinn gemacht, aber nicht mehr heute. Beide Länder seien mittlerweile starke und große Wirtschaftsmächte. "Eine Menge Geschichte muss rückgängig gemacht werden." US-Medien nannten Trumps neue Attacke wegen der Bedeutung der deutschen Autoindustrie eine "direkte Drohung" gegen Deutschland.
Nach Berechnungen des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer wären vor allem die VW-Töchter Audi und Porsche von Strafzöllen betroffen, die anders als die VW-Kernmarke, BMW oder Daimler keine eigenen Werke in den USA unterhalten. Für Volkswagen rechnet Dudenhöffer im Fall von Strafzöllen mit Gewinneinbußen von rund fünf Prozent, falls die Exporte aus den USA nicht – wie eigentlich üblich – gegengerechnet würden. Bei Daimler und BMW errechnete der Leiter des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen in diesem Fall einen Rückgang von "weniger als zehn Prozent". Stärker getroffen würden etwa der britische Hersteller Jaguar Land Rover oder die schwedische Marke Volvo.
Der Autoexperte Stefan Bratzel nannte Strafzölle eine "Katastrophe" für die deutsche Branche. Gerade im Premiumsegment seien die Autobauer "enorm" abhängig von Ausfuhren, auch in die USA.
"In einem Handelskrieg gibt es nur Verlierer"
Deutsche Unternehmen exportierten nach Angaben des Verbands der Automobilindustrie (VDA) im vergangenen Jahr insgesamt 494.000 Autos in die USA, das war mehr als ein Viertel weniger als noch 2013. Die Verkäufe in den Vereinigten Staaten legten demnach 2017 in der Summe im Vergleich zum Vorjahr um etwa ein Prozent auf 1,35 Millionen Neuwagen zu. Der Marktanteil lag bei 7,9 Prozent, etwas höher als noch 2016. Die deutschen Hersteller beschäftigen 36.500 Mitarbeiter in den USA. VDA-Präsident Bernhard Mattes warnte: "Ein Handelskrieg zwischen den USA und Europa muss auf jeden Fall vermieden werden. In einem solchen Handelskrieg gibt es nur Verlierer, auf allen Seiten."
Bratzel wies Trumps Vorwurf, US-Autobauer würden in Europa benachteiligt, als "völligen Blödsinn" zurück. US-Autos mit zumeist großem Verbrauch seien in Europa einfach nicht gefragt, es handele sich also eher um ein Designproblem. "Die US-Hersteller haben zum Beispiel keine Premiumprodukte", sagte Bratzel vom Autoinstitut der Wirtschaftshochschule Bergisch Gladbach der Deutschen Presse-Agentur.
Auch ein Branchenvertreter, der namentlich nicht genannt werden wollte, betonte: "Das ist keine Frage der Zölle, sondern der Modelle." Er verwies darauf, dass etwa Pick-ups und SUV in Amerika mit 25 Prozent höher besteuert würden als in der EU mit 22 Prozent. Fast alle deutschen Konzerne bauen ihre Fahrzeuge für den US-Markt bereits in den Vereinigten Staaten. So stellt BMW etwa die X-Reihe dort her – und verschifft die Fahrzeuge dann nach Europa. US-Konzerne wie Ford handhaben es ähnlich und produzieren ihre Autos für den europäischen Markt in der EU auch in der Gemeinschaft.
Zuvor hatte Trump bereits Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf alle Stahlimporte angekündigt. Damit will er die heimische Industrie abschirmen. Auf Aluminium-Einfuhren sollen zehn Prozent erhoben werden. Damit werden Importe in die USA teurer.
Nach den Worten von US-Handelsminister Ross ist davon auszugehen, dass es bei Pauschal-Zöllen bleibt – ohne Ausnahmen für einzelne Länder. Wie es aussehe, werde es ein "ziemlich breiter Pinselstrich". Kritik, dass die geplanten Zölle zu Jobverlusten in den USA und Preisanstiegen führen würden, wies Ross zurück. "Die gesamte Summe der Zölle, die wir erheben, beträgt ungefähr neun Milliarden Dollar im Jahr", sagte er. "Das ist ein Bruchteil von einem Prozent der Wirtschaft. Daher ist die Behauptung falsch, dass es eine Menge Arbeitsplätze zerstören, Preise anheben würde."
EU droht mit Vergeltungsmaßnahmen
Die EU hatte Vergeltungsmaßnahmen angekündigt und will etwa Bourbon-Whiskey oder Harley-Davidson-Motorrädern höher besteuern. EU-Vizekommissionspräsident Jyrki Katainen bekräftigte die Pläne: "Wir können (...) nicht akzeptieren, dass die US-Regierung versucht, über einseitige Maßnahmen das Handelsdefizit mit EU-Staaten auszugleichen", sagte Katainen dem "Handelsblatt" (Montag). Ross zeigte sich unbeeindruckt. Es gehe nur um ein Volumen von "drei Milliarden Dollar oder so", sagte er. Das sei eine "ziemlich triviale" Summe.
Auch die Nachbarländer und wichtigen Stahllieferanten Kanada und Mexiko drohten Vergeltungsmaßnahmen an. Experten warnten, Stahl-Zölle gefährdeten die Verhandlungen der beiden Länder mit den USA über eine von Trump geforderte Neuauflage des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta. Auch China kündigte eine Reaktion an. Großbritanniens Regierungschefin Theresa May zeigte sich "tief besorgt".
Zugleich meldeten sich auch Volkswirte und Wirtschaftsführer in den USA zu Wort und warnten, die Zölle könnten zum Bumerang für die "America-First"-Agenda des Präsidenten werden. Vertreter der Autobranche, Getränkehersteller und Baufirmen befürchten eine Verteuerung ihrer Produkte, weil die Einkaufspreise für das Rohmaterial wie etwa Getränkedosen nach oben gehen könnten. Dagegen begrüßten Vertreter der Stahl- und Aluminiumbranche in den USA sowie Arbeitnehmervertreter Trumps Schritt.
In den USA sind 6,5 Millionen Menschen direkt und indirekt mit der Verarbeitung von Stahl- und Aluminium beschäftigt – aber nur wenige Hunderttausend mit der Erzeugung. Die USA führen nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums derzeit Stahl im Wert von 24 Milliarden Dollar ein und sind damit der weltgrößte Importeur. Vier Prozent kommen demnach aus Deutschland. Deshalb sehen sich deutsche Hersteller nur wenig betroffen.
rr