Er ist einer der letzten Monarchen der Autobranche – Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn. Falsche Angaben zu seinen Einnahmen haben nun zu seiner Festnahme geführt. Aus Sicht der französischen Regierung Grund genug, für Renault eine kommissarische Führung zu verlangen. "Herr Ghosn ist heute nicht in der Lage, das Unternehmen zu führen", sagte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire am Dienstag dem Radionachrichtensender Franceinfo. Der französische Staat hält 15 Prozent der Anteile bei Renault. Der Autobauer selbst bestätigte, dass sein Verwaltungsrat am Dienstagabend zusammenkommen werde. An der Börse in Japan gerieten die Aktien von Nissan und Mitsubishi Motors unter Druck.
Ghosn war am Montag wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Börsenauflagen verhaftet worden. Internen Ermittlungen zufolge sollen Ghosn und ein weiterer Manager ihre Geldbezüge in offiziellen Berichten an die japanische Börse falsch dargestellt und in Ghosns Fall zu niedrig beziffert haben. Medien hatten berichtet, Ghosn habe seit 2011 über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt fünf Milliarden Yen (rund 40 Millionen Euro) Einkommen zu wenig angegeben.
Der gebürtige Brasilianer Ghosn, der auch über die libanesische und französische Staatsbürgerschaft verfügt, ist bei Nissan derzeit Verwaltungsratschef und bei Renault in Frankreich Vorstandschef. Außerdem führt er die gemeinsame weitreichende Allianz der beiden Autobauer, die überkreuz aneinander beteiligt sind. Nissan zufolge soll Ghosn ferner Firmeneigentum privat genutzt haben. Zu viel Machtkonzentration habe zu dem Fehlverhalten beigetragen, sagte Vorstandschef Hiroto Saikawa am Montag auf einer Pressekonferenz in Tokio.
Die französische Regierung betreibe nicht die förmliche Ablösung des Topmanagers, sagte Le Maire. "Wir haben keine Beweise." Der Renault-Verwaltungsrat sollte sich nach Auffassung Le Maires "in den kommenden Stunden" zusammenfinden, um eine kommissarische Führung für das Unternehmen zu bestimmen.
Libanon mischt sich in den Fall ein
Libanons Außenminister Gebran Bassil wies den Botschafter seines Landes in Tokio, Nidal Yahya, an, sich um den Fall Ghosn zu kümmern. Der Renault-Nissan-Chef solle die Möglichkeit erhalten, seine Sicht der Dinge darzustellen und sich zu verteidigen. "Ghosn ist ein libanesischer Staatsbürger und einer der libanesischen Erfolge im Ausland. Das libanesische Außenministerium wird ihm in dieser harten Prüfung zur Seite stehen und sicherstellen, dass er einen fairen Prozess bekommt", hieß es in einer Mitteilung, die von der staatlichen Nachrichtenagentur NNA veröffentlicht wurde.
Japans Regierungssprecher Yoshihide Suga nannte die Festnahme des Nissan-Verwaltungsratschefs "sehr bedauerlich". "Wir werden genau beobachten, wie sie sich auf die Wirtschaft auswirkt", sagte Suga bei einer Pressekonferenz in Tokio.
Der Nissan-Titel verlor an Japans Börse am Dienstag 5,45 Prozent und lag zum Börsenschluss in Tokio bei 950,7 Yen (7,39 Euro), nachdem er am Morgen zeitweise um sechs Prozent gefallen war. Der Autobauer Mitsubishi Motors, dessen Präsident Ghosn ist, verlor 6,85 Prozent und fiel auf 680 Yen. Die Renault-Aktie war wegen der Zeitdifferenz bereits am Montag nach Bekanntwerden von Ghosns Festnahme an der Pariser Börse zeitweise um 15 Prozent und damit auf den tiefsten Stand seit mehr als vier Jahren abgestürzt. Am Dienstag gab sie bis zum Mittag 2,5 Prozent nach.
Frankreich und Japan stützen Bündnis Renault-Nissan
Frankreich und Japan demonstrativ stellen sich hinter die Allianz der großen Autobauer aus beiden Ländern. Renault und Nissan würden den weltweit führenden Hersteller bilden, das Bündnis sei damit "eines der größten Symbole der industriellen Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Japan" und solle beibehalten werden. Das teilten der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire und der japanische Minister für Wirtschaft, Handel und Industrie, Hiroshige Seko, am Dienstag nach einem Telefongespräch mit.
"Die beiden Minister haben die bedeutende Unterstützung der französischen und der japanischen Regierung für die Allianz zwischen Renault und Nissan bekräftigt (...)", teilte Le Maires Ministerium in Paris mit. Wie die Unterstützung im Detail aussieht, blieb offen. (dpa)
Wilhelm Berger