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Frauen im Top-Management: VW fürchtet den Eller-Effekt

10.08.2015 10:00 Uhr
Elke Eller ist die dritte Spitzenmanagerin, die den VW-Konzern in den vergangenen Monaten verlassen hat.

Die Autowelt ist ein Spielplatz für Männer. Doch reicht das noch in einer Branche, die von Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder alternativen Energieträgern aufgemischt wird? VW jedenfalls kämpft mit zu viel Männlichkeit.

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Von Heiko Lossie, dpa

Frau am Steuer? Auf der weltgrößten Automesse IAA diesen September in Frankfurt am Main wird die Rollenverteilung wieder altbekannt sein: Frauen haben einen kurzen Rock und posieren neben den neusten Wagen. Männer dagegen haben das Sagen. Sie erklären die Technik an den Ständen, bahnen Vertragsabschlüsse an oder führen Debatten auf den Podien. Top-Managerinnen muss man auf der IAA suchen. Und das ist ungesund für die Wettbewerbsfähigkeit der Branche – sagt die Wissenschaft. Und das sagt auch ein Automann mit Rieseneinfluss: Bernd Osterloh.

Der mächtige VW-Betriebsratschef ist für die Schonungslosigkeit gefürchtet, mit der er mitunter den eigenen Laden anprangert. So nannte Osterloh die Schwäche von VW-Pkw in den USA schon einmal eine "Katastrophenveranstaltung". Und nun hat er wieder losgepoltert. Diesmal für die Frauen. Als zum vergangenen Wochenende bekannt wurde, dass VW eine Top-Managerin an die Tui verliert, kritisierte Osterloh: "Anscheinend ist Volkswagen als technikgetriebenes Unternehmen nach wie vor nicht in der Lage, Frauen auf Top-Positionen langfristig zu binden. Daran muss das Unternehmen härter arbeiten."

Gekündigt hatte Elke Eller, Personalchefin der Marke VW-Nutzfahrzeuge (VWN). Und sie ist nicht alleine. Erst vor wenigen Wochen ging die Leiterin der Investorenabteilung, Christine Ritz, und vor einem Jahr die Personalchefin der Tochter Bentley, Ariane Reinhart. Für Osterloh ist das in Kürze "der dritte Abgang einer Frau auf dem Top-Level". Er warnt den Konzern: "Das sollten wir uns auf Dauer nicht leisten."

Dax-Konzerne tun sich schwer

Fehlende Weiblichkeit ist zwar kein VW-Phänomen. Im Frühling ergab eine Auswertung der Deutschen Presse-Agentur, dass der Frauenanteil in den Vorstandsetagen der 30 Börsenriesen im Dax nur bei gut acht Prozent lag. Siemens, der Versicherer Munich Re und Lufthansa waren die Einzigen mit schon zwei Vorstandsfrauen. Gut die Hälfte der Dax-Konzerne war noch immer eine reine Männerrunde.

Bei den Autobauern jedoch sticht VW als Herrenveranstaltung heraus: Denn bei BMW hält Milagros Caiña Carreiro-Andree seit drei Jahren ein Vorstandsamt, bei Daimler sitzt sogar schon seit gut vier Jahren Christine Hohmann-Dennhardt im obersten Machtgremium. Sie sagte der dpa 2012 einmal, dass Frauen die reinen Männerzirkel allein schon deshalb positiv beeinflussten, "weil dann die Art der Kommunikation einfach eine andere ist". Forscher haben längst vielfach belegt, dass gemischte Teams mehr Erfolg haben. Das gilt für Alter, Erfahrung, Herkunft – und den Geschlechter-Mix. Eine Analyse des Beratungsunternehmens EY unter den 300 größten börsennotierten Unternehmen Europas legte nahe: Vorsicht vor reinen Männerzirkeln an der Unternehmensspitze. Sind Frauen dabei, machen die Firmen mehr Gewinn.

"Frau braucht ein dickes Fell"

Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin beschäftigt sich seit Jahren mit Aufstiegschancen von Frauen in Führungspositionen. Sie weiß, dass es Vorbilder ganz oben braucht. Allerdings: "Man braucht als Frau insbesondere in Top-Positionen wirklich ein dickes Fell", sagt Holst. Neben den üblichen Herausforderungen an die Führungskräfte generell hätten es Frauen als Frauen doppelt schwer. "Man muss Attacken aushalten können, die auf das Anderssein als Frau abzielen, und darüber hinaus ja auch allen Ansprüchen genügen", sagt Holst und betont die Bedeutung der Unternehmenskultur, die sich aber nicht abrupt ändern lasse. So wachse zwar das Verständnis für die Vorteile gemischter Teams und Frauen in Führungspositionen. "Aber die Umsetzung bleibt noch weit hinter den Ansprüchen zurück."

Und dass Frauen das Weite suchen, wenn sie ganz oben angekommen sind, ist nicht selten. Siemens-Vorstandsfrau Brigitte Ederer etwa ging vor einem Jahr, bei der Bahn war es kürzlich mit der Technikchefin Heike Hanagarth die bisher einzige Vorstandsfrau. Die VW-Konkurrenz General Motors dagegen hat mit Mary Barra sogar eine Frau als Konzernchefin.

Die erste Vorstandsfrau in der Geschichte des Autozulieferers Conti, Elke Strathmann, wollte mehr Frauen für den Konzern begeistern und die Unternehmenskultur verändern. Doch dann musste sie 2014 nach gut zwei Jahren gehen. Ihre Nachfolgerin, Ariane Reinhart, kam von VW – Frauen mit Führungserfahrung ganz oben sind rar. Umso wichtiger scheint es, sie zu halten und weibliche Talente überall zu stärken.

Hoher Anteil an jungen Akademikerinnen

Immerhin ist bei Europas größtem Autobauer inzwischen jeder dritte neu eingestellte Mitarbeiter mit einem Hochschulabschluss weiblich. Der Frauenanteil unter Akademikern hat sich damit binnen acht Jahren fast verdoppelt. Doch der Anteil der Frauen in Führungsposition ist mit gut zehn Prozent noch klein. "Langfristig", so das Ziel, sollen auf 30 Prozent aller Posten Frauen sitzen. Auch ganz oben.

Osterloh selber hat übrigens die Chance, die reine Männerrunde im VW-Vorstand zu beenden. Personalchef Horst Neumann hört demnächst auf – die Arbeitnehmerseite hat das Vorschlagsrecht für dessen Nachfolger. (dpa)

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