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Dieseldebatte: Autoindustrie setzt weiter auf Softwareupdates

31.07.2017 09:13 Uhr
Dieseldebatte: Autoindustrie setzt weiter auf Softwareupdates
Die deutsche Autoindustrie hält ihre geplanten Softwareupdates für Dieselautos weiter für die beste Lösung zur Reduzierung der Stickoxidbelastung im Straßenverkehr.
© Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Die Erwartungen von Millionen Autofahrern sind riesig: Viele fühlen sich im Dieselskandal von Herstellern getäuscht. Nun kommt noch die Sorge vor bevorstehenden Fahrverboten hinzu. Hitzig wird die Debatte auch, weil das Thema mitten in den beginnenden Wahlkampf läuft.

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Die deutsche Autoindustrie hält ihre geplanten Softwareupdates für Dieselautos weiter für die beste Lösung zur Reduzierung der Stickoxidbelastung im Straßenverkehr. "Unsere Unternehmen sind bereit, eine große Zahl von Autos mit der Schadstoffklassen Euro 5 und zum Teil auch Euro 6 mit neuester Software nachzubessern", sagte der Präsident des Branchenverbandes VDA, Matthias Wissmann, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Im Ergebnis soll das die Schadstoffe in der Luft mindestens so stark reduzieren wie Fahrverbote."

Mit der neuen Software lasse sich der Ausstoß von Stickoxiden im Schnitt der deutschen Fahrzeugflotte um mindestens 25 Prozent senken, versicherte Wissmann. Hardware-Nachrüstungen, wie sie unter anderem Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) verlangt, lehnte Wissmann als untauglich ab. "In den meisten Fällen sind Hardware-Nachrüstungen technisch und wirtschaftlich nicht machbar, weil die Fahrzeuge schon viele Jahre alt sind", sagte er.

Die Autohändler befürchten nach dem Stuttgarter Urteil zu Fahrverboten einen höheren Druck auf ihre Branche. "Fahrverbote würden zu deutlichen Wertverlusten des Diesel-Fahrzeugbestands und damit zu hohen Verlusten der Händler führen", sagte der Geschäftsführende Vorstand des Bundesverbandes freier Kfz-Händler, Ansgar Klein, der "Heilbronner Stimme" und dem "Mannheimer Morgen" (Samstag). Das Urteil sei ein deutlicher Warnschuss für die Automobilhersteller. Der Druck auf sie werde immer größer. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart sind Fahrverbote für ältere Dieselautos weiter möglich.

Zuvor hatte das Stuttgarter Verwaltungsgericht mit einem möglicherweise wegweisenden Urteil Millionen Dieselfahrer beunruhigt (wir berichteten). Demnach müssen Besitzer älterer Dieselautos weiter mit Fahrverboten rechnen. Die geplanten Software-Updates seien kein adäquates Mittel zur Verbesserung der Luft, argumentierte das Gericht. Ob und wann es tatsächlich zu Fahrverboten für viele Dieselmodelle kommt und wie diese aussehen könnten, ist aber weiter offen. Es ist damit zu rechnen, dass der Streit beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig weitergeht. Hintergrund sind die in Ballungszonen zum Teil deutlich überschrittenen Grenzwerte für Stickstoffdioxid.

"Verdammte Verantwortung" der Industrie

Die Politik erhöht unterdessen kurz vor dem "Dieselgipfel" den Druck auf die Autobauer. Sie hätten eine "verdammte Verantwortung, das Vertrauen wiederherzustellen und die begangenen Fehler zu beheben", sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) der "Bild am Sonntag". Im Kern erwartet Dobrindt "dass die Fahrzeuge schnellstens auf Kosten der Hersteller optimiert werden". Motoren mit Euro-5- und Euro-6-Norm könnten mit neuer Steuerungssoftware deutlich verbessert werden. "Ich erwarte beim Gipfel dazu ein akzeptables Angebot der Automobilindustrie."

Für Hendricks, am Mittwoch neben Dobrindt Gastgeberin des "Nationalen Forums Diesel", ist eine Software-Nachrüstung indes nur ein erster Schritt. In einem zweiten Schritt müssten die Autobauer dann die Hardware der Fahrzeuge nachrüsten, "und zwar auch auf ihre Kosten", wie sie am Freitagabend in ARD und ZDF sagte. Dazu sagte Dobrindt: "Ob es zusätzliche Hardware-Lösungen für bestimmte Wagentypen geben kann, muss mit Experten geprüft werden."

