In der chinesischen Auto-Liga spielt Great Wall Motor – kurz GWM – im oberen Drittel mit. Rund 1,4 Millionen Fahrzeuge hat der Konzern 2023 verkauft. Macht Platz acht unter den größten chinesischen Autobauern und Rang 18 weltweit. Rund 300.000 Autos wurden in etwa 170 Länder exportiert. Das hört sich jetzt noch nicht nach Champions League an. Doch, wer sich etwas näher mit dem Team aus Baoding beschäftigt, erkennt die Dynamik dieses Unternehmens. Denn gerade in den Wachstumssegmenten und Schlüsseltechnologien spielt Great Wall Motor stark auf.
Als treibende Kraft hinter dem Konzern steht Wei Tianjin (60), von allen Jack Wey gerufen. Der CEO ist populär und eine Art chinesischer Elon Musk, nur in sympathisch. Nachdem Great Wall Motor 1984 als erster privater Automobilhersteller Chinas gegründet wurde, übernahm Wey 1990 im Alter von gerade mal 26 Jahren das Unternehmen und brachte es 2003 an die Börse. Heute zählen fünf Marken und über 100 Tochtergesellschaften zum Portfolio des Selfmade-Milliardärs.
Breit aufgestellt
Die Ableger Haval, Wey und Tank haben GWM zum erfolgreichsten SUV-Hersteller Chinas gemacht, unter dem Label Ora laufen die Elektromobile, die Tochter Poer hat sich auf den derben Charme der Pick-ups spezialisiert. Als sechstes Kind folgt noch in diesem Jahr die Motorradmarke Souo. Auf der Peking Auto Show stellte GWM gerade einen spektakulären Achtzylinder-Boxermotor vor, der in einer chinesischen Gold-Wing der Bike-Ikone Harley-Davidson die Basstöne beibringen soll.
GWM Wey 05
BildergalerieGreat Wall Motor kann aus dem Vollen schöpfen. 2023 erwirtschaftete das Unternehmen allein in China einen Umsatz von mehr als 22 Milliarden Euro. Über 70.000 Mitarbeiter stehen auf dem Lohnzettel, es gibt fünf Software-Zentren, neun Stützpunkte für Forschung und Entwicklung. Das Design entsteht weltweit in acht Studios, eines davon in München. Produziert wird an acht Standorten in China und zwei im Ausland (Thailand, Brasilien). Weitere, wohl auch in Europa, sollen folgen.
Technik besser und billiger machen
Ähnlich wie einst die Koreaner, gehen auch die Chinesen nur selten ins Risiko und versuchen nicht Technik gänzlich neu zu erfinden. Vielmehr wollen sie bestehende Komponenten besser machen, vor allem aber billiger. "Beim Hybridgetriebe zum Beispiel sind wir 30 Prozent günstiger als ZF", sagt Technik-Vorstand Gerhard Henning, der auf eine 25-jährige Karriere bei VW und Mercedes zurückblickt und jetzt auch schon zehn Jahre im Team von GWM spielt. Noch profitieren die meisten chinesische Hersteller von der Expertise erfahrener Ingenieure aus der alten Autowelt. Angesichts der massenweise hervorragend ausgebildeten Uni-Absolventen in China dürfte sich das in naher Zukunft ändern. Zudem kommt den chinesischen Autofirmen zugute, dass Zulieferer zumeist hundertprozentige Töchter der Unternehmen sind. Man hat also volle Kontrolle über Entwicklung, Kosten und Strategie. So auch bei GWM. Die Fertigungstiefe liegt bei 70 bis 80 Prozent, auch die Software entsteht komplett im eigenen Haus. Damit hat man die komplette Wertschöpfungskette in eigener Hand – von den Rohstoffen bis zur Produktion.
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Beim Batteriespezialisten Svolt ging GWM den umgekehrten Weg. Bereits 2012 von GWM als Business-Unit gegründet, wurde der Hersteller aus Changzhou mittlerweile als eigenständiges Unternehmen ausgegliedert (GWM hält noch 40 Prozent). Das verspricht mehr Profit. Heute beliefert Svolt große internationale Automobilfirmen wie Stellantis oder Geely und zählt zu den weltweit zehn größten Herstellern von Fahrzeugbatterien.
Hybridantrieb im Fokus
Diese Positionierung sagt auch viel über die strategische Ausrichtung von GWM. Denn von einem stringenten Elektro-Weg ist der Konzern weit entfernt. Jack Wey fordere "nahezu im Wochentakt neue Verbrennermotoren", sagt Henning mit einem Schmunzeln. Obwohl der vornehmlich aus Kohle (66,5 Prozent) erzeugte Strom stark vom Staat subventioniert wird und die Kilowattstunde nur neun Cent kostet, ist der Elektro-Funke in China noch nicht wirklich übergesprungen. "Es gibt noch viel zu wenig öffentliche und private Ladestationen in den Ballungsräumen", so Henning. "Deshalb wollen die Leute Hybride haben." Aktuelle Zahlen untermauern das: Im ersten Quartal 2024 gingen rund 70 Prozent aller weltweit verkauften Plug-in-Hybride aufs Konto chinesischer Kunden.
GWM Ora 07
BildergalerieEine Steilvorlage für GWM, die sich gerade bei den PHEV ins Zeug legen. Die Premium-SUV Wey 03 und Wey 05 – seit Anfang 2024 auch bei uns erhältlich – könnten auf Sicht eine elektrische Reichweite von rund 300 Kilometer bekommen. Steigende Zulassungszahlen von Plug-in-Hybriden in Deutschland zeigen, dass dieser Antrieb wieder Fahrt aufnimmt. Auch deshalb beschäftigt sich GWM intensiv mit dem Gedanken, weitere Produkte nach Deutschland zu holen.
Diese Modelle könnten nach Deutschland kommen
Denkbar ist ein kompakterer SUV, der im C-Segment unter dem Label GWM Haval antreten könnte. Der neue Haval H6 wäre so ein Kandidat. In China startet er bereits für umgerechnet unter 20.000 Euro. Aber auch die Offroad-Marke Tank wäre interessant für den deutschen Markt. Hier kommt etwa der Tank 300 HEV in Frage, der rein zufällig dem Jeep Wrangler ähnelt und auf dem Heimatmarkt ab knapp über 26.000 Euro zu haben ist.
Bereits sicher ist, dass die Elektromarke GWM Ora Zuwachs erhält. Nach dem viertürigen Coupé GWM Ora 07 soll bei uns 2025 – ebenfalls im C-Segment – ein vollelektrischer SUV an den Start gehen. Es bleibt also spannend, welche neuen Spieler GWM in Zukunft für die deutsche Auto-Liga verpflichten wird. Nach Abstiegskampf hört sich das auf jeden Fall nicht an.
Martin