Reifen könnten nach Einschätzung des Autozulieferers Continental bereits in den nächsten Jahren ihre Profiltiefe an den Fahrer übermitteln. Möglich machten das technische Helferlein in den Pneus. "Wir arbeiten daran schon akribisch", sagte Contis Reifen- und Einkaufsvorstand Nikolai Setzer zur Branchenmesse IAA in Hannover. Vermutlich sei das System zunächst für Lkw interessant. "Die Frage, wann das kommt, hängt nicht nur von uns ab, sondern auch von den Erstausrüstern und davon, wann der Kunde bereit ist, für diesen Mehrwert zu bezahlen", sagte Setzer. Für Laster meldet Conti-Technik bereits den sicherheitsrelevanten Druck und die Temperatur der Pneus.
Zur konkreten Umsetzung der Profiltiefenmessung sagte der Manager: "Technisch ist da alles vorstellbar: Kontaktsensoren etwa. Aber auch einfachere Lösungen sind denkbar; Analytik mit Drehzahlsensoren zum Beispiel. Denn Abrollumfänge ändern sich ja mit den Profiltiefen." Auch Beschleunigungssensoren könnten die Lösung bieten oder sogar Kameras. "Der Technik sind dort keine Grenzen gesetzt. Da muss man nun die richtige Balance finden: Die richtige Technik, die effizient die entsprechende Auflösung liefert", sagte Setzer. Pilotprojekte mit Kunden gebe es noch nicht, aber das Thema stehe klar auf der Agenda.
"Im Lkw-Bereich ist das natürlich extrem interessant. Dort kann man sich sehr gut vorstellen, einem Online-Portal nicht nur Reifendruck und -temperatur, sondern auch die entsprechenden Profiltiefen zu übermitteln. Das ist für den Flottenmanager sofort ein Mehrwert", sagte der Vorstand. Mit "ContiConnect" will der Dax-Konzern seinen Kunden ab dem zweiten Quartal 2017 ein Online-Portal bieten, das Reifendruck und -temperatur einer Flotte in Echtzeit beobachtet.
Digitalisierung schafft neue Geschäftsmodelle
Das Produkt ist ein Beispiel dafür, wie die Digitalisierung neue Geschäftsmodelle schafft, die als Service über die ursprünglichen Produkte hinausgehen. Dieser Bereich ist ein Schwerpunkt der IAA. Wann erste Nutzfahrzeugkunden - und später womöglich Autobauer - eine Conti-Lösung zur Profilüberwachung anfordern könnten, wollte Setzer wegen der vielen Faktoren nicht genauer vorhersagen. Dafür sei es zu früh. "Aber es wird mit Sicherheit nicht mehr zehn Jahre dauern."
Während es bei kommerziellen Nutzfahrzeugkunden wie etwa Speditionen in erster Linie um einen Hebel für die Kosten gehe, also um einen «elementaren Wirtschaftsfaktor», sei es bei den Pkw-Reifen eher die Komfortfunktion: Das gebe Kunden Sicherheit für den nächsten Wechsel.
Das Online-Portal sei für Conti auch ein Verkaufsargument - denn oft nutzen Lkw-Flotten verschiedene Reifenmarken, etwa je nach Achse. "Wir wollen dem Kunden ja gerade zeigen, dass er Vorteile mit unseren Reifen hat", sagte Setzer. Ohne das Conti-Portal sei das aufwendig und ungenau. "Da muss der Kunde etwa auf das Verhalten des Fahrers vertrauen, er muss die Tankbelege nehmen und das alles ausrechnen."
Continentals System dagegen dokumentiere alle relevanten Faktoren bis zum Einfluss des Fahrstils. Der Einfluss sei groß. Die Reifen stünden zwar nur für fünf Prozent der Gesamtkosten, beeinflussten aber den großen Posten Spriteffizienz, der bis zu einem Drittel ausmache. "Wir hören häufig das Argument: 'Aber das kann man ja gar nicht genau messen.' Jetzt gibt es die Möglichkeit, das transparent zu machen." (dpa)