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte der "Passauer Neuen Presse" (Montag): "Jetzt stehen vor allem die Konzerne in der Pflicht, den eingetretenen Schaden zu bereinigen." Dobrindt warf er vor, "heillos überfordert" zu sein. Er schaffe es nicht aufzuklären, die Verbraucher zu schützen und den Beschäftigten der Automobilindustrie eine klare Perspektive zu geben. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warf der Bundesregierung in der "Nordwest-Zeitung" vor, sie habe jahrelang einen Schutzzaun um die Diesel- und Ottomotoren gezogen. "Diese Krise ist vermeidbar gewesen." Aus Sicht der Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring- Eckardt muss der Staat den Autoherstellern ein festes Datum für das Ende von Verbrennungsmotoren vorschreiben. "Es braucht einen klaren Ordnungsrahmen, sonst passiert nichts", sagte sie der "Welt" (Montag).

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) pochte auf substanzielle Ergebnisse beim Diesel-Gipfel der Bundesregierung am Mittwoch. "Ich gehe davon aus, dass es beim Diesel-Gipfel die Zusage für wirksame und nachprüfbare Schadstoffsenkungen zügig für die gesamte Euro-5- und Euro-6-Flotte gibt - und dass die Industrie die Kosten für die Nachrüstung trägt", sagte Kretschmann im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Anreize für den Umstie?

Aus den Reihen der Auto-Bundesländer kamen derweil Vorschläge, die Dieselkrise auch mit öffentlichem Geld anzugehen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Es müssen Anreize für den Umstieg von alten Diesel- auf Euro6- und Elektroautos geschaffen werden" und brachte "steuerliche Anreize oder eine Art Klimaprämie" ins Gespräch, "die von Industrie und Staat angeboten wird". Weils bayerischer Kollege Horst Seehofer (CSU) setzt auf die Reduzierung der Kfz-Steuer als "Anreiz zum Kauf eines neuen, emissionsarmen Euro-6-Diesel", wie er dem "Spiegel" sagte.

Auch IG Metall und die Betriebsräte der großen Autofirmen fordern eine Reihe von Sofortmaßnahmen. Wichtigste Maßnahme sei eine möglichst flächendeckende Nachbesserung von Fahrzeugen aus der Bestandsflotte mit der Abgasnorm Euro 5, heißt es in einer am Montag in Frankfurt veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. Der Gipfel müsse hier überprüfbare Maßstäbe, Zielgrößen und Zeitpläne verabreden. Ältere Diesel-Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 1 bis 4 sollten mit Hilfe einer neuartigen "Öko-Prämie" beschleunigt ausgetauscht werden. Hier nennen die Unterzeichner Taxen, Fahrzeuge in kommunalen Fuhrparks und im Gewerbeverkehr, nicht aber private Autos. Die Gewerkschafter setzen sich zudem für eine bessere digitale Verkehrssteuerung, einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sowie der Erdgas-Infrastruktur als Sofortmaßnahmen ein.

Erneut betonte die IG Metall die beschäftigungspolitische Bedeutung des Diesels. Wertschöpfung und Beschäftigungswirkung seien deutlich höher als bei vergleichbaren Otto-Motoren. Schon jetzt sei die Verunsicherung in den Betrieben groß und die Sorge um die Arbeitsplätze wachse täglich. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann blickt mit Skepsis auf den Mittwoch. Das Treffen liege zu nah am Tag der Bundestagswahl und könne für taktische Spielchen missbraucht werden, sagte Hofmann der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Eine Ökoprämie "würde gerade denen helfen, die sich kein Neufahrzeug leisten können aber dennoch auf ihr Auto angewiesen sind".

Bei FDP und Grünen stoßen Steueranreize auf Widerspruch: "Schon jetzt fließen Milliarden an Steuervergünstigungen in den Diesel, ohne dass es dafür eine umwelt- oder klimapolitische Begründung", sagte der Verkehrsexperte der Grünen, Oliver Krischer. FDP-Chef Christian Lindner sagte der "Passauer Neuen Presse" (Samstagausgabe): "Die Konzerne sind selbst gefordert und in der Pflicht, die Abgas-Probleme zu lösen und die notwendigen technischen Nachrüstungen bei Diesel-Fahrzeugen schnell vorzunehmen. Das ist keine Aufgabe der Steuerzahler."

