Von Claas Hennig, Jens Marx und Martin Moravec, dpa
Die Ära Bernie Ecclestone ist nach mehr als 40 Jahren in der Formel 1 beendet. Der neue Besitzer der Rennserie, Liberty Media, verkündete am Montag die Entmachtung des langjährigen Alleinherrschers und zugleich die Einsetzung von Chase Carey als neuem mächtigen Mann. "Ich bin stolz auf das Geschäft, das ich über die vergangenen 40 Jahre aufgebaut habe und auf all das, was ich mit der Formel 1 erreicht habe", wurde der schon 86-jährige Ecclestone in einer offiziellen Mitteilung zitiert. "Ich bin sehr erfreut, dass das Geschäft von Liberty übernommen wurde, und dass Liberty vorhat, in die Zukunft der Formel 1 zu investieren. Ich bin sicher, dass Chase seine Rolle auf eine Weise ausfüllen wird, die dem Wohle des Sports gilt." Ecclestone wurde immerhin zum Ehrenpräsidenten ernannt.
Die Ereignisse nahmen am Montag gehörig Fahrt auf. Ecclestone, der die Formel 1 seit Ende der 70er zu einem Milliarden-Geschäft gemacht hatte, hatte bei "Auto, Motor und Sport" seine Absetzung angekündigt. "Ich wurde heute abgesetzt. Bin einfach weg", zitierte das Magazin den Briten. Stunden später wurde es auch offiziell.
"Ich möchte anerkennen und Bernie danken für seine Führungskraft über die Jahrzehnte", sagte Carey und verkündete sogleich die Übernahme der Formel 1 als perfekt. "Der Sport ist heute, was er ist, wegen ihm und dem talentierten Team von Führungskräften, das er geführt hat." Ecclestone soll weiter sein Wissen und seine glänzenden Kontakte einbringen dürfen - nur die Macht wurde ihm genommen.
"Eine Art Ehrenpräsident"
Britische Medien hatten zuvor schon den (erzwungenen) Rücktritt des 86-Jährigen für diese Woche prophezeit. Ecclestone, der Ende der 70er-Jahre die TV- und Vermarktungsrechte der Formel 1 gekauft und damit für den Grundstein seines milliardenschweren Imperiums gesorgt hatte, ist nach eigenen Angaben nun "eine Art Ehrenpräsident. Ich führe diesen Titel ohne zu wissen, was er bedeutet".
Es hatte sich abgezeichnet und angedeutet. Das, was sich die Formel 1 trotz nicht weniger Skandale Ecclestones praktisch nie hatte vorstellen können. Gut zwei Monate vor dem Saisonauftakt am 26. März im australischen Melbourne gibt es eine Formel 1 ohne Bernie Ecclestone. Schon beim Kauf der ersten Anteile durch den neuen Besitzer sei er nicht gefragt worden, hatte Ecclestone vor Monaten beklagt. Jetzt hat er kaum noch etwas zu melden.
"Meine Tage im Büro werden jetzt etwas ruhiger", sagte er "Auto-motor-und-sport.de". "Vielleicht komme ich auch mal zu einem Grand Prix. Ich habe immer noch viele Freunde in der Formel 1. Und ich habe noch genug Geld, um mir den Besuch bei einem Rennen leisten zu können."
In der vergangenen Woche hatten die Aktionäre von Liberty Media dem Kauf der Mehrheitsanteile an der Rennserie zugestimmt. Anschließend erteilte auch der Weltverband FIA Grünes Licht für die Übernahme. Nur die EU-Wettbewerbshüter könnten das Geschäft noch stoppen.
Insgesamt soll Liberty Media für die Mehrheit an der Königsklasse des Motorsports 4,4 Milliarden Dollar (etwa 3,93 Milliarden Euro) zahlen. Zudem sollten Schulden von 4,1 Milliarden Dollar übernommen werden. Der Liberty-Anteil soll auf 35,3 Prozent wachsen, das Stimmrecht vollständig bei dem US-Konzern liegen. Bisheriger Hauptgesellschafter war seit 2005 das Finanzunternehmen CVC, das Ecclestone als Geschäftsführer eingesetzt hatte.
Noch kein konkretes Zukunftskonzept
Ein konkretes Zukunftskonzept der neuen Formel-1-Lenker ist - zumindest öffentlich - noch nicht bekannt. Auch die meisten anderen Vorstände im Formula One Management (FOM) sollen Medienberichten zufolge ihre Positionen verlieren. Für die Vermarktung ist der ehemalige Chef des US-Sportsenders ESPN, Sean Bratches, im Gespräch, für den Sport soll der einstige Ferrari- und Mercedes-Teamchef Ross Brawn künftig zuständig sein.
Ecclestone nahm zuletzt in erster Linie über die Vermarktung Gelder ein, hinzu kamen die Gebühren von den Rennstreckenbetreibern. Andere Bereiche wie soziale Medien oder den Verkauf von TV-Rechten hatte Ecclestone gar nicht oder nur unzureichend beachtet. Als "dysfunktional" soll der neue starke Mann Carey laut BBC das Modell bezeichnet haben. Auch Ecclestones Führungsstil erscheint anachronistisch. Der Brite herrschte und entschied allein, Demokratie war nicht sein Ding. Nun wurde er abgesetzt.