Nach dem Rücktritt des inhaftierten Konzernchefs Carlos Ghosn soll ein Manager-Duo den französischen Autohersteller Renault aus der Krise führen. Ghosns Aufgaben werden aufgespalten, entschied der Verwaltungsrat am Donnerstag. Der scheidende Michelin-Chef Jean-Dominique Senard (65) übernimmt den Präsidentenposten in dem Top-Gremium und ist auch für die von Ghosn entworfene und beherrschte Allianz mit dem japanischen Hersteller Nissan verantwortlich. Ghosns bisheriger Vize Thierry Bolloré (55) leitet als Generaldirektor das operative Geschäft.
Der als sozial eingestellt geltende Senard hat die Rückendeckung der französischen Mitte-Regierung: "Jean-Dominique Senard wird ein hervorragender Präsident von Renault sein", erklärte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire. Der Staat ist bei Renault mit 15 Prozent der Anteile dabei und hat ein gehöriges Wort mitzureden.
Mit dem glanzlosen Abgang des gebürtigen Brasilianers Ghosn endet beim Traditionshersteller Renault ein langes Kapitel. Der ebenso geachtete wie gefürchtete Autoboss war 2005 an die Spitze des Konzerns in Boulogne-Billancourt bei Paris gerückt. Vor gut zwei Monaten war der 64-Jährige in Tokio zusammen mit seiner früheren rechten Hand Greg Kelly wegen Verstoßes gegen Börsenauflagen festgenommen und angeklagt worden. Zudem soll er laut Staatsanwaltschaft private Investitionsverluste auf Nissan übertragen haben.
Autokratischer Führungsstil
Der Skandal in Japan führte auch bei Renault zu Unruhe und Verunsicherung. In der Renault-Mittelung wird Ghosn namentlich überhaupt nicht erwähnt, nur sein bisheriger Titel Président-directeur général wird genannt. "Es wurde Zeit", kommentierte die Tageszeitung "Le Monde". Ghosn habe eine Führung installiert, die autokratisch geworden sei. Der Verwaltungsrat habe lange Zeit Ghosn blind vertraut. Erst vor einem Jahr hatte das Top-Gremium eine weitere Amtszeit für Ghosn bis 2022 gutgeheißen.
Le Maire verkündete den Rücktritt des früher hofierten Top-Managers von Davos aus, wo die Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums läuft. Ghosn habe am Mittwoch den bisherigen Verwaltungsratschef Philippe Lagayette informiert. "Unser vorrangiges Ziel ist es, den Fortbestand der Allianz abzusichern", sagte der Ressortchef mit Blick auf die Bande mit Nissan. Ghosn hatte 1999 von Renault kommend den Chef-Sessel bei Nissan übernommen, um den verschuldeten Konzern aus der Krise zu führen.
Le Maire hatte zuvor deutlich gefordert, die Ära Ghosn zu beenden. Es müsse eine neue Etappe geben, wenn dieser dauerhaft verhindert sei. Bis zu einem Prozess von Ghosn können Monate vergehen, hieß es in Japan. Vor Gericht hatte der Top-Manager seine Unschuld beteuert.
Nissan begrüßt Management-Wechsel
Nissan hieß die Wende bei Renault gut. "Wir begrüßen diese Management-Wechsel bei Renault", erklärte Nissan-Chef Hiroto Saikawa in Yokohama. Der japanische Partner will die Kooperation mit den Franzosen nun beschleunigen. Er wünsche sich ein Treffen mit der neuen Konzernführung so bald wie möglich, sagte Saikawa. Er habe keinen Vorschlag von Renault erhalten, die beiden Unternehmen zu fusionieren.
Ghosn hatte bisher ungeachtet der Anschuldigungen bei Renault den Titel "Président-directeur général" behalten. Der Hersteller hatte aber bereits nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe Bolloré vorläufig die Geschäftsführung übertragen. Renault stellte danach bei der Bezahlung Ghosns für die Jahre 2017 und 2018 keine Unregelmäßigkeiten oder Betrug fest. Weitere Untersuchungen für die Jahre davor laufen noch.
Renault und Nissan sind wechselseitig aneinander beteiligt. Zu der Allianz gehört auch der japanische Hersteller Mitsubishi Motors. Renault hält 43,4 Prozent der Anteile an Nissan, die Japaner ihrerseits 34 Prozent an Mitsubishi. Nissan ist zu 15 Prozent an Renault beteiligt, hat aber dabei keine Stimmrechte.
Nur wenige Tage nach seiner Festnahme war Ghosn von Nissan und Mitsubishi als Verwaltungsratschef gefeuert worden. Insbesondere in Frankreich gibt es seit längerem Sorgen um den Bestand des von Ghosn aufgebauten und kontrollierten Auto-Imperiums. Laut französischen Medienberichten ist bisher nicht entschieden, ob der Manager bei Renault eine Abfindung erhält. Le Maire kündigte demnach von Davos aus an, sehr wachsam bei diesem Thema zu sein. (dpa)
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