Gegen staatliche Prämien oder Steuernachlässe ist auch der Steuerzahlerbund. "Was nicht sein kann, ist, dass die Politik jetzt wieder mit Steuergeld winkt", sagte Reiner Holznagel, Präsident des Bunds der Steuerzahler, am Montag im Deutschlandfunk zu entsprechenden Vorschlägen unter anderem von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und seinem niedersächsischen Amtskollegen Stephan Weil (SPD). "Hier ist die Automobilindustrie in der Pflicht, und da erwarte ich auf dem Autogipfel auch klare und deutliche Aussagen", betonte Holznagel. Zwar müsse man mit Blick auf die vielen Arbeitsplätze in der Branche mit Bedacht vorgehen. Aber die Autoindustrie bekomme auch schon viele Subventionen, etwa über die Kaufprämie für Elektroautos.

Greenpeace mahnt zu mehr Gesundheitsschutz

Umweltschützer von Greenpeace demonstrierten vor dem Bundesverkehrsministerium dafür, die Bevölkerung besser vor gesundheitsschädlichen Abgasen zu schützen. Millionen Diesel-Pkw seien auf der Straße, die deutlich mehr Stickoxid ausstießen als erlaubt. "Die fortgesetzte Untätigkeit des Verkehrsministers grenzt an unterlassene Hilfeleistung", erklärte Energieexperte Niklas Schinerl am Montag.

Im Morgengrauen projizierten die Umweltschützer in riesigen Buchstaben die Zahl der vorzeitigen Todesfälle durch Stickoxide (NOx) seit Bekanntwerden des Abgasskandals im September 2015 an die Fassade, dies sind nach ihren Berechnungen 19.807 Sterbefälle. Die Berechnung fußt auf Daten der Europäischen Umweltagentur, wonach hohe Stickoxidwerte in Deutschland 10.610 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verursachen. Ein festes Verbotsdatum für die gesamte Europäische Union lehnte EU-Kommissar Günther Oettinger ab. "Ein einheitliches EU-Ausstiegsdatum für den Verbrennungsmotor zum jetzigen Zeitpunkt wäre deutlich verfrüht und falsch", sagte er der "Rheinischen Post" (Montag).

Nach einem Bericht der "Mitteldeutschen Zeitung" fordert die Grünen-Spitze in einem "Zukunftsplan für das emissionsfreie Auto" unter anderem eine zeitlich befristete Umstellungsprämie für ältere Dieselfahrzeuge der Euro-5-Norm, die beim Kauf emissionsfreier Autos gezahlt werden soll. Die Kosten für die Nachrüstung von Dieselautos seien hingegen vollständig von den Herstellern zu tragen.

Einer Emnid-Umfrage im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace zufolge sprechen sich 57 Prozent der Bevölkerung für gezielte Diesel-Fahrverbote in Stadtteilen mit hoher Luftverschmutzung aus. 39 Prozent der Befragten lehnten einen solchen Schritt ab. (dpa)

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KOMMENTARE


Flock

31.07.2017 - 18:26 Uhr

Warum äußert sich Herr Heil nicht auch zu seinem ebenso überforderten SPD-Kollegen Weil? Der ist viel näher als alle anderen im Thema und hat offenbar nichts verstanden und nichts im Griff. Er ist als Verantwortlicher im VW-Konzern im Übrigen auf der "Täterseite" zu verorten.


Dieter Buschhorn

01.08.2017 - 13:59 Uhr

Okay wenn durch ein neues Update ohne Schummel Software die für die seinerzeitige Zulassung erforderlichen Grenzwerte erreicht werden ohne Mehrverbrauch oder eventuelle Motorschäden durch stärkere Abgas Rückführung.Sollte dies nicht möglich sein alle Euro 5 und Euro 6 Diesel auf Kosten der Hersteller nachrüsten mit SCR Kat. Die Autoindustrie hat Milliarden gescheffelt und die Kunden reihenweise betrogen. Mit 36 Milliarden Gewinn in 2016 und die glänzenden Zahlen im ersten Halbjahr 2017 sollten die wohl erforderlichen 18 Milliarden für eine vernünftige Umrüstung keine große Belastung sein. Außerdem wurde dieses Geld ja schon vorher durch den Verkauf " sauberer " Diesel verdient


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